Neue Gruppe im BOKU RiverLab
Der gebürtige Südtiroler war vormals Swiss National Science Foundation (SNSF) Professor am Institut für Umweltingenieurwesen der ETH Zürich und Gruppenleiter an der Eawag und WSL, zweier Forschungsinstitute des ETH-Bereichs. Seither hat er neue Forschungslinien in der Umweltströmungsdynamik aufgebaut, die natürliche und anthropogene Interaktionen mit biologischen Systemen untersuchen, sei es mit Versuchen zu Turbulenzphänomenen in Zusammenhang mit Sedimenten in Flüssen oder aquatischen Organismen im Ozean.
Im Dezember 2023 hat er eine Laufbahnstelle im Bereich „Umweltströmungsdynamik“ am IWA angetreten. „Wir haben hier im neuen Labor von Prof. Habersack beste Rahmenbedingungen für unsere Forschung und freuen uns darauf, bald auch neue Experimente in größerem Maßstab durchzuführen, die naturgetreuer und dadurch noch aussagekräftiger ausfallen werden. Außerdem freuen wir uns sehr auf die Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen im Institut“, betont Holzner. Der Leiter des Instituts, Prof. Helmut Habersack, freut sich über den wisseschaftlichen Zuwachs: „Prof. Holzner ist ein exzellenter Forscher. Er verstärkt unser Institut in der Turbulenzforschung und der experimentellen Analyse von Umweltströmungen und ich sehe starke Synergien zwischen seiner Forschung und den Schwerpunkten unseres Instituts“. Holzners Stelle wurde in Zusammenhang mit einem Kooperationsabkommen zwischen der BOKU und dem Institute of Science and Technology Austria (ISTA) geschaffen. „Ich freue mich, dass wir über dieses Abkommen eine Kooperation mit dem ISTA aufbauen können und dank der neuen Laufbahnstelle in Umweltströmungsdynamik die Forschungszusammenarbeit verstärken,“ betont BOKU-Rektorin Eva Schulev-Steindl.
Als Beispiel für die Forschung können die vier jüngsten Artikel in den renommierten Zeitschriften Nature Communications, Proceedings of the National Academy of Science und Nature Water genannt werden:
1. Wie verteilen Meeresströmungen Sandpartikel über die Ozeane und wie werden Samen durch den Wind verteilt? Unser neuer Artikel beschreibt eine universelle Ausrichtung zwischen der Relativgeschwindigkeit und den Distanzvektoren von Partikeln in turbulenter Dispersion. Dies sollte genauere Ausbreitungsschätzungen von Algenblüten, Plastikmüll und Ölverschmutzung im Ozean ermöglichen.
Shnapp, R., Brizzolara, S., Neamtu Halic, M.M., Gambino, A. & Holzner M. (2023) Universal alignment in turbulent pair dispersion. Nature Communications, 14(1), 4195. https://doi.org/10.1038/s41467-023-39903-6
https://www.nature.com/articles/s41467-023-39903-6
2. Wenn Mikroorganismen organisches Material im Boden zersetzen, geben sie aktiv CO₂ an die Atmosphäre ab. Dieser Prozess nennt sich heterotrophe Atmung. Ein neues Modell zeigt, dass diese Emissionen bis zum Ende des Jahrhunderts um bis zu 40 Prozent zunehmen könnten – am stärksten in den Polarregionen. In kalten Regionen ist die Bodenfeuchtigkeit der Hauptgrund, weshalb sich die CO₂-Emissionen durch Mikroben erhöhen. Im Rest der Welt hängt der Anstieg der Emissionen vor allem mit dem Temperaturanstieg zusammen.
Nissan, A., Alcolombri, U., Peleg, N., Galili, N., Jiménez-Martínez J., Molnar, P. & Holzner, M. (2023) Global warming accelerates soil heterotrophic respiration. Nature Communications, 14(1), 3452. https://doi.org/10.1038/s41467-023-38981-w
https://www.nature.com/articles/s41467-023-38981-w
3. Öl ist leichter als Wasser und wenn eine Ölpipeline im tiefen Ozean leckt, dann steigt es nach oben. Neuartige Experimente und Computer Simulationen zeigen, dass das Öl auf dem Weg nach oben schnell in kleine Oeltröpfchen zerfällt, und zwar durch den Einfluss turbulenter Wirbel, die als “Rayleigh Taylor” Turbulenz bekannt sind. Auf kleinem Massstab werden diese Wirbel durch Kapillarwellen an der Tröpfchenoberfläche verstärkt, was wiederum kleinere Öltröpfchen hervorbringen kann. Dieser Vorgang hat entscheidende Auswirkungen auf die bakterielle Abbaurate des Öls, zumal kleine Tröpfchen optimale Angriffsfläche für Mikroben bieten und von diesen schnell zu erreichen sind.
Stefano Brizzolara, Robert Naudascher, Marco Edoardo Rosti, Roman Stocker, Guido Boffetta, Andrea Mazzino and Markus Holzner (2024) Immiscible Rayleigh-Taylor turbulence: implications for bacterial degradation in oil spills. Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. 121 (11) e2311798121. https://doi.org/10.1073/pnas.231179812
https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2311798121
4. Um die Auswirkungen von Mikroplastik auf aquatische Ökosysteme besser zu verstehen, ist es wichtig, die Transportdynamik sowie Interaktionen mit natürlichen Prozessen und Kreisläufen aufzuklären. Hier betrachten wir, wie Mikroplastik mit organischen „Schneeflocken“, einer Mischung aus Algen und natürlichen Partikeln, interagiert. Unsere Experimente haben gezeigt, dass Plastik als Ballast für ein wesentlich schnelleres Absinken der Flocken sorgt. Dies kann wesentliche biogeochemische Kreisläufe beeinflussen, weil der Nährstofffluss vom Wasser zum Sediment verändert wird.
