Im Februar 2014 fand die zweiwöchige Interdisziplinäre Exkursion zur Ökologischen Landwirtschaft in KUBA statt. 18 Studierende der BOKU, Dipl.-Ing. Friedrich Leitgeb und Ao.Univ.Prof.Dr. Christian R. Vogl vom Institut für Ökologische Landwirtschaft, Arbeitsgruppe Wissenssysteme und Innovationen, erkundeten dort die ökologische und urbane Landwirtschaft. Sie besuchten Bauernhöfe und Produktionseinheiten verschiedener Betriebsformen und -größen sowie landwirtschaftliche Institutionen.
Aus den im Rahmen der Exkursion gesammelten und produziertne Materialien gestalten Studierende einen Bericht, einen Video- sowie Radiobeitrag und eine Fotoausstellung. Siehe auch Fokus KUBA.
Die Erlebnisse der Exkursion sind hier im Weblog nachzulesen und nachzusehen. Für größere Ansicht, bitte das jeweilige Foto anklicken.
16.2.2014, Tag 1
Erfreulich! Nachdem alle 18 StudentInnen individuell zu unterschiedlichen Zeiten eingereist sind, und manche bereits seit zwei Wochen in Kuba unterwegs sind, um das Land zu besichtigen, waren am 16.2. abends um 19 Uhr alle am vereinbarten Treffpunkt in Havanna angekommen. Beim ersten gemeinsamen Abendessen stellen die verschiedenen Arbeitsgruppen (Video, Fotoausstellung, Radiosendung, Artikel, …) den aktuellen Stand ihrer Vorhaben vor; unser fachlicher kubanischer Counterpart Fernando Funes sen. (Asociación Cubana de Técnicos Agrícolas y Forestales ACTAF) gibt eine Programmübersicht.
17.2.2014, Tag 2
Wir erhalten von Fernando sen. einen ausführlichen Überblick über Landwirtschaft sowie die Agrarökologie-Bewegung in Kuba. Lisandra Palenzuela (Universität von Havanna) erklärt uns wie das Genossenschaftswesen in Kuba funktioniert und welche Arten (CPA, CCS, UBPC) von Genossenschaften (cooperativas) es gibt. Danach besichtigen wir eines der bekanntesten Projekte der Stadtlandwirtschaft (Vivero Alamar) in Havanna. Ein Vertreter von Alamar erklärt uns ausführlich die Bewirtschaftung und Organisation dieser Genossenschaft. Es werden selbst Düngemittel & Pflanzenschutzmittel hergestellt und viele agrarökologisch Praktiken angewandt, die auch in der biologischen Landwirtschaft in Europa üblich sind (Fruchtfolgen, Mischkulturen, Kompostdüngung, etc.).Aus über 250 Kulturarten, die hier angebaut werden, werden auch verarbeitete Produkte (z.B. Gewürzmischungen) hergestellt. Haupternteprodukte sind die vielen Gemüsearten, Heil- und Gewürzkräuter sowie Zierpflanzen, die direkt auf einem Verkaufsstand vor der Genossenschaft vermarktet werden. Eine Besichtigung der beeindruckenden Altstadt von Havanna (Habana Vieja) rundet den Tag ab.
18.2.2014, Tag 3
Unser Tag hat heute mit dem Besuch eines Marktes für landwirtschaftliche Produkte (Mercado Agropecuario), im Bezirk Vedado begonnen. Auf ca. 150 Ständen unter Dach werden hier Obst, Gemüse und Fleisch angeboten. Die Auswahl ist groß, die Qualität der Produkte sehr ansprechend und es herrscht reges Treiben. Wir besuchen den Markt individuell um als große Gruppe nicht zu sehr zu stören. Sowohl die VerkäuferInnen wie auch die vielen EinkäuferInnen haben Verständnis für unsere Anwesenheit und beantworten unsere Fragen gerne. Fotografieren und Filmen ist möglich. Der Präsident des Marktes erklärt uns Funktionsweise und Geschichte des Marktes. Bei dem Markt handelt es sich um einen „privaten Markt“. Die Verkäufer sind Händler, die von ProduzentInnen aus ganz Kuba zukaufen. Die Standmiete beträgt 10 % des Umsatzes. Neben dem Markt liegt der staatliche Markt, an dem u.a. gerade verfügbare Grundnahrungsmittel und Kosmetika zu sehr günstigen Preisen in kubanischen Pesos angeboten werden. Gegenüber dem Markt werden in Gärten/Höfen Speisen und Getränke für die am Markt arbeitenden und Passanten angeboten.
