SEC Lecture: Der Wald in der Nettonull-Debatte


SEC Lecture: Der Wald in der Nettonull-Debatte

mit Dr. Sabine Fuss (MCC-Berlin)

18:00 ‐ 19:30

  • Vortragsreihe

Ohne den Erhalt und die Wiederherstellung von Ökosystemen und insbesondere unserer Wälder sind die Pariser Klimaziele und viele andere Nachhaltigkeitsziele wie z.B. der Schutz der Artenvielfalt und die Einbeziehung indigener Gemeinschaften nicht möglich. Die Umsetzung ist im Klimaschutzkontext jedoch Gegenstand kritischer Diskussionen: Wie kann der Wald eine Rolle spielen, um die Kohlendioxidemissionen auf Nettonull zu senken? Was sind Vor- und Nachteile, Fragen von Gerechtigkeit und wie können Lösungsoptionen aussehen? Dieser Vortrag stützt sich auf eine breite vom IPCC (2022) begutachtete Literatur und zeigt auch neue Forschung zum für eine Diskussion dieser Fragen.

Der Erhalt unserer Ökosysteme und insbesondere unserer Wälder hat viele Vorteile, vom Schutz der Artenvielfalt über die Erhaltung indigener und lokaler Gemeinschaften bis hin zum Schutz des Klimas and Anpassung an dessen Wandel (IPCC 2022a). Um die ehrgeizigen Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen, müssen die Kohlenstoffdioxidemissionen (CO2) bis etwa Mitte des Jahrhunderts auf Nettonull reduziert werden (IPCC 2022b).
Dies wird ohne Waldschutz – und weitergehend auch Wiederherstellung von Wäldern und anderen Ökosystemen zur gesteigerten Aufnahme von CO2 – kaum machbar sein. Viele Länder setzen für die Erreichung ihrer Nettonull-Ziele daher auf den Wald als CO2-Senke. Dabei sind Fragen der Permanenz, Reversibilität angesichts fortschreitenden Klimawandels, und vor allem der Umsetzung nicht außer Acht zu lassen (Fuss et al. 2022, Kraus et al. 2021, Dockendorff et al. 2022, IPCC 2022b). Denn große Potentiale sind außerhalb der Grenzen Europas, vor allem in den Tropen, verortet, wo weder Erhalt noch Zuwachs bei den Wäldern sondern fortschreitende Entwaldung verzeichnet werden muss (Martin et al. 2022).
Die großen Klimaschutzpotentiale hier trotzdem zu heben ist Gegenstand einiger Diskussion um den möglichen Transfer von Emissionseinsparungen (ETs). Auf der einen Seite zeigen Studien, dass der Schutz der Tropenwälder die Kurve der Kosten des Übergangs zu Klimastabilität „abflachen“ kann, wobei viele Billionen Dollar an Kosteneinsparungen möglich sind - die Investition von US$1 in den Waldschutz erzielt etwa US$5,40 an Einsparungen bei den Klimaschutzkosten (Fuss et al. 2021). Werden andere naturnahe Klimalösungen (NCS) wie z.B. der Erhalt oder die Wiederherstellung anderer Ökosysteme (Griscom et al. 2018) hinzugezogen, kann man von noch größeren Potentialen und Kosteneinsparungen ausgehen. Auf der anderen Seite stehen ETs aufgrund einiger Risiken in der Kritik. Risiken von ETs aufgrund der möglichen Verzögerung von Emissionsreduktionen und der mangelhaften Integrität von Gutschriften können das Potential von NCS beeinträchtigen, wenn sie nicht berücksichtigt werden. Zu den spezifischen Risiken gehören „Leakage“, nicht dauerhafte Emissionsreduktionen, fehlende Zusätzlichkeit, hohe Transaktionskosten, lückenhafte Überwachung und Überprüfung (MRV) sowie schwache Governance (Schulte et al. 2021). Die Literatur identifiziert hierzu eine Reihe von Lösungen, die auf verschiedene Risiken von ETs abzielen. Dazu gehören bestimmte Aspekte der Projekt- und Vertragsgestaltung, Risikomanagement und Bilanzierung, Transparenz und Partizipation sowie die strukturellen und systemischen Rahmenbedingungen rund um ETs (in Vorbereitung). Vorläufige Szenarien zeigen, dass NCS in einem globalen Markt das Potenzial haben, den Abstand zum 1,5°C-Ziel deutlich zu verringern, indem Kosteneinsparungen aus Zwischenzielen reinvestiert werden. Beispielsweise ermöglicht die Reinvestition von Kosteneinsparungen aus dem globalen Handel einschließlich NCS zur Erreichung eines 2°C-Ziels (im Vergleich zu den Kosten für die ausschließlich inländische Nutzung) eine zusätzliche Verringerung von mehr als der Hälfte der Lücke zwischen dem 2°- und dem 1,5°-Pfad ohne zusätzliche Kosten auf globaler Ebene (in Vorbereitung). Vergleiche der Finanzierungsvolumina und Flüsse nach Regionen ermöglichen die Diskussion komplexer Gerechtigkeitsfragen, die der Verteilung der globalen Minderungsambition und der damit verbundenen Kostenlasten zugrunde liegen (siehe auch Yuwono et al. 2023).
Vorläufige Modellierung globalen Handels zeigt eine verbesserte Finanzierung von NCSAktivitäten in Regionen mit bedeutenden Gebieten global wichtiger Ökosysteme auf – insbesondere in Lateinamerika, Subsahara-Afrika und Südostasien (in Vorbereitung). Eine erweiterte Finanzierung für NCS könnte sich positiv auf diese Regionen auswirken, sowohl durch direkte Mittelübertragungen als auch durch andere Vorteile von NCS-Aktivitäten, einschließlich des Schutzes und der Unterstützung wichtiger Ökosystemleistungen.
 

Es besteht die Möglichkeit, auch via Zoom an der Veranstaltung teilnzunehmen: 
ZOOM: bokuvienna.zoom.us/j/94542630233  

Foto von Dr. Sabine Fuss

Dr. Sabine Fuss

Veranstaltungsort
Schottenfeldgasse 29/3, Seminarraum 3a
Veranstalter
Institut für Soziale Ökologie
Kontakt
gerda.hoschek(at)boku.ac.at
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Anmeldung erforderlich an
gerda.hoschek(at)boku.ac.at
Sprache: Deutsch
Öffentlich: Ja
Kostenpflichtig: Nein