Nahrungs- und Ernährungssouveränität
Globaler Hunger und Fehlernährung werden weitgehend durch strukturelle Ungleichheit verursacht, die u.a. durch chronisch fehlenden Zugang zu angemessener Nahrung, sauberem Trinkwasser und angemessener Gesundheitsversorgung charakterisiert ist. Die Mehrzahl der Betroffenen sind Kleinbäuer*innen, Pastoralist*innen, indigene Gruppen, die landlose Bevölkerung, nicht-landwirtschaftliche ländliche Haushalte, sowie die verarmte urbane Bevölkerung - Frauen und Mädchen sind am dabei am stärksten benachteiligt.
Unser derzeitiges Ernährungssystem versagt nicht nur darin, den Hunger zu bekämpfen, sondern fördert gleichzeitig eine Fehlernährung, die zu Übergewicht und Fettleibigkeit führt. In Kombination mit dadurch bedingten nicht übertragbaren Krankheiten, wie Herz-Kreislauferkrankungen, verursacht dies weltweit mehr Todesfälle als Unterernährung. Dieses Versagen des globalen Ernährungssystems untergräbt letztlich die Fähigkeit von einzelnen Personen und Gemeinschaften, widerstandsfähig oder resilient zu sein im Hinblick auf Veränderungen in der Umwelt und im Sozialen. Hinzu kommt eine strukturelle Verschärfung sozial-ökologischer Ungleichheiten im globalen Ernährungssystem durch die Klimakrise, die Corona-Pandemie und die damit verbundene Störung der globalen Lieferketten sowie die Auswirkungen der fossilen Energieabhängigkeit. Diese Entwicklungen rücken die Bedeutung von Ernährungssouveränität noch stärker als bisher in den Fokus.
Ernährungssouveränität stellt gesunde und kulturell angemessene Lebensmittel, die mittels nachhaltiger Anbauweisen erzeugt werden, in den Vordergrund, sowie das Menschenrecht auf angemessene Nahrung und Ernährung – das bedeutet, dass Menschen ihre Nahrungssysteme und die Art und Weise, wie Nahrung produziert wird, mitgestalten. Ernährungssouveränität setzt an den strukturellen Ursachen von Hunger an und betont somit die demokratische Kontrolle der Produktion, Verteilung und des Konsums von Lebensmittel. Vor allem Frauen sind in vielen Gesellschaftssystemen weltweit nach wie vor beim Zugang zu Land, Märkten, Krediten, Bildung und Entscheidungsprozessen stark benachteiligt. Mittels intersektionaler Analyse erforschen wir, wie diskriminierende Gendernormen mit anderen sozialen Kategorien wie Alter, Bildung, Erwerbs(un)fähigkeit, Klasse, sexueller Identität oder Herkunft verwoben sind. Unter Anwendung eines polit-ökologischen Ansatzes untersuchen wir den Zusammenhang ökologischer und polit-ökonomischer Prozesse sowie sozio-kultureller Dynamiken und gesellschaftlicher Macht- und Herrschaftsverhältnisse auf lokaler bis globaler Ebene.
Exemplarische Publikationen
McMullin, S., Njogu, K., Wekesa, B., Gachuiri, A., Ngethe, E., Stadlmayr, B., Jamnadass, R. and Kehlenbeck, K., 2019. Developing fruit tree portfolios that link agriculture more effectively with nutrition and health: a new approach for providing year-round micronutrients to smallholder farmers Food Security, 11, 1355–1372
El Bilali, H., 2019. Research on agro-food sustainability transitions: where are food security and nutrition? Food Security, 11, 559–577