Eine weitere Etappe an diesem Tag ist die Fundación Antonio Jimenez Nuñez, die Stiftung des bekanntesten Heimatforschers Kubas. Wir besichtigen hier nicht nur das Museum und die Büchersammlung, sondern bekommen einen Überblick über die Tätigkeiten der Stiftung. Roberto Sanchez erklärt uns dann im Detail die Arbeiten der Stiftung zur Förderung der Permakultur, die in Kuba angewendet werden und wir sind extrem gespannt auf den 27.2. an dem wir dann einige Permakultur-Betriebe besuchen werden.
Mittags checken wir im kleinen Hotel des INIFAT (Instituto de Investigaciónes Fundamentales en Agricultura Tropical „Alexandro de Humboldt“.) ein. Mit dieser Forschungsinstitution hat das DNAS (Department für Nachhaltige Agrarsysteme) an der BOKU einen Kooperationsvertrag und es haben sich bereits drei MasterstudentInnen der AGWI (Arbeitsgruppe für Wissenssysteme und Innovationen) für die Feldforschung zu ihren Masterarbeiten über Stadtlandwirtschaft hier aufgehalten. Nach dem Mittagessen und einem Spaziergang über das weitläufige Parkgelände des INIFAT erklärt uns Maritza Corrales Tabasco die verschiedenen Tätigkeiten des INIFAT in Forschung und Lehre. Danach bekommen wir einen großartigen Vortrag von Rosalia Gonzalez Bayón über Urbane und Periurbane Landwirtschaft in Kuba. Das INIFAT ist quasi DER nationale Kontakt- und Koordinationspunkt für Stadtlandwirtschaft. Wir erfahren viel über die Geschichte, die Ziele, die Praktiken und die Erfahrungen aus der Stadtlandwirtschaft. Rosalia erklärt mit unglaublichem Enthusiasmus, wie agrarökologische Praktiken in Kuba zu einer nachhaltigen Ökologisierung der Landnutzung beigetragen haben. Trotz drei Stunden im Vortragssaal vergeht die Zeit wegen der vielen Fragen, der intensiven Diskussion und der fundierten Antworten wie im Flug.
Abends erkunden wir die Umgebung des INIFAT, das in einer Art Vorstadt von Havanna liegt, die einen ganz eigenen Charme weit Weg von den touristischen Attraktionen der Altstadt hat. Bei einem Bier haben wir die Gelegenheit uns alle intensiv mit Lisandra Palenzuela, einer Professorin der Universidad de La Habana, die uns begleitet, über das tägliche Leben der Kubaner und Kubanerinnen zu unterhalten.
Abends diskutieren wir erst in einer Reflexionsrunde unsere Eindrücke und Erfahrungen. Als dann erst Mitreisende zu Gitarrenbegleitung zu singen beginnen und unerwartet von Gästen aus Las Tunas (Cuba) , die ebenfalls im INIFAT untergebracht sind, mit lateinamerikanischer Percussion und Liedern unterstütz werden, ist die Fiesta nicht mehr aufzuhalten.
19.2.2014, Tag 4
Nachdem uns gestern viel Hintergrundwissen über urbane Landwirtschaft vermittelt wurde, stellt uns INIFAT heute – vertreten durch Jorge Luis Paso – urbane und periurbane Landwirtschaftsprojekte vor. Jorge Luis beantwortet uns gerne alle unsere Fragen und schon im Bus kommt es zu einer angeregten Diskussion über den Stellenwert und Bekanntheitsgrad der ökologischen Landwirtschaft in der kubanischen Gesellschaft.
