Saulangweilig - Chronischer Langweile von Schweinen auf der Spur


Aktuelles Forschungsprojekt aus dem Bereich der BOKU-Nutztierwissenschaften

Das Wissen über das Gefühlsleben von Tieren hat in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen und mit ihm der Anspruch der Gesellschaft, Gefühle in der Tierwohldebatte zu berücksichtigen. Ein Gefühl, das immer wieder mit den oft kargen und monotonen Haltungsumwelten vieler landwirtschaftlich genutzter Tiere assoziiert wird, ist Langweile. Interessanterweise steht dieses so häufig geäußerte Bedenken im Widerspruch zum Mangel an Wissen über Langeweile im Tierreich. Im  FWF-finanzierten Projekt „Langeweile bei Tieren - Identifizierung von Symptomen und Konsequenzen“ wird daher der Frage nachgegangen, was Langeweile für Mastschweine bedeutet, sprich für Tiere, die in der Praxis Großteils unter kargen und monotonen Bedingungen gehalten werden – Bedingungen, die beim Menschen zu Langeweile führen. Dabei geht es nicht um kurzfristige, sondern um chronische Langeweile, die beim Menschen mit Depression, Suchtverhalten und Selbstmord einhergehen kann. Doch wie findet man heraus, ob Schweine in kargen und monotonen Bedingungen unter Langweile leiden?

Das Projektteam hat dazu in einem Versuch  in zwei Durchgängen mit jeweils 64 Schweinen die Hälfte der Tiere in kargen Buchten mit Teilspaltenboden und die andere Hälfte als Kontrollgruppen in angereicherten Buchten mit verschiedenen Liege- und Wühlsubstraten und sich änderndem Beschäftigungsmaterial gehalten. Da aus der Humanpsychologie bekannt ist, dass bestimmte Persönlichkeits-Typen eher dazu neigen unter Langeweile zu leiden als andere, wurde zu Beginn des Versuchs mit den Ferkeln ein Persönlichkeitstest durchgeführt, um den potentiellen Einfluss der Persönlichkeit auf Langeweile-Symptome zu untersuchen. Nach zwei Dritteln des ca. fünf Monate dauernden Versuchszeitraums (Absetzen bis Schlachtung) wurden die Haltungsbedingungen für die Hälfte der Gruppen getauscht, um herauszufinden, ob Langeweile reversibel ist (Wechsel von karg zu angereichert) und ob sich der Wechsel von angereichert zu karg stärker auf die Tiere auswirkt als konstant karge Bedingungen. 

Um die Auswirkung der Haltungsumwelten auf die Gefühle der Tiere zu beleuchten, wurden verschiedene, aus der Humanpsychologie bekannte Charakteristika chronischer Langeweile untersucht. Zum Beispiel ist bekannt, dass die Zeit langsamer vergeht, wenn man Langeweile verspürt.  Um herauszufinden, ob dies auch bei Schweinen der Fall ist, wurden die Tiere aus beiden Haltungsumwelten in einer Arena trainiert, bei einem langen Ton nach rechts und bei einem kurzen Ton nach links zu gehen. Das jeweils richtige Verhalten wurde belohnt. Haben die Tiere – nach vielen Wochen des Trainings – die Regeln befolgt, wurde ein Ton mittlerer Länge abgespielt um zu untersuchen wie das Schwein diese Tonlänge interpretiert. Geht es nach rechts, weil es den Ton als lang interpretiert, oder nach links, weil es findet, dass dieser mittellange Ton eher dem kurzen Ton ähnelt? Die Annahme war hierbei, dass Schweinen aus der kargen Umwelt der mittlere Ton eher lang vorkommt, während Tiere aus der angereicherten Haltung denselben Ton als eher kurz interpretieren. Während die Ergebnisse nicht ganz eindeutig sind, deutet die vorläufige Auswertung aber darauf hin, dass die Zeit für Schweine, die einen Wechsel von angereichert zu karg erlebt haben, langsamer verging als für Schweine, die von einer kargen in eine angereicherte Bucht umgezogen sind.

Natürlich ist die veränderte Zeitwahrnehmung nur ein Merkmal chronischer Langweile, weshalb im Versuch noch weitere Aspekte untersucht wurden. Sind die Schweine aus der kargen Umwelt negativer gestimmt als ihre Artgenoss*innen aus den angereicherten Buchten? Welchen Einfluss haben die unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmale? Wie kann zwischen Langeweile und anderen negativen Zuständen wie Depression oder Apathie unterschieden werden? Momentan erfolgt die Auswertung der umfangreichen Daten. In seinen Endergebnissen soll das nach aktuellem Wissensstand erste Projekt zu diesem Thema zum besseren Verständnis des potentiell prävalenten, aber bisher wenig beachteten Tierwohlproblems der chronischen Langweile bei Schweinen beitragen.  

Ansprechpartnerin: Sara Hintze
sara.hintze(at)boku.ac.at


23.07.2024