Aktuelles Forschungsprojekt des BOKU-Instituts für Entwicklungsforschung (IDR) aus dem Agrarbereich

Fördergeber: The 11th Hour Project, The Schmidt Family Foundation (September 2020 - Februar 2022; zweite Projektphase bewilligt ab April 2022 – November 2023)
Ansprechpartnerin: Prof. Dr. Stefanie Lemke (stefanie.lemke@boku.ac.at)
Projektpartner*innen: Assoc. Prof. Dr. Priscilla Claeys*, Centre for Agroecology, Water and Resilience, Coventry University, UK, Kenyan Peasants League (KPL), Kenia, Pastoral Women Council (PWC), Tansania, CNOP-G, Guinea, COFERSA, Mali.
* Priscilla Claeys und Stefanie Lemke sind gleichberechtigte Projektleiterinnen

Frauen sind in vielen Gesellschaftssystemen weltweit nach wie vor beim Zugang zu Land, Märkten, Krediten, Bildung und Entscheidungsprozessen stark benachteiligt. Dabei tragen sie wesentlich zur Nahrungsmittelproduktion bei – für die eigene Familie und für den Markt. Vielfach haben Frauen kein Mitspracherecht, was die Nutzung von Land betrifft. Die Stärkung der Rechte von Frauen ist deshalb eine wichtige Säule, um Ernährungssicherheit zu erreichen. Das Projekt Women’s Communal Land Rights hat genau dies zum Ziel – in enger Zusammenarbeit mit vier lokalen Bäuer*innen- und Pastoralist*innengruppen.

In Afrika werden über 70% der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Form kommunaler Landrechte, nach dem sogenannten Gewohnheitsrecht, verwaltet, das oft im Gegensatz zur nationalen Gesetzgebung steht. Diese kommunalen Landrechte werden von Vertreter*innen der Ernährungssouveränitätsbewegung als Schlüssel zum Schutz vor Privatisierung und Landraub betrachtet. Allerdings fehlen Untersuchungen darüber, wie diese Gewohnheitsrechte in der Praxis umgesetzt werden und wie marginalisierte Gruppen einbezogen werden können – vor allem Frauen und Jugendliche. Um diese Forschungslücke zu schließen, führen wir folgende Aktivitäten durch:

  1. Erhebungen zum Zugang zu Land und Entscheidungsstrukturen, Möglichkeiten bzw. Barrieren für Frauen und Jugendliche, auf Haushalts-/Gemeindeebene;
  2. Begleiten der Partnerorganisationen, a) in der Gendertransformation; b) bei der Durchführung von partizipativer Aktionsforschung; 
  3. Dialog auf Haushalts- und Gemeindeebene zum Zugang zu Land und Entscheidungsstrukturen;
  4. Unterstützen von Maßnahmen und Aktionen auf Politikebene zur Stärkung von Frauenrechten. 

Monatliche Koordinierungstreffen und Reflexion über Fortschritte und Herausforderungen ermöglichen einen offenen konstruktiven Austausch und gegenseitiges Lernen.

Vorläufige Ergebnisse zeigen:

  • Obwohl Frauenrechte in nationalen Gesetzgebungen verankert sind, wird dies oft nicht in die Praxis umgesetzt. Frauen und Jugendliche sind nach wie vor weitgehend von der Mitbestimmung in der kommunalen Landverwaltung ausgeschlossen.
  • Das Wissen über Landrechte ist insgesamt gering, sowohl bei Frauen als auch bei Männern.
  • Wenn Frauen Landtitel erhalten, wird dies als Privileg gesehen, nicht als ein fundamentales Recht.
  • Frauen berichten von sexueller und genderbasierter Gewalt, zum Beispiel wenn sie andere Vorstellungen zur Landnutzung haben. Es gibt gehäufte Fälle von Selbstmord, wenn Frauen nicht in der Lage sind, Kredite zurückzuzahlen.
  • Es gestaltet sich schwierig, weibliche Vorbilder zu finden, die in Gremien zur Landnutzung vertreten sind, da sich diese oft noch im Aufbau befinden.
  • Kulturelle Normen stellen nach wie vor eine Barriere dar, um eine Änderung der bestehenden Verhältnisse zu erreichen.

Erste Erfolge und positive Auswirkungen der partizipativen Aktionsforschung sind bereits sichtbar. Durch den Dialog und Austausch auf Gemeindeebene - der von allen Beteiligten sehr begrüßt wird - sind manche Männer jetzt eher bereit, ihre Frauen in Entscheidungen zu Land einzubeziehen, Männer machen sich teilweise auf Gemeindeebene für die Rechte von Frauen stark. Innerhalb der Partnerorganisationen wird die Bedeutung von Landrechten für Frauen wahrgenommen und die ausnahmslos weiblichen Projektleiterinnen erfahren mehr Anerkennung.

Soziale Strukturen und Sichtweisen beginnen also, sich zu verändern. Die Stärkung lokaler Gruppen, vor allem der Frauen und Jugend, trägt entscheidend zur Resilienz lokaler Ernährungssysteme und zur Ernährungssicherheit bei. Dies ist umso wichtiger angesichts der Klimakrise, der Gefahr weltweiter Pandemien und Kriegen.

 

Ausgewählte Publikationen:

Lemke, S., Claeys, P. 2020. “Absent Voices: Women and Youth in Communal Land Governance. Reflections on Methods and Process from Exploratory Research in West and East Africa”

Special Issue Women’s Communal Land Rights (Frontiers in Sustainable Food Systems, Editors: Claeys, P., Lemke, S., Camacho, J. 2021)

Video Governing natural resources for food sovereignty in Africahttps://tinyurl.com/y46p7xsv

 

Diese Projektvorstellung sowie weitere spannende Themen finden Sie in der aktuellen Ausgabe des CAS Newsletters

 


21.06.2022