Wir besuchen den staatlichen Organoponico Playa, der sich auf die Versorgung von StädterInnen mit frischem Gemüse, das vor Ort verkauft wird, spezialisiert hat. Angebaut werden Mischkulturen in Hochbeeten. Der Schwerpunkt liegt auf Blattgemüse (verschiedenste Salatsorten, Mangold und Chinakohl), angebaut werden aber insgesamt etwa 24 verschiedene Kulturarten (darunter Rote Rübe, Frühlingszwiebeln, Karotten, Fisolen, Bohnen, Schnittlauch und diverse Kräuter). Produktionschefin Jaritza Maya Torres führt uns durch den Betrieb und beantwortet uns gerne Fragen, nicht nur zur Anbauweise und den KonsumentInnen, sondern auch zu ihren persönlichen Essgewohnheiten.
Am Nachmittag beschäftigen wir uns mit Mischkulturen im Obstbau (Polykulturen). Dafür besuchen wir die CCS Frutal Integral Antonio Maceo Behucal. Walter, der Verwalter der Kooperative, war früher Volksschullehrer und veranschaulicht uns mit einem einfachen Spiel die Prinzipien der Polykultur, bei dem jeder von uns eine der angebauten Obstarten verkörpert. Wir besichtigen Finca La Ciugaraya, die mit 16 Jahren Betriebszeit die ältestes Obstbaum-Polykulturen Kubas zählt und eines der Genossenschaftsmitglieder der CCS ist. Heute werden hier mehr als 40 verschiedene Obstarten produziert, darunter Mamey, Kaffee, Avocado, Bananen, Papaya, Kokos und Ananas. Die Obstplantage der Finca erinnert eher an den tropischen Regenwald, als ein Agrarsystem. Die Finca El Mamey (ebenfalls ein Mitglied der CCS) ist mit erst 3 Jahren deutlich jünger und die verschiedenen Komponenten der Polykultur sind deutlicher erkennbar. Während die Obstanbaufläche derzeit mit Avocado, Guayaba, Bananen, Mango und Papaya bepflanzt ist, werden auf der Finca auch noch Bohnen, Yucca und Rosen kultivert. Die Schnittblumen sind besonders wichtig um vor allem in ernteschwachen Jahreszeiten ein tägliches Einkommen zu gewährleisten, mit dem die Arbeiter bezahlt werden können.
Abends haben wir die Gelegenheit mit Lisandra ein Konzert zu besuchen und unsere Salsa-Kenntnisse zu erweitern.
20.2.2014, Tag 5
Unser heutige Tag beginnt aufgrund eines Defektes unseres Busses etwas später: Gestern hatte der Busfahrer den Bus bei einem Ausweichmanöver auf einem Feldweg gegen einen Stein gefahren und beschädigt; Ein Ersatzbus wurde angefordert und war uns zugesichert. Geplant war unsere Abfahrt um 8.30, doch wir können erst um 10:15 von unserem Hotel Vedado in Havanna abreisen. Die Abreise erfolgt allerdings nicht mit dem uns als Ersatz zugewiesenen Bus. Obwohl wir alle mit Gepäck deutlich sichtbar im Eingangsbereich des Hotels warten, behauptet der Fahrer dieses Ersatzbusses telefonisch, WIR wären zum angegebenen Zeitpunkt um 08:30 nicht im Hotel gewesen und er wäre nach längerem Warten mit einer anderen Gruppe nach Varadero gefahren. Wir haben allerdings Glück. Um 10 Uhr entlässt ein Bus seine Gruppe vor dem Hotel, unser Reiseführer bemerkt das und nachlängeren Verhandlungen und Telefonaten mit dem Busunternehmen erhält der Fahrer von seiner Firma die Erlaubnis uns zu transportieren. Wir sind also mit dem Ersatz-Ersatzbus unterwegs.
