Bedingt durch den Klimawandel werden Störungen im Wald immer häufiger. Schäden durch Wind, Borkenkäfer und Feuer haben in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen und für die Zukunft ist ein weiterer Anstieg zu erwarten. Dies stellt WaldbewirtschafterInnen vor die große Herausforderung, wie angesichts der zunehmenden Extremereignisse die Nachhaltigkeit vieler Waldleistungen sichergestellt werden kann. Als Unterstützung wurde beispielsweise im Vorjahr von Minister Rupprechter ein Borkenkäfer-Maßnahmenpaket beschlossen.

Allerdings sind Windwurf, Borkenkäfer und Waldbrand seit jeher Teil des Ökosystems Wald – genauso wie Buche, Eierschwammerl und Rothirsch. Ein Team von Wissenschaftern der Universität für Bodenkultur Wien unter der Leitung von Prof. Rupert Seidl hat daher untersucht, ob Störungen im Wald nicht auch positive Seiten haben können. Dazu untersuchten sie zunächst die Beziehung zwischen Klima und den natürlich im Wald vorkommenden Baumarten: „Das Klima ändert sich in einer Geschwindigkeit, bei der das langsame ‚System Wald‘ auf natürlichem Wege kaum mehr nachkommt. Als Folge entsteht ein steigendes Ungleichgewicht zwischen dem vorherrschendem Klima und der Zusammensetzung des Waldes“, erklärt Dr. Dominik Thom, Erstautor der in der Fachzeitschrift Global Change Biology erschienenen Studie. Mittels Computersimulation konnten die Wissenschaftler zeigen, dass Störungen das Ungleichgewicht zwischen Klima und Wald verringern, indem sie an ein wärmeres Klima angepassten Baumarten die Chance zur Etablierung bieten. Steigende Waldschäden sind somit so etwas wie eine „Fieberreaktion“ des Waldes, welche langfristig zu einem gesunderen Waldzustand führen kann. 

Die Wissenschaftler waren jedoch noch einem weiteren Effekt von Waldschäden auf der Spur, erhöhen doch Störungen die strukturelle Vielfalt des Waldes. Manche Bäume sterben durch Feuer oder Borkenkäfer, andere überleben und durch die nachkommende Verjüngung entsteht ein neben- und miteinander von Bäumen verschiedenen Alters. Sozusagen „Generationenwohnen im Wald“. Borkenkäfer sind jedoch auf ein großflächiges Vorkommen von älteren Bäumen angewiesen. Die Wissenschaftler vermuteten daher, dass eine durch aktuelle Störungen erhöhte Vielfalt zukünftige Störungen verringern könnte. Um diesem Struktur-Effekt nachzugehen ohne ihn dabei mit dem oben beschriebenen Baumarten-Effekt zu verwechseln, machte sich Prof. Seidl auf die Suche nach einem sehr baumarten-armen System – und fand dies im Yellowstone Nationalpark in den USA. „Das Yellowstone Plateau ist von nur einer einzigen Baumart dominiert und war in der Vergangenheit stark von Waldbränden beeinflusst, was die Strukturvielfalt stark erhöht hat. Des Weiteren wird die dort vorkommende Drehkiefer gerne vom Borkenkäfer befallen. Der Yellowstone war also das perfekte ‚Versuchslabor‘ um unsere Hypothese zu Struktureffekten zu testen“, meint Seidl. Gemeinsam mit WissenschafterInnen der University of Wisconsin, Madison und des Washington DNR ging er daran, den Effekt von durch Waldbrand verursachter Strukturvariabilität auf zukünftige Käferschäden zu quantifizieren. Die nun in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlichte Arbeit zeigt, dass die aktuell hohen Waldschäden die Gefahr von zukünftigen Waldschäden deutlich verringern. 

„Es gibt also auch positive Aspekte von zunehmenden Waldschäden“, folgert Seidl, und empfiehlt WaldbesitzerInnen: Schäden dort vermeiden, wo es möglich ist, jedoch mit Störungen rechnen und diese – wenn sie auftreten – als Chance zur Anpassung und Erhöhung der Vielfalt im Wald nutzen.

Baumartenstudie: http://dx.doi.org/10.1111/gcb.13506 
Strukturstudie: http://dx.doi.org/10.1073/pnas.1615263113

Kontakt:
Rupert Seidl, Universität für Bodenkultur Wien
Email: rupert.seidl(at)boku.ac.at
Tel.: +43-1-47654-91328