30.11.2009
Klimawandel und Gebirgsnaturgefahren (30.11.2009)
Führende Experten warnen vor den Auswirkungen des Klimawandels auf Gefahren in Gebirgsregionen und unterstreichen die Notwendigkeit von zusätzlichen Maßnahmen zur Meisterung dieser Herausforderungen Hinweise auf rasch ablaufende Umweltveränderungen im Hochgebirge erhärten sich zusehends. Weltweit befinden sich die meisten Gebirgsgletscher im Rückzug, der Zerfall des Permafrosts schreitet voran, und ehemals durch Eis stabilisierte Bergflanken rutschen ab. Der Ausbruch von Seen im Vorfeld sich zurückziehender Gletscher hat zerstörerische Flutwellen talabwärts zur Folge. Im Vorfeld der diesjährigen Klimakonferenz in Kopenhagen fand an der BOKU Universität in Wien vom 10. bis zum 13. November ein Treffen von mehr als 70 der weltweit führenden Wissenschaftern auf dem Gebiet der Gebirgsnaturgefahren statt. Inhalt war die Diskussion von Gefahren, mit denen sich Millionen von Menschen in Gebirgsregionen auseinandersetzen müssen. Ein Thema waren auch mögliche Auswirkungen von Katastrophen auf die Infrastruktur (Eisenbahn, Strassen, Energieversorgung, Stauseen). Die rapide Klimaerwärmung des vergangenen Jahrhunderts setzt sich unvermindert fort und wird in Zukunft noch schneller ablaufen. Dadurch muß sich die Bevölkerung und Verwaltung in Gebirgsregionen mit Situationen auseinandersetzen, für welche es keine historischen Erfahrungen gibt. Bisher gefrorene Bergflanken tauen, gleiten in der Folge ab und gefährden die Bevölkerung und deren Infrastruktur. Die Reduktion der Schneedeckenhöhe und Schneedauer führt zu verändertem Abfluß in Flüssen, Problemen bei der Füllung von Staubecken und zur Veränderung aquatischer Ökosysteme. Neue, eher kurzlebige Seen entstehen an der Front sich zurückziehender Gletscher. Der plötzliche Ausbruch solcher Seen stellt nicht nur eine wesentliche Bedrohung für die lokale Bevölkerung, sondern auch für Siedlungen mehrere Dutzende Kilometer flußabwärts dar. Vergletscherte aktive Vulkane sind Quelle riesiger zerstörerischer Schlammströme. Durch Katastrophen haben in der Vergangenheit wiederholt zehntausende Menschen ihr Leben verloren. Ein Rückzug der Gletscher führt möglicherweise zu einer Verringerung dieser Gefahr einerseits, andererseits aber auch zum Auftreten anders gearteter Gefahren. Wissenschaftler aus aller Welt haben sich in jüngster Vergangenheit mit möglichen Szenarien von Umweltveränderungen in Gebirgsregionen befasst. Die Verwundbarkeit der Gebirgsbevölkerung durch die Umweltveränderungen stand dabei im Zentrum der Diskussion, da der größte Teil der gefährdeten Bevölkerung in Asien und Südamerika lebt – in Regionen, wo die Ressourcen zur Bewältigung der Gefahren gering sind. Allerdings nimmt das Risiko auch in reichen Ländern wie Österreich, der Schweiz, den USA oder Kanada zu, da mehr und mehr Täler stärker bevölkert und wirtschaftlich erschlossen werden. Eine Schlussfolgerung des Treffens in Wien war, dass die meisten Naturkatastrophen in Gebirgsregionen die Folge einer Verkettung von Ereignissen darstellen. So kann zum Beispiel ein Hang in einen Gletschersee rutschen, wodurch letzterer ausbrechen und talabwärts eine Flutwelle verursachen kann. Umfassende Ansätze sind nötig, um derartige Konstellationen zu verstehen und angemessene Maßnahmen einleiten zu können. Letztere erfordern neue Technologien, technisch durchführbare als auch kulturell angepaßte Ansätze sowie die Anpassungsfähigkeit der betroffenen Bevölkerung. Der fortschreitende sozioökonomische Wandel und vielerorts vorhandene Sicherheitsprobleme stellen jedoch eine große Herausforderung für die Anpassungsfähigkeit der Gebirgsbevölkerung an den Klimawandel und veränderte Gefahren dar. Neue umfassende Datenquellen und neue Technologien vermitteln einen Einblick in die raschen Veränderungen, die zurzeit in Gebirgsregionen ablaufen. Ebenso sind Informationen über Art und Ausmaß von durch Naturkatastrophen verursachte Schäden verfügbar. Eine weitere Schlussfolgerung des Treffens in Wien war die Feststellung der Notwendigkeit von gut koordinierten und aufeinander abgestimmten Maßnahmen zur Verbesserung des Wissensstandes über Naturgefahren in Gebirgsregionen, vor allem aber zur Anwendung der besten verfügbaren Strategien und Technologien zur Reduzierung menschlichen Leids als Folge von Naturgefahren und veränderten Umweltbedingungen im Hochgebirge. Das nächste Treffen der Spezialisten ist in einem Jahr in Tadschikistan geplant. Weitere Informationen: http://www.baunat.boku.ac.at/workshop09.html,
siehe auch unser IAG-BOKU-Projekt: http://www.baunat.boku.ac.at/15600.html
GapHaz Homepage: http://www.geo.uio.no/remotesensing/gaphaz/home.html Kontakt / Rückfragen:
Prof. DI Dr. Jean-Friedrich Schneider
BOKU Wien - Angewandte Geologie
Tel.: 47654 5401
jean.schneider(at)boku.ac.at