Schließlich können wir aufbrechen um die Finca Villa Hortensia zu besichtigen. Als wir aus dem Bus steigen fragen sich viele von uns „Wo sind wir hier?“ Jemand von uns antwortet darauf: „Im Paradies“. Unserer Meinung nach DIE passendste Umschreibung. Wir spazieren durch einen wunderschönen Vorgarten auf einem mit kleinen Kalksteinen gepflasterten Weg durch eine dichte Palmenallee zu einem künstlerisch gestalteten Brunnen, bei dem der Besitzer Lic. Hildalio Mederos Boza bereits auf uns wartet. Auf dem 6ha großen Betrieb kultivieren er, seine Familie und sechs Mitarbeiter u.a. Zierpflanzen, Cashew (Marañon), Kürbisse, Maniok und Bananen. Insgesamt sind hier seiner Aussage nach 4.200 verschiedene Pflanzenarten zu finden, die in Polykulturen gedeihen. Er weist uns auf eine besondere Palme hin die hier in Form dichter Hecken wächst. Die „Areca“-Palme wird als Windschutz (Hurrikan-Gebiet!) eingesetzt, denn ihr Stamm kann nicht brechen. Die Produkte des Betriebes werden u.a. über die Genossenschaft Julito Diaz vermarktet. Wir besichtigen das Bewässerungssystem, den Kompostplatz und Flächen, die zur Erweiterung des Betriebes gerade erst bepflanz wurden. Nach der Führung können wir ein schmackhaftes Mittagessen in einem im Kolonialstil gehaltenem Speisesaal einnehmen. Das Ambiente ist sehr edel und so schön, sodass es uns schwer fällt das Anwesen zu verlassen. Gleichzeitig wird uns allerdings auch bewusst, dass „Bäuerinnen und Bauern“ auch im sozialistischen Kuba sehr unterschiedlich leben und wohnen.
Am Nachmittag treffen wir auf der Finca Marta, das agrarökologische Projekt von Fernando „Fernandito“ Funes Junior ein, seinerseits Wissenschaftler, Landwirt und Vizepräsident der Lateinamerikanischen Gesellschaft für Agrarökologie (Sociedad Latinoamericana de Agroecología, SOCLA). Dafür, dass die Farm erst vor 2 ½ Jahren gegründet wurde ist hier schon sehr viel passiert, was Fernandito uns mit sehr viel Leidenschaft präsentiert. Für uns ist es spannend mehr über die Neuanlage eines agrarökologischen Vorzeigebetriebes zu erfahren, vom anfänglichen Kampf mit dem berühmt-berüchtigten dornigen Gestrüpp Marabu, dass weite Teile der kubanischen Brachen zuwuchert, dem händischen Graben eines Brunnenschachtes in massiven Fels, bis zur Anlage eines Gemüsegartens, der Viehhaltung, der Imkerei und den Obstgärten. Wir sind besonders begeistert von den vielen verschiedenen Honigsorten (darunter auch Mango- und Avocado-Honig), die wir verkosten dürfen. Die sozio-ökonomische Komponente spielt ebenfalls eine große Rolle im System. Fernandito beliefert Hotels und Familien in Havanna mit frischem Gemüse, möchte demnächst eine Community Supported Agriculture aufbauen und hat außerdem große Pläne für die Agrarökologie in der Region, indem er anderen BäuerInnen die biologische Wirtschaftsweise näher bringen will, um eine regionale biologische Produktionsgemeinschaft aufzubauen. Die Finca spielt dabei die wichtige Rolle den anderen Bauern zu zeigen, dass die biologische Wirtschaftsweise funktioniert und ökonomisch rentabel ist. Nach jahrzehntelanger Tätigkeit als Wissenschaftler ist er der Meinung, dass das der einzige Weg die Leute für die Agrarökologie zu gewinnen das Vorzeigen guter Beispiele ist. Belehren will er niemanden, Fernandos ausführliche philosophische Reflektionen über sein Leben als Wahl – Campesino sind allerdings für uns allerdings auch sehr inspirierend.
Bei einem köstlichen puerco asado, eine stundenlang im Ofen gerösteten Schweinekeule, die Kubaner traditionell für besondere Anlässe zubereiten, nutzen wir die Gelegenheit mit den beiden Fernandos über ihr ereignisreiches Leben und die Rolle der Agrarökologie im heutigen und zukünftigen Kuba zu reden, bevor die meisten von uns eine Nacht im Freien unter dem kubanischen Sternenhimmel in Hängematten und auf Matratzen einschlafen.
