Ökologin Lisa Kernegger und Frau Professor Riefler sprechen zum Thema Nachhaltigkeitslabels

„Viele Menschen wollen mit ihrem Konsum der Klimakrise etwas entgegen halten, und das nutzen die Unternehmen schamlos aus“, so Ökologin Lisa Kernegger, Leiterin der Konsumentenorganisation Foodwatch Österreich.

Die Klimalabels auf Lebensmitteln reichen von „klimaneutral“ über „CO2-neutral“, bis hin zu „klimapositiv“ und „CO2-positiv“. Mit diesen Begriffen wollen die Hersteller ihre Produkte in ein klimafreundliche Licht rücken, so Kernegger.

Labels halten nicht, was sie versprechen

Laut einer Studie der EU-Kommission aus dem Jahr 2020 wird für zehn Prozent aller Lebensmittel im Supermarkt mit Klimaversprechen geworben, bei Eiern und Olivenöl ist es sogar jedes vierte Produkt.

Foodwatch Deutschland hat sechs Lebensmittel mit Klimalabels genau unter die Lupe genommen. Alle Produkte haben einen hohem Treibhausgasausstoß bei der Herstellung, darunter etwa Milch und Mineralwasser in Wegwerfplastikflaschen.

„Dreistes Greenwashing“

Zwei der Produkte werden auch in Österreich verkauft, sagt Lisa Kernegger: Eine Salami-Tiefkühlpizza und ein Babybrei mit Rindfleisch. Letzterer wirbt mit sogar mit dem Label „klimapositiv“. „Was besonders absurd ist, da bei der Herstellung von Rindfleisch besonders viele Emissionen anfallen“, so die Ökologin.

Der Hersteller der Babynahrung suggeriere damit, der Kauf dieses Fleischprodukts sei etwas Gutes für das Klima. „Das ist natürlich dreistes Greenwashing“, so Kernegger.

Emissionen können nicht rückgängig gemacht werden

Wie auch bei den anderen Produkten, kaufe der Hersteller hier Zertifikate verschiedener Umweltprojekte, um sich im Nachhinein klimaneutral zu rechnen und einen klimapositiven Anstrich zu verleihen.

Das Problem bei solchen Kompensationen: die durch die Produktion entstandenen Emissionen können dadurch nicht rückgängig gemacht werden, so die Ökologin. Für die Anbieter der Klimalabels sei die Vermittlung von CO2-Gutschriften ein lukratives Geschäftsmodell.

Regelung durch EU gefordert

Foodwatch fordert daher von der EU eine gesetzliche Regelung für Klimawerbung. Begriffe wie „klimapositiv“ oder „CO2-neutral“ seien irreführend und müssten verboten werden. Unternehmen, die ernsthafte Bemühungen anstellen ihre Klimabilanz zu verbessern, könnten das in ihrem Nachhaltigkeitsbericht kommunizieren, verkürzte Werbebotschaften, die Konsumentinnen und Konsumenten in die Irre führen, seien jedoch abzulehnen, so Kernegger.

„Planet-Score“ könnte Klimabilanz zeigen

Ob ein EU-weites Verbot von irreführender Klimawerbung tatsächlich realistisch ist, könne sie nicht einschätzen, so Petra Riefler, Leiterin des Instituts für Marketing und Innovation an der Universität für Bodenkultur in Wien.

Stattdessen schlägt sie eine verpflichtende Kennzeichnung aller Lebensmittel vor, bei der die Umweltfreundlichkeit der Herstellung bewertet wird: den sogenannten „Planet-Score“. Er wurde in Frankreich entwickelt. Wie beim „Nutri-Score“, den man in Österreich bereits von einigen Produkten kennt, und der den Nährwert von Lebensmitteln einstuft, benotet auch der „Planet-Score“ Produkte mit „A“ bis „E“. „A“ steht für „umweltverträglich“, „E“ für „sehr umweltbelastend“.

Skala von A bis E

Dabei würden auch Kriterien wie Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit in der Landwirtschaft und andere planetarische Grenzen berücksichtigt. Der Ausstoß von CO2 allein sei ein zu enger Fokus, wenn es um die Bewertung von Umweltbelastung geht, so Riefler.

Klimalabels wie „CO2-positiv“ oder „klimaneutral“ würden durch den Planet-Score zurückgedrängt und ad absurdum geführt, ist Riefler überzeugt: „Habe ich zum Beispiel verpflichtend ein „E“ auf einem Produkt stehen, ist schwer anzunehmen, dass ich daneben „klimapositiv“ schreiben kann.“ Damit würde sich das Problem für manche Produkte quasi von selbst lösen, so Riefler.

Jonathan Scheucher, help.ORF.at

 

Lauschen Sie den Ö1-Beitrag mit Frau Professor Riefler und Ökolgin Lisa Kernegger  


23.11.2022