Nahrungs- und Ernährungssouveränität

Globaler Hunger und Fehlernährung werden weitgehend durch strukturelle Ungleichheit verursacht, die u.a. durch fehlenden Zugang zu Land und anderen Ressourcen, fehlendem Zugang zu angemessener Nahrung und Ernährung, sauberem Trinkwasser und Gesundheitsversorgung charakterisiert ist.  Die Mehrzahl der Betroffenen sind Kleinbäuer*innen, Pastoralist*innen, indigene Gruppen, die landlose Bevölkerung, nicht-landwirtschaftliche ländliche Haushalte, sowie die verarmte urbane Bevölkerung. Frauen und Mädchen sind besonders benachteiligt.

Unser derzeitiges Ernährungssystem versagt nicht nur darin, den Hunger zu beenden, sondern fördert gleichzeitig Fehlernährung, die zu Übergewicht und Fettleibigkeit führt. Das Versagen des globalen Ernährungssystems untergräbt letztlich die Fähigkeit und Resilienz von einzelnen Personen und Gemeinschaften angesichts einer sich verändernden Umwelt und sozialer Verhältnisse. Hinzu kommt eine strukturelle Verschärfung sozial-ökologischer Ungleichheiten im globalen Ernährungssystem durch die Klimakrise, Krieg und gewaltsame Konflikte, sowie die Auswirkungen der Abhängigkeit von fossilen Energiequellen. Diese Entwicklungen rücken die Bedeutung von Ernährungssouveränität noch stärker als bisher in den Fokus.

Ernährungssouveränität stellt gesunde und kulturell angemessene Lebensmittel, die mittels nachhaltiger Anbauweisen erzeugt werden, in den Vordergrund, sowie das Menschenrecht auf angemessene Nahrung und Ernährung – das bedeutet, dass Menschen ihre Nahrungssysteme und die Art und Weise, wie Nahrung produziert wird, mitgestalten. Ernährungssouveränität setzt an den strukturellen Ursachen von Hunger an und betont somit die demokratische Kontrolle der Produktion, Verteilung und des Konsums von Lebensmitteln. Unterschiedliche Akteur*innen haben ein Recht auf Zugang zu Land und darauf, über die Verwendung und die verbesserte Nutzung natürlicher Ressourcen mitzuentscheiden, zum Beispiel durch kollektive Rechte auf Land, Saatgut oder dörfliche Zuchtprogramme und Nachhaltigkeit von Tierhaltungssystemen. Vor allem Frauen sind in vielen Gesellschaftssystemen weltweit nach wie vor beim Zugang zu Land, Tierhaltung, Märkten, Krediten, Bildung und Entscheidungsprozessen stark benachteiligt. Mittels intersektionaler Analyse erforschen wir, wie diskriminierende Gendernormen mit anderen sozialen Kategorien wie Alter, Bildung, ethnische Zugehörigkeit, Erwerbs(un)fähigkeit, Klasse, sexuelle Identität oder Herkunft verwoben sind. Unter Anwendung eines polit-ökologischen Ansatzes untersuchen wir den Zusammenhang ökologischer und polit-ökonomischer Prozesse sowie sozio-kultureller Dynamiken und gesellschaftlicher Macht- und Herrschaftsverhältnisse von der lokalen bis zur globalen Ebene.

 

Exemplarische Publikationen

Lemke, S., Claeys, P. (2020). Absent Voices: Women and Youth in Communal Land Governance. Reflections on Methods and Process from Exploratory Research in West and East Africa. Land 9(8): 266. doi.org/10.3390/land9080266

Plank, C., Haas, W., Schreuer, A., Irshaid, J., Barben, D., Gorg, C. (2021). Climate policy integration viewed through the stakeholders' eyes: A co-production of knowledge in social-ecological transformation research. Environ Policy Gov 31(4): 387-399. doi.org/10.1002/eet.1938

Stadlmayr, B., Trübswasser, U., McMullin, S., Karanja, A., Wurzinger, M., Hundscheid, L., Riefler, P., Lemke, S., Brouwer, I. D., Sommer, I. (2023). Factors affecting fruit and vegetable consumption and purchase behavior of adults in sub-Saharan Africa: A rapid review. Frontiers in Nutrition10, [1113013]. https://doi.org/10.3389/fnut.2023.1113013

Alamirew, S.K., Lemke, S., Stadlmayr, B., Freyer, B. (2023). Dietary Behaviour and Sociocultural Determinants of Dietary Diversity among Rural Women of Reproductive Age: A Case of Amhara Region, Ethiopia. Nutrients15(15): 3369. https://doi.org/10.3390/nu15153369