21.2.2014, Tag 6
Unser erster Programmpunkt an diesem Tag ist die Finca Integral Sub Urbana La Barranca von Antonio Velasco in Piñar del Rio. Er ist Mitglied der Genossenschaft (CCS) José M. Pérez. Hier wird allerlei produziert, von Arzneipflanzen über Schweine- und Hasenfleisch bis zu Tabak. Die im August begonnene Tabakernte wurde gerade erst abgeschlossen und wir dürfen den Trocknungsraum der Blätter besichtigen, während uns Antonio einiges über die Tabakproduktion erzählt: Zwischen der Ernte und dem Verkauf der getrockneten Blätter vergehen ca. 40 Tage, wobei sie die letzten 25 Tage fermentiert werden. Die Tabakblätter werden nach dem Verkauf in 25 verschiedene Qualitätsklassen eingeteilt. Die Blätter“ vom Fuß“ der Pflanze haben die „schlechteste“ Qualität und werden für Zigaretten verwendet, die Blätter im obersten Bereich der Pflanze hingegen haben die hochwertigste Qualität und gehen in die Zigarrenproduktion.
Unser nächster Halt ist die Finca Integral Sostenible Agroecologica La Cabaña von Daniel (Mitglied der CCS José Maria Pérez). Auch hier herrscht eine große Diversität auf seinen Anbauflächen. Doch eine seiner wichtigsten Einnahmequellen ist die Saftproduktion, für die er schon drei Auszeichnungen erhalten hat. Die Ernteprodukte seiner Obstkulturen werden zu verschiedensten Säften verarbeitet und im nahegelegenen Krankenhaus in seiner eigenen Saftbar verkauft. Diese wird täglich von etwa 4.000 Personen besucht, wobei sie 24 Stunden geöffnet hat. Eine weitere Besonderheit auf diesem Betrieb ist die Biogasproduktion aus der hofeigenen Schweinegülle. Diese Anlage versorgt sechs Familien. Sehr interessant ist, dass der Gär-Rest in die Aquakultur einfließt, wo wiederum Fische als Futter für die Schweinehaltung gezüchtet werden. So wird der Kreislauf wieder geschlossen.
Der letzte Halt ist bei der Gastfamilie von Friedrich Leitgeb, Augustin Pimentel Navarro und Maria Balido Valido (San Andres, La Palma, Piñar del Rio). Hier hat Friedrich einige Zeit für die Feldforschung für seine Doktorarbeit verbracht. Faszinierend ist für uns die Geschichte der Familie: Sie haben früher eigentlich nicht viel über die Landwirtschaft gewusst, waren Arbeiter und haben sich das, was man heute sieht alles durch Bildung, Fleiß und Durchhaltevermögen aufgebaut. Heute sind sie Mitglied beim Programm für landwirtschaftliche Innovationen (PIAL). Die Familie versorgt sich sozusagen selbst. Es werden Gemüse, Reis, Öle, Fett, Fleisch, Milch und Getreide selbst produziert: „Wenn wir einkaufen gehen, dann nur für Salz und Gebrauchsprodukte“, sagt Augustin. Maria zeigt und stolz ihren Lagerraum, wo sie all ihre konservierten Lebensmittel aufbewahrt. Auch sie hat viele Kurse zum Thema Lebensmittelkonservierung und Gleichberechtigung für Frauen gemacht. Heute arbeiten sie jeden Samstag mit Kindern auf den Feldern, mit dem Ziel sie wieder näher zur Landwirtschaft zubringen und somit das Überleben der Fincas zu sichern.
