Eine ethnopedologische Betrachtung von Bodenkultur im Burgenland

Projektinfos im Überblick [hier...] Die globale Debatte über den Umgang mit den natürlichen Ressourcen – wie Böden, Wasser und Luft – sind längst zu Kernthemen im wissenschaftlichen Diskurs über Klima- und Umweltschutz geworden. Einen spezifischen Zugang zu dieser globalen Debatte, stellt die Auseinandersetzung mit lokalen und akteursbezogenen Wissenssystemen und Wissensformen dar. Wie zahlreiche Studien zeigen, haben lokale Akteure einen anderen, meist praxisorientierteren und vor allem kulturell geprägten Blick auf die Aspekte ihrer unmittelbaren Umwelt. Ihr Zugang und ihre unterschiedlichen Blicke werden dabei stark von persönlichen Bedürfnissen sowie sozio-kulturellen Prozessen innerhalb der eigenen Kultur gesteuert. Im sozialen und kulturellen Alltag erfüllen Böden eine Vielzahl von Aufgaben: als Nutzfläche sind sie elementarer Bestandteil der Kulturlandschaft und als solche maßgeblich an der Etablierung regionaler Identitäten beteiligt, als Anbauflächen und Pflanzenstandorte bilden sie die Grundlage einer vielfältigen Biodiversität, als kultureller Bestandteil einer Gesellschaft können Böden in enger Beziehung zu religiösen Praktiken, Mythen oder Sagen stehen und somit tief in unterschiedlichen Glaubensvorstellungen und in einem gesellschaftlichen Wertesystem verankert sein – um nur einige Beispiele zu nennen. Unser Projekt nähert sich der Interaktion zwischen Menschen und natürlichen Ressourcen innerhalb der österreichischen Landwirtschaft über den Aspekt der Bodenkultur. Als Forschungsregion wurde ein Bundesland, das Burgenland, gewählt. Über die Projektlaufzeit von 36 Monaten, versuchen wir mittels ethnologischen und ethnobiologischen Forschungsmethoden, die kulturellen und lokalen Bedeutungsdimensionen von Böden innerhalb dieser Region zu erfassen. Was ist eigentlich Ethnopedologie? Die Auseinandersetzung mit lokalem bodenbezogenen Wissen wird der Ethnopedologie zugesprochen, die als Wissenschaft des lokalen Wissens über Boden, einen Teilbereich der Ethnobiologie darstellt. Somit begrenzt die Ethnopedologie das weite Feld der Ethnobiologie auf die Aspekte des Bodens. Sie positioniert sich damit zwischen den Schnittpunkten von Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften. Unter diesem Ansatz versteht sich Ethnopedologie insbesondere als die Auseinandersetzung mit Wissen, Vorstellungen und Verhalten von Menschen in Zusammenhang mit pedologischen Phänomenen (z. B. Wertvorstellungen, Rituale, Bräuche, Bearbeitungstechniken oder dem Wissen über Beschaffenheit, Gründigkeit, Textur von Böden). Wozu dieses Forschungsvorhaben? Die globale Verschlechterung von Böden ist ein gesellschaftlich wenig wahrgenommenes Problemfeld, das in seinen Ausmaßen jenem des Klimawandels gleichkommt. Böden sind neben den Ozeanen und der Atmosphäre einer der wichtigsten Speicherorte für Kohlenstoff und stehen in direkter Verbindung zu diesen. Bodenerosion, die Verbrennung von Biomasse und eine sinkende Bodenfruchtbarkeit führen zur Freisetzung von Kohlenstoff (z.B. in Form von CO2), was einen Anstieg des Kohlenstoffgehalts in der Atmosphäre zur Folge hat und zu klimatischen Veränderungen führen kann. Der Weg zu einem nachhaltigen Umgang mit Boden führt über die Schaffung eines gesellschaftlichen Bewusstseins. Die Chance der Ethnopedologie liegt dabei in der Interdisziplinarität mit ihren Möglichkeiten, diesen Bereich aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Blickwinkeln zu beleuchten. Unsere Forschungsziele orientieren sich an der Frage des praktischen Nutzens unserer Forschung. Debatten über Flächenversiegelung, Flussregulierungsmaßnahmen oder Straßenbauprojekte werden meist über planerisch-technische Zugänge geführt, die sich zwar mit dem Schutz von Landschaften und natürlichen Refugien beschäftigen, jedoch die kulturellen Dimensionen von Böden nicht berücksichtigen. Wir gehen davon aus, dass durch die Versiegelung bzw. die kurzhaltige Nutzung von Böden nicht nur eine natürliche Ressource verloren geht sondern auch kulturelles Wissen, Beziehungen und Identitäten. In diesem Sinne verfolgen wir mit unseren Forschungszielen auch eine Dekonstruktion der aktuellen Debatten um Bodenschutz. Über den Grundlagendiskurs soll geklärt werden, in wie weit unsere Forschung praktische Effekte für die Erweiterung dieser Debatte hat. Insgesamt beabsichtigt unsere Studie den Diskurs über nachhaltige Strategien zur Bodennutzung anzuregen und einen Beitrag zum besseren Verständnis der Bauern und Bäuerinnen und ihrem Verhältnis zu Boden zu liefern. 

Projekt Team

Projektleitung Christian Vogl – Professor für Ökologischen Landbau und Leiter der Arbeitsgruppe Wissenssysteme und Innovation des Departments für Nachhaltige Agrarsysteme an der Universität für Bodenkultur in Wien. Co-Projektleitung Helmut Eberhart – Professor am Institut für Volkskunde und Kulturanthropologie der Karl-Franzens-Universität Graz. Projektmitarbeiter Sebastian Wahlhütter – Promotion im Bereich bodenbezogener Wissenssysteme am Institut für Volkskunde und Kulturanthropologie an der Karl-Franzens-Universität Graz.

Downloads

Lokales Wissen über Boden zwischen Praxis und Theorie / Dissertation / Sebastian Wahlhütter [download] Poster zum Projekt [download]