Jagd & Sicherheit: "Weidblick" mit Weitblick

Über den Weg der institutionalisierten Sicherung der Akzeptanz der Jagd Wenn ein Treiber von mehreren Schrotkugeln getroffen wurde und die Jagdgesellschaft den Vorfall totzuschweigen versuchte, wenn ein VW Golf mit einem Wildschwein auf der Strasse zusammentrifft oder wenn statt des vermeintlich angekündigten heimischen Wildbrets ein Neuseelandhirsch aus einem Zuchtgatter am Teller liegt, sind wieder einmal alle Vorurteile gegenüber Jäger und Jagd bestätigt. Hinzu kommen die emotional orientierten Medien, denn die wenigsten berichten sachlich: Durch die reproduzierten Klischees haben Jäger/innen vielerorts einen Imagedefekt, angeheizt durch pro forma Schießwütigkeit, Trophäenversessenheit und protzende Geländewagen. Praktiker und Wissenschafter sind sich einig. Das öffentliche Image der Jagd ist verbesserungsbedürftig und der Sicherheitsaspekt ist dabei ein dominierender Faktor. Aus diesem Grund lud die Universität für Bodenkultur Wien am 16. November zu einem Pressegespräch über das Thema „Sicherheit und Jagd“. „Die gesellschaftliche Entfremdung von der Natur ist in den skandinavischen Ländern nicht so stark wie bei uns. Dort ist auch die Jagd etwas Selbstverständliches“, so Univ.Prof. Dr. Klaus Hackländer, Vorstand des Instituts für Wildbiologie und Jagdwirtschaft an der BOKU. „Es geht um die konstruktive Nutzung der Ressourcen, um das Erkennen von Zusammenhängen zwischen Ökologie und Lebensraummanagement. Das impliziert zum Beispiel auch das Anlegen von Hecken oder Feuchtgebieten. Wenn Jagd nachhaltig praktiziert wird, kann sie auch zum Naturschutz beitragen.“ Um u.a. diese fundamentalen Zusammenhänge geht es im zweijährigen Boku-Universitätslehrgang „Jagdwirt/in“. Dass sich jedes Mal weit mehr TeilnehmerInnen bewerben als aufgenommen werden können zeigt, dass der Bedarf an übergreifendem Wissen und an kommunikativer Bereitschaft steigt. Der geschäftsführende BOKU-Rektor Univ.Prof. Dr. Martin Gerzabek verwies zusätzlich auf die ökonomische Bedeutung der Jagd. Der Universitätslehrgang und seine gesamtheitliche Betrachtungsweise sind deshalb so wichtig, weil  Aus- und Weiterbildung in der Jagd die Basis für eine nachhaltige ökonomische Nutzung legen. Die frühere Post-Generalsekretärin Dr. Viktoria Kickinger, selbst Jägerin, stellte fest, dass Natur und Jagd zunehmend aus zweiter Hand via TV und Hochglanzjournale erlebt wird. „Das Thema gehört entemotionalisiert, das geht nur durch sachliche Information, wie das Beispiel einer Projektarbeit mit SchülerInnen zeigt“. Sicherheit aus einer ganz anderen Perspektive beleuchtete Prof. Dr. Rudolf Winkelmayer (Obmann des Fachausschusses für Wildbret und Wildtiergesundheit des NÖ Landesjagdverbandes). Er verwies auf die hohe Qualität von Wildfleisch. Pro Jahr werden in Österreich pro Kopf 103 Kilogramm Fleisch verzehrt, davon ist aber nur ein Kilogramm Wild. „Wild ist tierschutzgerechtest gewonnenes Fleisch“, so Winkelmayer, „der Transportstress fällt weg, die Tötung erfolgt schnell und zumeist schmerzlos, das Fleisch hat keine langen Transportwege“. Allerdings sei schon aus ethischen Gründen nötig, sorgfältig mit dem Wildbret umzugehen - das heißt, auch alle Teile zu verwerten. Der Konsument dürfe nicht getäuscht werden. Wenn etwa in der Gastronomie Hirschfleisch angeboten werde, müsse es eine Information darüber geben, ob es aus der Region oder etwa aus Neuseeland stamme. Der Gourmetkritiker und Schriftsteller Prof. Christoph Wagner, zusammen mit Winkelmayer Autor des Buches „Gewissensbisse“ (Verlag loewenzahn) fügt hinzu, dass die Österreicher die Kostbarkeiten in ihren Wäldern zu wenig zu schätzen wüssten. Die Vielfalt der Zubereitungsarten ist geschwunden, ebenso die Anzahl der Arten, die man gastronomisch verwertet. „Essen ist ein kultureller Akt. Ich bin ein Jäger mit Messer und Gabel.“ Ein Imagewandel braucht Professionalität, gut dargelegte Argumente, Rationalität und Emotionalität gleichermaßen, Ehrlichkeit und viel Beharrlichkeit. Vorurteile in der Jagdszene sind vorläufige Urteile, die trotz gegenteiliger Fakten durch traditionelle Problemlösungsansätze nicht revidiert werden können. Es wird ein langer Weg für ein Miteinander von Gesellschaft und Jagd, der BOKU-Universitätslehrgang „Jagdwirt/in“ wird diesen komplexen Prozess beschleunigen und für interessante Überraschungen sorgen. Kontakt / Rückfragen:
Mag. Christina Paulus
BOKU - Wildbiologie und Jagdwirtschaft
christina.paulus(at)boku.ac.at