Internet – Eine Herausforderung
Wir waren zuletzt tagsüber dauernd auf Achse und dann abends auf der Finca Marta oder in Hotels, wo es keinen Internetzugang gab. Das mit dem Internet ist hier so eine Sache …. In Hotels hat man nur mit einer Wertkarte Zugang. Diese hat eine Nutzungsdauer von 30 Minuten und kostet umgerechnet ca. 5 €. Die Karte ist aber nur zwischen 9 und 17 Uhr erhältlich – und auch nur dann wenn die Karten nicht gerade ausverkauft sind. Meist ist die Karte auch nur auf fix installierten PCs mit LAN verwendbar nicht aber für W-LAN. Wenn wir im jeweiligen Hotel ankommen, ist der dortige Verkaufsstand für diese Karten geschlossen. Wenn man dann nach komplizierten Wegen doch eine Verbindung geschafft hat, ist diese extrem langsam. Privathaushalte haben keinen Internetzugang, nur Firmen und hier lebende Ausländer. Ausnahmen von Personen mit „Beziehungen“ bestätigen diese Regel J
Während wir dieses Zeilen schreiben, können wir nur hoffen, dass wir es in den kommenden Tagen irgendwie schaffen Text und Fotos der letzten Tage zu versenden. Das gelingt dann, wenn auch erst am 23.2. nach langer Suche nach einem Hotel, das noch Karten für W-LAN zum Verkauf hat und einem von uns mit einer kleinen Ausrede Zutritt gewährt
22.2.2014, Tag 7
Heute ist der Betrieb von Oswaldo Franco Alvaro (kurz: Franchi) unser Programmpunkt. Nach einer 3-stündigen Busfahrt angekommen, begrüßt uns Franchi gemeinsam mit seiner Frau Miriam und seiner Enkeltochter Monika herzlich. Seine Finca heißt La Joya Ecologica, wörtlich übersetzt also ein ökologisches Schmuckstück.
Franchi, gelernter Baumeister, ist Erfinder eines einzigartigen Bewässerungssystems. Zu jener Zeit, als er diese Anlage erfand, hielten ihn die Leute aus seiner Nachbarschaft für verrückt, weil er bis spät in die Nacht hinein daran tüftelte und herumprobierte. Auch seine Frau war mit daran beteiligt, denn sie war diejenige, die ihn dabei unterstützte und nachts Kaffee für ihn kochte. Nicht einmal das Patentamt traute ihm, als er seine Erfindung einreichen wollte. Erst als er ein Modell vor der zuständigen Kommission aufbaute und rein zufällig der Hydraulikfachmann des Patentamtes vorbeikam, welcher seinen Augen nicht traute, erhielt er sein Patent.
Bei dem Bewässerungssystem handelt es sich eigentlich um einen wasserbetriebenen „Schalter“, der den Kugelhahn für die Bewässerungsleitung in genau einstellbaren Intervallen selbsttätig ein- und ausschalten kann. Die Intervallschaltung erfolgt – sehr vereinfachend gesagt – über eine Plastikflasche auf einer Wippe. Diese Flasche wird einerseits gefüllt, kippt dann, wenn sie voll ist um und rinnt aus. Im leeren Zustand stellt sie dann ein Gegengewicht wieder auf. Die Welle auf welcher die Flasche hin- und her wippt, öffnet und schließt den Kugelhahn der Wasserversorgung des Bewässerungssystems. Die Dauer des Befüllens der Flasche und damit die Dauer während der Kugelhahn geschlossen bleibt, aber auch die Dauer des Entleerens der Flasche und damit die Dauer der Bewässerung werden über Infusionsschläuche (Wasserzulauf in bzw. Wasserablauf aus der Flasche) und deren „Tropfregler“ eingestellt.
Seinen Erfindungsgeist hat Oswaldo mehrmals unter Beweis gestellt. Eine weitere Entwicklung von ihm ist ein Windrad, das sich besonders schnell abbauen lässt. Damit hat er eine Lösung gefunden, um die vielen Windräder in der Hurrikan Saison rechtzeitig vor herannahenden Hurrikans abbauen zu können. Innerhalb einer ½ Stunde lassen sich die Flügel abmontieren. Heute werden die von ihm konzipierten Windräder in weiten Teilen Kubas eingesetzt.
Nach der Führung und weiteren 2 Stunden Busfahrt kommen wir in Varadero an. Nach einer Abkühlung im Meer lassen wir den Abend bei einem Cocktail ausklingen.
23.2.2014, Tag 8
Wir halten uns heute rund um das Dorf Vedado, vor allem berühmt für All-inklusive Strandtourismus, in der Provinz Matanzas auf.
Am Morgen besuchen wir die Finca La Coincidencia, wo Hector Gonzales, seine Frau Odalys und ihre 3 Söhne leben. Ihnen ist auf ihrem Betrieb eine Fusion von Landwirtschaft und Kunst gelungen. Hector nützt die guten Böden auf seinem 8 ha großen Betrieb landwirtschaftlich, während er die ungünstigeren Standorte als Freiluftgalerie nützt. Vor allem Tonskulpturen aus der hauseigenen Töpferei aber auch Skulpturen von Gastkünstlern werden ausgestellt. Die Töpferei ist das wichtigste wirtschaftliche Standbein des Betriebes. Die Kunstgenstände werden meistens in den Hotels verkauft. Die Familie versorgt sich weitestgehend selbst und produziert darüber hinaus Bohnen, Bananen, Mangos und Mais zum Verkauf. Das Highlight des Besuches ist die Imkerei mit nicht stechenden Melipona-Bienen. Wir können den Honig mit einem Strohhalm direkt aus dem Bienenstock schlürfen. Zum Abschied ermutigt uns Hector unsere Träume zu verwirklichen, auch wenn sie im ersten Moment so verrückt klingen wie die Vereinigung von Kunst und Landwirtschaft. Der Besuch war für uns sehr inspirierend.
Gegen Mittag sind wir zu Gast bei Omar Gonzales auf seiner Finca El Placido. Er bewirtschaftet 10 ha biologisch und verkauft über die Genossenschaft Knollenfrüchte, Gemüse und Zierpflanzen, vor allem an die Hotels in Vedado. Omar arbeitet mit Effektiven Mikroorganismen (EM), die er gewinnt indem er etwas Streu eines naturbelassenen Waldstücks in der Nähe seiner Farm in einem Nährmedium ansetzte und damit die in diesem Gebiet natürlich vorkommenden Mikroorganismen züchtet. Die effektiven Mikroorganismen werden sowohl auf Pflanzen ausgebracht, als auch an die Tiere verfüttert und haben laut Omar eine ausgezeichnete Wirkung. Wir lernen ebenfalls den Baum Moringa und die tropische Kletterpflanze Sacha Inchi kennen, die Omar in einer Polykultur anbaut. Beide Pflanzen zählen zu den sogenannten superfoods, da sie über viele Vitamine und Nährstoffe verfügen und unzählige positive Effekte auf Mensch und Tier haben sollen. Das Mittagessen, das Omar für uns vorbereitet hat, ist mit zwei riesigen Red Snapper Fischen, Yuca, Reis, Bohnen und verschiedenen Salaten (darunter die berühmte Moringa) eines der Besten unserer Reise.
Am späten Nachmittag haben wir noch kurz Zeit den Strand Varaderos zu genießen, bevor wir den Abend mit einer Evaluation des bisherigen Reiseverlaufes und unserer bisherigen Erlebnisse ausklingen lassen.
24.2.2014, Tag 9
Auch heute gab es wieder eine Verzögerung bei der Abfahrt. Wir mussten Geld wechseln bzw. vom Bankomat abheben. Nicht so einfach, wie man denken möge! Und auch den Bus aufzutanken hat gedauert, weil wir erst eine Tankstelle finden mussten, die auch ausreichend Diesel vorrätig hat. Wir starten mit einer Verspätung von über 2 Stunden.
Heute am Vormittag besuchen wir die Finca Cayo Piedra von Fernando Donis, dem „King der Effektiven Mikroorganismen“ (EM), wie ihn uns unser technischer Reiseleiter beschreibt. Sein Betrieb ist Teil einer CCS (Einkaufs- und Verkaufsgenossenschaft). Mit ihm arbeiten 17 Angestellte. Auch ein Traktor und verschiedene landwirtschaftliche Bewirtschaftungsgeräte sind im Einsatz. Seit 14 Jahren wird auf diesem Betrieb ein breites Spektrum von Kulturarten angebaut. Berühmt ist Fernando wie schon erwähnt für das Wissen über den Einsatz von EM. Er stellt aus organischem Material der Streuschicht von natürlichen Waldstandorten, Reisschalen, Melasse oder Zuckerrohrsaft und Milch die Ursubstanz her. Diese ist bis zu drei Jahre lagerfähig. Nach 21 Tagen anaerober Gärung kann die Ursubstanz verwendet werden. Voraussetzung ist ein pH – Wert zwischen 3 und 4, sowie auch eine feuchte, aber kompakte Konsistenz. Diese Ursubstanz wird vor der Anwendung mit Milch und kohlenhydratreichen Substanzen versetzt („aktiviert“) und ein weiterer Gärvorgang durchgeführt, bevor diese aktivierte Substanz vermischt mit Wasser in der Tierhaltung oder dem Pflanzenbau ausgebracht wird. Auf dem Betrieb werden seit fünf Jahren EM im Ausmaß von 4.000 l pro Woche ausgebracht.
