Alpine Gletschersysteme reagieren sehr rasch auf Klimaänderungen und hinterlassen geomorphologische Spuren wie beispielsweise Gletscherschliffe und Moränensequenzen. Einzelne Wallmoränen in verschiedenen Höhenlagen unterhalb des heutigen Eisrandes markieren ehemals stabile Gletscherausdehnungen und sind ein Hinweis für vergangene, kühlere oder feuchtere Klimaperioden. Eine genaue Kartierung dieser glazialen Landschaftselemente ermöglicht es zunächst Paläogletscherstände räumlich einzuordnen. Unter Anwendung von Expositionsdatierung mittels des kosmogenen Nuklids 10Be kann in einem nächsten Schritt der Ablagerungszeitpunkt der Moränen bestimmt und damit auch die zeitliche Dimension erfasst werden. Eine geomorphologische Betrachtung ausgewählter Gebiete der Silvrettagruppe kombiniert mit einer umfassenden Geochronologie sollen Aufschluss über unterschiedliche Gletscheränderungen während des Holozäns, also während der letzten 11.700 Jahre geben. Die daraus abgeleiteten Ergebnisse werden einerseits in ein Gletschermodell eingearbeitet, sodass der gängige Kalibrierungszeitraum, welcher zumeist auf der instrumentellen Zeitebene basiert, um die geologische Zeitskala erweitert wird. Andererseits sollen durch das Modell Gletscherfluktuationen in der Vergangenheit auch in einen paleoklimatologischen Kontext gebracht werden. Welche Umweltbedingungen waren im betrachteten Gebiet Voraussetzung für kartierte und datierte, holozäne Eisausdehnungen? Gelingt es, Paläogletscherstände robust zu modellieren, können auch zukünftige Gletscheränderungen einhergehend mit prognostizierten Klimaszenarien simuliert werden und darauf aufbauend die Auswirkungen auf den alpinen Raum abgeschätzt werden. Das Forschungsprojekt wird am Institut für Angewandte Geologie der BOKU durchgeführt. Internationale und nationale Projektpartner sind das Lamont-Doherty Earth Observatory (NY, USA), die University of Utah (UT, USA) sowie die Geologische Bundesanstalt Österreich (AUT). Die im Forschungsprojekt tätige Doktorandin Sandra Braumann ist Empfängerin des DOC-Stipendiums der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und nimmt am BOKU-Doktoratskolleg ‚Transition to Sustainability‘ (T2S) teil. Die Inatura Erlebnis Naturschau GmbH in Dornbirn fördert die Forschungsarbeiten in der Silvretta in Koordination mit dem Amt der Vorarlberger Landesregierung, AbT. IVe.