Parrella F., Brizzolara, S., Holzner M. & Mitrano, D. (2024) Heteroaggregation of microplastics and algae: impact on vertical transport and implications for biogeochemical cycling. Nature Water, accepted.
Turbulenz beschleunigt den bakteriellen Abbau von Öl im Meer
Öl ist leichter als Wasser und wenn eine Ölpipeline im tiefen Ozean leckt, dann steigt es nach oben. Neue Experimente und Computersimulationen eines Teams des Instituts für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung (IWA) der BOKU University zeigen, dass das Öl auf dem Weg nach oben schnell in kleine Tröpfchen zerfällt, und zwar durch den Einfluss turbulenter Wirbel, die als „Rayleigh Taylor“-Turbulenz bekannt sind. Auf kleinem Maßstab werden diese Wirbel durch Kapillarwellen an der Tröpfchenoberfläche verstärkt, was wiederum kleinere Öltröpfchen hervorbringen kann. Dieser Vorgang hat entscheidende Auswirkungen auf die bakterielle Abbaurate des Öls, zumal kleine Tröpfchen eine optimale Angriffsfläche für Mikroben bieten und von diesen schnell zu erreichen sind.
Lecks in marinen Öl- oder Gaspipelines verursachen ökologische Schäden und belasten das Klima. Wie schwerwiegend der Schaden ausfällt, hängt unter anderem davon ab, wie sich das Öl im Wasser verteilt, während es aufsteigt. Zwei britische Physiker, Lord Rayleigh und Sir G.I. Taylor, haben vor etwa einem Jahrhundert die nach ihnen benannte hydrodynamische Instabilität beschrieben, die entsteht, wenn eine instabile Schichtung zweier Flüssigkeiten – das heißt, eine schwere Flüssigkeit ruht auf einer leichten – vorliegt: kleinste Störungen an der Grenzschicht wachsen schnell an und formen pilzförmige Ausstülpungen der Flüssigkeiten ineinander. Während diese beschleunigen, bilden sich chaotische Wirbelstrukturen aus, die als „Rayleigh Taylor“-Turbulenz bekannt sind. Diese Verwirbelungen sorgen für eine effiziente Vermischung der beiden Flüssigkeiten. Was passiert, wenn die Flüssigkeiten nicht mischbar sind, wie Öl in Wasser, war bis vor kurzem nicht ganz klar.
Ein Team unter der Leitung von Markus Holzner vom Institut für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung (IWA) der BOKU University hat nun gezeigt, dass sich auf großem Maßstab turbulente Wirbelstrukturen ausbilden, die das Öl in Emulsion bringen, also als Tröpfchen im Wasser verteilen. „Wir haben dafür neuartige Experimente durchgeführt, die es erlauben, mittels sorgfältiger Auswahl zweier transparenter, nicht mischbarer Flüssigkeiten störende Lichtbrechungen an deren Grenzflächen zu vermeiden und die Tröpfenbildung mit Hochgeschwindigkeitskameras zu quantifizieren. Außerdem haben wir mittels hochauflösender numerischer Berechnungen verschiedene Flüssigkeitskombinationen simuliert sowie die bakterielle Abbaurate des Öls berechnet”, erläutert Holzner.
Kapillare Turbulenzen bewirken Aufspaltung in kleine Tröpfchen
Zum ersten Mal konnten die Wissenschaftler kapillare Turbulenzen an der Tröpfenoberfläche nachweisen. Diese Turbulenz wird durch nicht-lineare Wellen an der Tröpfenoberfläche verursacht und bewirkt ihre weitere Aufspaltung in kleinste Tröpfchen. Eine theoretische Analyse der Autoren zeigt, dass diese kapillare Turbulenz auftritt, wenn das Größenverhältnis zwischen den größten Öltropfen und den kleinsten turbulenten Wirbeln groß genug ist. „Dieses Verhältnis lässt sich anhand der Flüssigkeitseigenschaften, und zwar Dichte, Oberflächenspannung und Viskosität, berechnen“, erklärt Holzner, „und legt offen, dass diese Bedingung für Öllecks im Meer typischerweise erfüllt ist.“
Studie ermöglicht genauere Berechnungen der bakteriellen Abbaurate
Viele kleine Tröpfchen bieten wesentlich mehr Angriffsfläche für ölabbauende Bakterien als weniger große, außerdem sind sie von den Bakterien schneller zu erreichen. Die numerischen Berechnungen des Teams haben ergeben, dass anhand der in der turbulenten Strömung gemessenen Tröpfchenverteilung die Abbaurate wesentlich schneller ist, als klassische Modelle voraussagen würden. Letztere vernachlässigen nämlich den Einfluss der Turbulenz, was zu einer Überschätzung der Tröpfchengröße und Abbaudauer führt. „Unsere Berechnungen haben gezeigt, dass klassische Modelle die Abbaudauer sogar um bis zu 400% überschätzen. Unser Ansatz bedeutet also eine wesentliche Verbesserung der Genauigkeit, was sehr wichtig ist, um die ökologischen Auswirkungen von Pipeline-Lecks abschätzen oder Sanierungsmaßnahmen korrekt planen zu können.“ Die Ergebnisse der Studie wurden soeben in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht.