Das Thema Ethik wurde an der BOKU erstmals im Jahr 2007 herum evident, als ein geplantes Forschungsprojekt von vielen als „ethisch nicht einwandfrei“ angesehen wurde, und sowohl an der BOKU als auch in der Öffentlichkeit Bestürzung hervorrief. Presseartikel erzeugten Druck von außen. Senat und Rektorat erkannten die Notwendigkeit für ein Gremium und beschlossen, eine Ethikplattform als Organ für Diskussion und Bewusstseinsbildung zu ethischen Themen einzurichten. Nach Bereitstellung des notwendigen Budgets konnte im Jahr 2011 die Geschäftsordnung erstellt werden. Ein Zeichen der Stärke ist, dass in der Ethikplattform alle Gremien, Departments und sonstige Einrichtungen vertreten sind und man eine demokratisch geregelte Vorgehensweise festgelegt hat.

Inhaltlich ging es während der 1. Funktionsperiode darum zu klären, was an der BOKU als Gemeinschaftsverpflichtung gelten könnte. Der Plan, dies in Form einer Ethik-Charta festzuhalten, stieß mancherorts zunächst durchaus auf Skepsis. Ethik war für viele BOKU-Angehörige thematisches Neuland. Einzelne Mitglieder haben sich tiefer darauf eingelassen und zu Ethik und Moral (weiter-)gebildet. Alle aber mussten zunächst die Pionierarbeit leisten, eine „gemeinsame Sprache“ zu finden. In spannenden, teils sehr kontroversen und damit streckenweise auch langwierigen, im Kreis verlaufenden Diskussionen wurden für die BOKU relevante ethische Prinzipien und Grundsätze herausgearbeitet und diese für den Umgang miteinander, die Lehre und die Forschung präzisiert. Viel Zündstoff barg z.B. die Frage, ob es an der BOKU ein ethisches Entscheidungs- oder aber ein Beratungsgremium geben soll. Dass eine Lösung derartiger Fragen nur im Dialog gelingen kann, dass all dies viel Zeit braucht, strapazierte die Geduld vieler BOKU-Angehöriger. Allerdings ist eine jahrelange Dauer für ein derart breit und diskursiv angelegtes, partizipatorisches Verfahren, dessen Ergebnis nicht von vorne herein feststeht, durchaus die Norm.

Letztlich resultierte, so der ehemalige Vorsitzende der Ethikplattform, Gerd Sammer, ein „überraschend konkretes Ergebnis“. Die jetzt sehr klare Struktur der Ethik-Charta ist nicht zuletzt der breiten, BOKU-weiten Diskussion des ersten Entwurfs im Frühjahr 2014 und der Zuziehung externer Expertise zu verdanken. Der nun seit Anfang Jänner 2015 vorliegende beschlussfähige Entwurf zeigt jedenfalls, dass eine Einigung zu ethischen Fragestellungen an der BOKU grundsätzlich möglich ist. Die vielfachen Belastungen durch Forschung und Lehre brachten es mit sich, dass viele Mitglieder der Ethikplattform nicht regelmäßig an den Arbeitssitzungen teilnehmen konnten. Dass das „Projekt Ethik-Charta“ seitens der Ethikplattform trotzdem erfolgreich abgeschlossen werden konnte, ist auf die kontinuierliche Weiterarbeit trotz wechselnder Besetzung zurückzuführen.

Die Ethik-Charta ist das konsensuale Produkt aus dem ersten, breit angelegten Bottom-up-Prozess an der BOKU und wurde im Frühjahr 2015 von Rektorat und Senat gleichlautend beschlossen.