Die Forstbranche und die Forstuni zur NS-Zeit ist Thema der Studie "Reichsforste in Österreich", herausgegeben von Zeithistoriker Oliver Rathkolb. Dazu findet eine Podiumsdiskussion am 18. November 2010 im Festsaal der BOKU statt.

Zeithistoriker Univ.-Prof. Oliver Rathkolb präsentiert die Ergebnisse einer umfangreichen Studie, die er mit Mag. Maria Wirth und Dr. Michael Wladika im Auftrag der Österreichischen Bundesforste durchgeführt hat. Unter dem Titel „Die Reichsforste in Österreich 1938-1945. Arisierung, Restitution, Zwangsarbeit und Entnazifizierung“ setzt er sich seit 2005 mit der Aufarbeitung der Unternehmensgeschichte während des Nationalsozialismus auseinander. Aus diesem Anlass laden die Österreichischen Bundesforste und die BOKU zu einer Podiumsdiskussion ein: Forstbranche und Forstuni in der NS-Zeit
18. November 2010, 18.00-19.30 Uhr
Festsaal der BOKU
1180 Wien, Gregor-Mendel-Straße 33
Es diskutieren am Podium:

  • Dr. Georg Erlacher (Vorstandssprecher der Österreichischen Bundesforste)
  • Univ.- Prof. Oliver Rathkolb (Herausgeber der Studie die „Reichsforste in Österreich“)
  • Dr. Paulus Ebner (Historiker)
  • Em. Univ.-Prof. DDr. Manfried Welan (Rektor emeritus der BOKU Wien)

Um Anmeldung wird gebeten bis 11. November 2010 unter: veronika.regner(at)boku.ac.at

Nähere Information zur Studie: Bundesforste – Unternehmen mit Verantwortung und Geschichte Oliver Rathkolb erstellt Studie im Auftrag der ÖBf:
Die "Reichsforste" in Österreich 1938 - 1945
Arisierung, Restitution, Zwangsarbeit und Entnazifizierung
Der Zeithistoriker Univ.-Prof. Oliver Rathkolb präsentiert die Ergebnisse einer umfangreichen Studie, die er mit Mag. Maria Wirth und Dr. Michael Wladika im Auftrag der Österreichischen Bundesforste (ÖBf) durchgeführt hat. Unter dem Titel „Die "Reichsforste" in Österreich 1938 - 1945 ARISIERUNG, RESTITUTION, ZWANGSARBEIT UND ENTNAZIFIZIERUNG“ setzte er sich seit dem Jahr 2005 mit der Aufarbeitung der Unternehmensgeschichte während der Zeit des Nationalsozialismus auseinander. Die Studie ist der Höhepunkt einer offenen und aktiven Auseinandersetzung der Bundesforste mit ihrer eigenen Geschichte. „Als öffentliches Unternehmen sind wir uns unserer Verantwortung und Verpflichtung zu Offenheit und Transparenz gegenüber der Gesellschaft bewusst. Diese Studie ist eine Zwischenbilanz zur Überprüfung unserer bisherigen Aktivitäten und gibt uns den Antrieb, weiter an einer offenen Aufarbeitung unserer Vergangenheit zu arbeiten“, so Bundesforste-Vorstand Georg Erlacher. Im Zentrum der Studie stehen Forschungen zu drei Aspekten: die internen Karriereverläufe der oberen und mittleren Führungsebene der Reichsforstverwaltung, die Arisierung und Restitution von Liegenschaften und Immobilien sowie der Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern in den Betrieben. Zur Untersuchung der internen Karriereverläufe wurden die Jahre 1937, 1938 und 1955 herangezogen und 994 Personen untersucht. Im Jahr 1937 wurden 9 Prozent, im Jahr 1938 6 Prozent der erfassten Personen entlassen oder pensioniert, davon nur ein Bruchteil jüdische Betroffene. Weiters wurde erhoben, dass der Anteil an „Parteigängern“ der NSDAP sehr hoch war – 1937 waren es 715, im Jahr 1955 immer noch 576 Personen. Dies stellte nach 1945 ein starkes Problem bei der Entnazifizierung dar. Ein relativ großer Anteil des Forstpersonals wurde weiter beschäftigt, allerdings nicht in exponierten Funktionen. Der Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern wurde anhand von 1.411 Personen untersucht und in einer Datenbank erfasst. Hauptsächlich handelt es sich dabei um Männer, der Frauenanteil liegt bei nur 4,8 Prozent. Fast ein Drittel der untersuchten Personen stammen aus der damaligen Sowjetunion. Weitere Herkunftsländer sind die Slowakei, Italien, Jugoslawien, Polen, Frankreich, Ungarn, Rumänien, Böhmen/Mähren und Bulgarien. Bei fast einem Viertel blieb das Herkunftsland unbekannt. Ob jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eingesetzt wurden, konnte nicht eindeutig erforscht werden. Hinweise darauf wurden zwar gefunden, die entsprechenden Akten waren jedoch nicht vorhanden. Hinsichtlich der Arisierung und Restitution von Liegenschaften hatten sich die Bundesforste bereits seit der Nachkriegszeit intensiv mit dieser Thematik auseinandergesetzt. 2001 wurde schließlich eine Untersuchung aller ÖBf-Grundstücke hinsichtlich möglicher Arisierungen fertig gestellt. Mit der Beauftragung des erfahrenen Provenienzforschers und Juristen Michael Wladika wurden diese Anstrengungen durch einen externen Top-Experten überprüft. Die vorliegende Studie ergab, dass bis auf einen anhängigen Fall bisher keine restitutionsfähigen Liegenschaften aufgetaucht sind. „Insgesamt“, so Studienprojektleiter Oliver Rathkolb, „konnte erstmals eine umfassende kritische Bestandsaufnahme der Folgen der nationalsozialistischen Politik in den ‚Reichsforsten’ durchgeführt sowie die vielschichtige Elitenkontinuität analysiert werden". "Mit dem offenen Umgang der Bundesforste mit ihrer Vergangenheit und der Bereitschaft zur Aufklärung leistet das Unternehmen einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der österreichischen Geschichte“, so Rathkolb abschließend. Mit dieser Studie sind die Aktivitäten der ÖBf zu dem Thema noch nicht abgeschlossen: Geplant sind umfangreiche Maßnahmen, wie etwa interne Veranstaltungen zur Bewusstseinsbildung der Bundesforste-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Weiters werden Ausbildungsstätten der Forstwirtschaft, beispielsweise die Universität für Bodenkultur oder die Försterschule in Bruck/Mur, mit der Studie ausgestattet und Stipendien an Forschungsabteilungen zur Vertiefung einzelner Fragen werden vergeben. „Uns ist wichtig, dass die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit nicht nur bei uns im Haus passiert, sondern auch bei den jüngeren Generationen noch stärker Eingang findet. Nur wer seine Vergangenheit kennt, kann offen und zuversichtlich in die Zukunft sehen“, so ÖBf-Vorstandssprecher Erlacher abschließend.


12.10.2010