Geschichte des IVFL

1875 wurde mit der Auflassung der k.k. Forstakademie in Mariabrunn und der Errichtung der "forstlichen Sektion" der 1872 gegründete "Hochschule für Bodencultur" auch die Übernahme von Josef Schlesinger als o.ö. Professor der praktischen Geometrie an diese Hochschule genehmigt. Schlesinger stand der "Lehrmittelsammlung für Geodäsie und darstellende Geometrie" vor und hielt u.a. Vorlesungen über Feldmessen und Niedere und Höhere Geodäsie sowie Geodätische Praktika und Feldarbeiten. In späteren Jahren hielt sein ehemaliger Assistent Theodor Tapla, außerordentlicher Professor für darstellende Geometrie und forstliches Plan- und Terrainzeichnen, Vorlesungen über darstellende Geometrie, Konstruktionsübungen in darstellender Geometrie, Geodätische Praktika und Feldarbeiten, Forstliches Plan- und Terrainzeichnen sowie Übungen im Gebrauch geodätischer Apparate. Diese Lehrveranstaltungen wurden im wesentlichen für alle drei damals an der BOKU vertretenen Studien ("Landwirthschaft", "Forstwirthschaft", "Culturtechnik") angeboten. Durch die Vorlesung "Höhere Geodäsie" wurde den Culturtechnikern die Voraussetzung geschaffen, sich als "Zivilgeometer" autorisieren zu lassen. Ab dem Studienjahr 1892/93 hielt der k.k. Forstcommissär Ferdinand Wang, Honorar-Docent für Wildbachverbauungen und Photogrammetrie, eine Vorlesung für Photogrammetrie, zunächst einstündig und nur für das forstwirthschaftliche Studium. Die enge Verbindung von Wildbachverbauung und Photogrammetrie erklärt sich daraus, dass die damals ausschließlich terrestrisch betriebene Stereophotogrammetrie vor allem im schwer zugänglichen Hochgebirgsgelände interessante Anwendungen gefunden hat. Nach dem Tod Prof. Schlesingers 1901 wurde Theodor Tapla als o.ö. Professor für darstellende Geometrie und niedere Geodäsie berufen. Er übernahm im wesentlichen Schlesingers Lehrverpflichtungen, nur die Vorlesung "Höhere Geodäsie" wurde dem o.ö Prof. an der Universität Wien, Oberst des Ruhestandes Heinrich Hartl übertragen. Hartl war in den Jahren 1889 - 1896 der Leiter der österreich-ungarischen geodätischen Kommission für die Kataster- und Landesaufnahme Griechenlands gewesen, bei der schon teilweise das neue Verfahren der Photogrammetrie eingesetzt worden war. Auf Hartl folgte bereits 1903 der k.k. Inspektor im Triangulierungs- und Kalkulbureau des Finanzministeriums Ernst Engel als Honorardozent für höhere Geodäsie. Ab dem Studienjahr 1912/13 bestand auch eine Honorardozentur für Katasterwesen, die ebenfalls Engel übernahm. Hofrat Engel veranlasste dann später in seiner Eigenschaft als Leiter der geodätischen Gruppe des neu geschaffenen Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen die Einführung der konformen Projektion und die Neutriangulierung Österreichs. Es ist seither zur Tradition geworden, dass Präsidenten und leitende Mitarbeiter des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen die Vorlesung "Katasterwesen" an der BOKU halten.
