Kein Sex - kein Mord (23.10.2013)

BOKU-Forscher beschreiben sexuell selektierten Infantizid bei Braunbären im Fachjournal „Biology Letters“. Wildtiere leben ständig mit dem Risiko getötet und gefressen zu werden und entwickeln dementsprechende Verhaltensstrategien - zum Beispiel das räumliche und zeitliche Vermeiden von Feinden. Allerdings sind solche Strategien der Feindvermeidung ihrerseits wiederum mit gewissen „Kosten“, zum Beispiel verringerter Zugang zu Nahrungsressourcen, verbunden. Ein Wildtier versucht daher den optimalen Balancegang zwischen bestmöglichen Zugang zu Nahrungsressourcen und Feindvermeidung zu finden. Die gleiche Verhaltenssituation spiegelt sich auch in den Fortpflanzungsstrategien von weiblichen und männlichen Tieren wieder, vor allem bei Arten mit „sexuell selektiertem Infantizid“, also Kindesmord zu Fortpflanzungszwecken. Männliche Braunbären versuchen in der Paarungszeit die (nicht-verwandten) Jungen von weiblichen Tieren zu töten um sich danach mit der Mutter zu paaren. Braunbärenmütter versuchen natürlich diesen Kindesmord zu vermeiden, und umgehen alte männliche Bären in Zeit und Raum. Allerdings werden durch dieses Verhalten Muttertiere und ihre Jungen von den besten Nahrungsressourcen abgeschnitten, weil genau dort sich die männlichen Bären bevorzugt aufhalten. Muttertiere müssen daher im Frühling und Frühsommer (= Paarungszeit) trotz der hohen Kosten der Jungenaufzucht mit schlechteren Nahrungsressourcen auskommen. Nach der Paarungszeit, im Sommer und Herbst, verschwindet die Gefahr durch die männlichen Bären („kein Sex, kein Mordinstinkt“), woraufhin Muttertiere ihre Verhaltensstrategie sofort umlegen und die gleichen Nahrungsressourcen wie die männlichen Bären nutzen. Diese Ergebnisse stammen von einer Forschungskooperation von Mitarbeitern (A. Zedrosser, S. Steyaert, C. Reusch, K. Hackländer) des Institutes für Wildbiologie und Jagdwirtschaft an der BOKU Wien mit dem Scandinavian Brown Bear Research Projects (www.bearproject.info), und wurde durch das FWF Projekt P-20182 möglich gemacht. Eine populärwissenschaftliche Zusammenfassung des Originalartikels in Biology Letters ist hier zu finden: http://sciencenordic.com/solving-mystery-bear-cub-killings Fotos zu dieser Presseaussendung sind auf Anfrage erhältlich: kriz@boku.ac.at Literatur/ Originalartikel
Steyaert, S.M.J.G., Reusch, C., Brunberg, S., Swenson, J.E., Hackländer, K., and Zedrosser, A. 2013. Infanticide as a male reproductive strategy has a nutritive risk effect in brown bears. Biology Letters 9. no. 5, 20130624 Kontakt / Rückfragen:
Andreas Zedrosser: andreas.zedrosser@boku.ac.at