Forschungsprojekt der BOKU entwickelt neue Lösungen zur Begrünung von Glasfassaden

Der steigende Energieverbrauch durch überhitzte Gebäude, insbesondere mit großflächigen Glasfassaden, stellt Städte zunehmend vor klimatische, ökologische und wirtschaftliche Herausforderungen. Ein Forschungsteam um Rosemarie Stangl vom Institut für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau der BOKU University hat im Rahmen des Projekts GLASGrün gemeinsam mit Partner*innen innovative, vertikale Begrünungssysteme zur Vorverschattung von Glasfassaden entwickelt und erfolgreich getestet.

Mehr thermischer Komfort durch Pflanzen

Im Fokus von GLASGrün steht die Entwicklung nachrüstbarer Begrünungssysteme für erd- bis eingeschossige Glasfassaden, wie sie typischerweise bei Büro- und Gewerbebauten zu finden sind. Durch standortangepasste Kletterpflanzen sowie eigens konzipierte Kletter- und Rankhilfen sollen Glasflächen im Sommer (Juni bis September) effektiv verschattet werden mit dem Ziel, die Oberflächentemperaturen zu senken, das Raumklima zu verbessern und den Kühlbedarf spürbar zu reduzieren. 

„Pflanzen sind wahre Alleskönner, wenn es um die Anpassung an den Klimawandel geht. Sie verbessern nicht nur das Mikroklima und die Luftqualität, sondern tragen aktiv zur Energieeffizienz von Gebäuden bei“, erklärt Projektleiterin Rosemarie Stangl.

Erprobung an Demonstrationsobjekten in Wien und Tirol

Anhand zweier realisierter Demonstrationsobjekte – dem MPREIS Bistro Söll in Tirol (in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Rataplan Architektur Zt GmbH) und dem Büroobjekt TB Obkircher in Wien (in Zusammenarbeit mit lichtblauwagner Architekten) – wurde das Projekt getestet. Dabei zeigten sich eindrucksvolle Ergebnisse: „Schon im dritten Standjahr lag die pflanzliche Deckung bei über 90 %, die solare Einstrahlung auf die Glasflächen konnte im Sommer somit um mehr als 90 % reduziert werden. Ergänzende Messungen belegen auch eine Erhöhung der Luftfeuchtigkeit um rund 10 % – ein entscheidender Beitrag zur Verbesserung der thermischen Behaglichkeit“, so Stangl.

Grünverschattungsfaktor

Erstmalig konnte aus den erhobenen Daten ein sogenannter Grünverschattungsfaktor (Fbs) abgeleitet werden. Dieser macht den Verschattungseffekt durch Pflanzen quantifizierbar und vergleichbar mit konventionellen, technischen Sonnenschutzsystemen. Damit schafft GLASGrün die Basis, um Bauwerksbegrünung künftig in energetischen Gebäudeausweisen und Planungsrichtlinien zu berücksichtigen.

BOKU-Forschung mit Weitblick

GLASGrün ist eingebettet in eine umfassende Forschungsinitiative des BOKU-Institutes für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau, die sich der Messbarmachung von Begrünungseffekten widmet. In den Projekten HEDWIG und MARGRET werden unter anderem bestehende Vertikalbegrünungen sowie Dachbegrünungen analysiert und unter dem Lead von IBO in standardisierten Prüfboxen die Wirkungen junger Grünsysteme auf das Raumklima und die Gebäudehülle untersucht. Dabei entsteht eine fundierte Datengrundlage, um Begrünung künftig systematisch in Planungs-, Bau- und Energieprozesse zu integrieren.
Mehr Informationen zu HEDWIG: https://boku.ac.at/lawi/iblb/news-archiv/projektstart-hedwig und MARGRET: https://www.aee-intec.at/project/margret-messtechnische-erfassung-begruenter-nicht-begruenter-objekte-zur-adaptierung-von-berechnungsmodellen/

Fazit: Grüne Infrastruktur als Schlüssel zur klimagerechten Stadt

Das BOKU-Forschungsprojekt zeigt eindrucksvoll: „Bauwerksbegrünung ist nicht nur eine ästhetische Spielerei, sondern ein entscheidendes Element für zukunftsfähige Architektur. Mit messbaren Effekten auf die solare Einstrahlung, Luftfeuchtigkeit und Innenraumsituation ist vertikales Grün ein wirksames Mittel gegen urbane Überhitzung – und ein aktiver Beitrag zu mehr Lebensqualität in unseren Städten“, so Rosemarie Stangl abschließend. Die Kennwerte von GLASGrün werden aktuell in einem Leitfaden zusammengefasst.

Projektpartner
Institut für soziale Ökologie, BOKU University
Institut für Bauen und Ökologie GmbH (IBO)
GRÜNSTATTGRAU Forschungs- und Innovations GmbH (GsG)
RATAPLAN-ARCHITEKTUR ZT GMBH 
lichtblauwagner architekten generalplaner ztgmbh
MPREIS Warenvertriebs GmbH  
TB Obkircher OG

Das Projekt GLASGrün wurde gefördert vom Bundesministerium der Republik Österreich für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) sowie der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) im Programm „Stadt der Zukunft“.

GLASGrün Projektinformationen

Projektkoordinator 

Univ.Prof. DI Dr. Rosemarie Stangl
DI Anna Briefer 
Maximilian Poiss B.Sc.
BOKU University 
Institut für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau
rosemarie.stangl(at)boku.ac.at

SCI Paper
Vertical greenery as natural shading of glass facades: Bioshading coefficients for 4 climbing plant species for assessment of shading performance
Poiss, M., Briefer, A., Scharf, B., Spörl, P., & Stangl, R. (2025). Vertical Greenery as Natural Shading of Glass Facades: Bioshading Coefficients for 4 Climbing Plant Species for Assessment of Shading Performance. Building and Environment, 113399. https://doi.org/10.1016/j.buildenv.2025.113399

 

 


 Auf einen Blick

Studie der BOKU Wien zu Begrünungssystemen

  • Das Forschungsprojekt GLASGrün entwickelte innovative Begrünungssysteme zur Verschattung von Glasfassaden. Mithilfe standortangepasster Kletterpflanzen und maßgeschneiderter Kletterhilfen lassen sich Gebäudetemperaturen im Sommer deutlich senken – für mehr thermischen Komfort im Innen- und im Außenraum.

Zentrale Ergebnisse

  • Über 90 % Verschattungswirkung an realisierten Testgebäuden in Wien und Tirol
  • Reduzierte Oberflächentemperaturen, verbesserte Luftfeuchtigkeit (+10 %)
  • Erstmals messbarer Grünverschattungsfaktor (Fbs) im Jahresverlauf als neue Planungsgrundlage
  • Vertikale Begrünung ist somit ein wirksames Mittel gegen urbane Überhitzung – ökologisch, ökonomisch und architektonisch zukunftsweisend.

Pflanzenpower gegen Hitze

Vier Kletterpflanzen im Einsatz für grüne Glasfassaden