Als Professor Tapla 1913 starb, wurden der schon seit der Jahrhundertwende als Assistent und als Konstrukteur an der Lehrkanzel tätige und 1910 zum ao. Professor ernannten Dr. Emil Hellebrand zum o.ö. Prof. für Mathematik und Elemente des Feldmessens berufen. In seine Zeit fällt eine wesentliche Modernisierung der Vermessungsinstrumente: Sie wurden durch neue Bauteile kleiner und handlicher. Damit verbunden wurden auch neue Aufnahmeverfahren entwickelt. Hellebrand beschäftigte sich v.a. mit den für forstliche und kulturtechnische Zwecke wichtigen Polygon- und Bussolenzügen. Seit 1920/21 hielt Priv. Dozent Dr. Hans Dock die Vorlesung für Photogrammetrie und Stereophotogrammetrie. Nachdem Hellebrand wegen seiner nationalsozialistischen Gesinnung 1934 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden war, übernahm wieder ein langjähriger Assistent, Dr. Franz Ackerl, außerordentlicher Prof. für Geodäsie, Honorardozent für Feldmessen, die Lehrkanzel. Gleichzeitig übertrug man Ackerl auch die Vorlesung "Höhere Geodäsie", welche aber schon ein paar Jahre später zwecks Entlastung der Studenten aufgelassen wurde. Damit nahm man aber gleichzeitig den Forstwirten und Kulturtechnikern wieder die Befugnis als Zivilingenieur für Vermessungswesen. Wissenschaftlich beschäftigte sich Ackerl in dieser Zeit v.a. mit Problemen des Schwerefeldes der Erde. Während des zweiten Weltkrieges war Ackerl zum Militärdienst eingezogen. Die Lehrkanzel führte nun den Namen "Institut für Erdvermessung und Luftbildmessung", die Vorlesungen und Übungen wurden kurzzeitig von Prof. Hellebrand und anschließend bis Kriegsende von Dr. Erwin Hopp, Lehrbeauftragter für Agrarische Operationen, abgehalten. Nach dem Krieg wurde die frühere "Lehrkanzel für Geodäsie" mit der "Honorardozentur für Photogrammetrie" zur "Lehrkanzel für Geodäsie und Photogrammetrie" vereinigt. Prof. Ackerl gelang es in der Folge rasch, die Modernisierung der v.a. für die Feldarbeiten notwendigen Geräte zu betreiben, sodass die praktische geodätisch-photogrammetrische Ausbildung der Studierenden an der Hochschule weiterhin mit dem nötigen Niveau durchgeführt werden konnte. Prof. Ackerl hat auch das "digitale Zeitalter" an der BOKU eröffnet. Ihm wurden die Vorarbeiten und die Planung für die Aufstellung einer Rechenanlage IBM 650 - einem Geschenk des damaligen Bundeskanzlers Leopold Figl an die Hochschule - übertragen. Bis 1967 leitete Ackerl dann auch dieses erste "Rechenzentrum", den Vorläufer des heutigen ZID. Erstmals wurde mit o.Prof. Dr. Gerhard Stolitzka als Nachfolger von Franz Ackerl im Jahr 1971 ein "gelernter Geodät" zum Leiter der Lehrkanzel bestellt. Im Zuge der Berufungsverhandlungen gelang es Stolitzka, einen neuen Modernisierungsschub v.a. auf dem Gebiet der Photogrammetrie zu initialisieren und auch auf dem Gebiet der Stereo-Photogrammetrie den Anschluss an den in der Praxis damals üblichen Stand der Technik zu finden. Zwei Entwicklungen waren seither für die am Institut vertretenen Fachgebiete kennzeichnend: einerseits der radikale Übergang zu digitalen Techniken der Kartierung, anderseits die zunehmende Bedeutung der Gewinnung thematischer statt rein geometrischer Information. Stolitzka hat dem in vorausschauender Weise Rechnung getragen, indem er die neu aufkeimenden Fachdisziplinen "Fernerkundung" und "Geoinformatik" am Institut etablierte. Schon 1974 veranlasste Stolitzka eine Änderung des Institutsnamens, womit das "Institut für Vermessungswesen und Fernerkundung" als erstes im deutschsprachigen Raum diese Bezeichnung führte. Schon seit dem Jahr 1975 wird eine eigene Vorlesung aus "Fernerkundung" abgehalten, seit 1990 unter dem Titel "Fernerkundung und Bilddatenverarbeitung" mit einem zugehörigen Praktikum. 1981 wurde das Institut in zwei Abteilungen gegliedert: in eine Abteilung für Vermessungswesen (Leiter: G. Stolitzka) und eine Abteilung für Fernerkundung (Leiter: W. Schneider). Diese Abteilungsgliederung bestand bis zum Jahr 1993, als sie gemäß den Bestimmungen des neuen Universitätsorganisationsgesetzes (UOG 93) aufgehoben wurde. Stolitzka betrieb auch die Gründung des 1990 de fakto und 1991 offiziell eingerichteten "BOKU-Zentrums für Geoinformationswesen (BZG)", das von H. Fuchs geleitet wurde. Das Institut wurde im Jahr 1995 in "Institut für Vermessungswesen, Fernerkundung und Geoinformationswesen" und im Jahr 1996 in "Institut für Vermessung, Fernerkundung und Landinformation" umbenannt. Das BZG wurde im Jahr 1999 dem Institut als "Arbeitsbereich Geoinformationswesen" eingegliedert.
Das erste Großprojekt des Instituts, das den Übergang von einer rein photogrammetrisch-geometrischen Luftbildauswertung hin zur thematischen Interpretation markiert, war die im Auftrag des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft durchgeführte "Photogrammetrische Weingartenerhebung 1980". Essentielle Kennzeichen dieses Projekts, das eine Vorbild- und Inspirationsfunktion für ähnliche großräumige Bestandeserfassungen ausübte, waren die großflächige Aufnahme von Farb-Infrarot-Luftbildern mit ihrem besonderen vegetationsökologischen Aussagewert sowie die technisch-organisatorische Lösung des Problems der parzellenscharfen Aufbereitung großer Datenmengen für den Liegenschaftskataster. Mit der Entwicklung einer Methodik für die "Bundesweite Waldzustandsinventur mit Methoden der Fernerkundung", ebenfalls im Auftrag des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, wurde ein weiterer bedeutender Schritt in Richtung thematische Datenerfassung mit Luftbildern getan.
Das erste große Bildverarbeitungsprojekt am IVFL war das FWF-Projekt "Rechnerunterstützte objektivierte Auswertung von Farb-Infrarot-Luftbildern zur Gewinnung von thematischen Flächendaten als Planungsgrundlagen, Entscheidungshilfen und Dokumentationsmaterial für Zwecke der Land- und Forstwirtschaft, der Raumplanung und des Umweltschutzes." Im Zuge dieses Projekts wurde eine Bildverarbeitungsanlage auf (damals) Minicomputerbasis angeschafft, auf der eine Reihe von Projekten durchgeführt wurde und insbesondere auch der Einstieg in die Satellitenbildauswertung erfolgte. Die Entwicklung des Geoinformationswesen wurde durch die Umstellung der traditionell grafisch-analogen Herstellung von Karten auf digitale Verfahren ausgelöst. Es hat sich auch hier ein Entwicklungsmuster gezeigt, das charakteristisch für technische Innovationsprozesse ist: Es ist nicht bei der bloßen Bearbeitung alter Aufgabenstellungen (nämlich der Herstellung von Karten, die dann von Experten "händisch" etwa für Planungen verwendet werden) mit neuen Methoden (nämlich digital) geblieben. In einer Art Paradigmenwechsel wurde vielmehr versucht, auch die Kartenverwendung, die Kartenanalyse zu automatisieren, d.h. als primäre Datenendprodukte gar keine Karten mehr herzustellen, sondern digitale Datensätze, die in "Geoinformationssystemen" mit anderen Daten verknüpft und quantitativ analysiert werden. Erst das Resultat wird dann, in weitgehend flexibler Form, "visualisiert". Diese Zielrichtung verfolgend, wurde der Schwerpunkt der Aktivitäten im Arbeitsbereich Geoinformatik des Instituts auf die Datenanalyse, räumliche Modellierung und Simulation von Umweltprozessen gelegt, die für die BOKU-Fachgebiete wichtig sind. Nach der Emeritierung von O.Univ.Prof. Stolitzka übernahm A.Univ.Prof. Werner Schneider im Jahr 1999 die Leitung des Instituts. Er wurde 2002 zum Professor für Landinformation und Vermessung berufen.