Nach Fernandos Angaben hat er nach dem Einsatz von EM weniger Probleme mit Schädlingen und Krankheiten, eine bessere Bodenfruchtbarkeit und einen ums 10–fache besseren Ertrag. Er setzt EM auch bei Kaninchen ein und erzielt somit bessere Mastleistungen. Er ist auch offen für Innovationen und macht ständig verschiedene Versuche mit neuen Kulturarten oder Sorten. Derzeit läuft gerade ein Düngungsversuch mit mehreren Süßkartoffelsorten.
Am Nachmittag fahren wir zur Forschungsstation Estación Experimental de Pastos y Forrajes „Indio Hatuey“ wo wir zu Mittag essen und unsere Zimmer belegen. Bedauerlicher Weise stellen wir fest, dass einige von unseren Betten – naja, nennen wir es einmal – „nicht sehr einladend“ sind. Für uns steht sofort fest: Wir wollen unseren Schlafplatz nicht mit Kleintier- und Reptilienausscheidungen teilen. Aber zuerst wird uns die Forschungsstation von Milagros Milera vorgestellt. Seit 15 Jahren wird hier bereits Forschung betrieben. Die Entwicklung von „Indio Hatuey“ ist gekennzeichnet von einer Abkehr von der Forschung über einzelne Kulturarten hin zu holistischer und systemischer Forschung über innovative und zukunftsträchtige Landnutzungssysteme unter starker Berücksichtigung von agrarökologischen Praktiken.
Anschließend besichtigen wir den zur Forschungsstation gehörenden Organoponico. Wir sehen hier zum ersten Mal, dass Gemüse sogar zwischen den Beeten auf den Wegen angebaut wird, um den Platz effektiver zu nutzen. Ein Biogasreaktor mit beweglicher Speicher-Glocke produziert Gas, welches für die Inbetriebnahme der Herdplatten, des Reiskochers und für das Licht verwendet wird. Weiters erhalten wir einen Einblick in die Schweinehaltung der Forschungsstation und in die Seidenproduktion.
Obwohl wir uns leidenschaftlich gerne im Namen der Wissenschaft mit der kubanischen Landwirtschaft auseinandersetzen, schwebt uns noch immer die Frage im Kopf: „Wie lösen wir das Problem mit unseren Schlafplätzen?“ Bekanntlich macht die Not erfinderisch, und wir beschließen die Betten in den „schönen“ Zimmern zusammenzustellen um die Nacht in All-in-one-Matratzen und Hängematten zu verbringen. Die Schlafräume teilen wir uns zwar immer noch mit Fröschen und Geckos (und vermutlich noch jeglicher anderen Art tierischer Nachtschwärmer), aber wir schaffen es doch ein paar Stunden Schlaf abzubekommen. Die für uns organisierte Noche Cubana mit ausgelassenem Tanz verkürzt den Partyschwärmern unter uns die Dauer der Nacht mit ihren Unannehmlichkeiten sowieso allemal.
25.2.2014, Tag 10
Nach einer relativ schlaflosen Nacht im Indio Hatuey sind wir unterwegs in Richtung Santa Clara. Wir besuchen die Genossenschaft (CPA) 6to Congreso Campesino, wo wir von Conrado Delgado, welcher für das Thema Agrarökologie zuständig ist, empfangen werden. Der 610 ha große Betrieb wird von 130 ArbeiterInnen teilweise nach agrarökologischen und teilweise nach konventionellen Prinzipien bewirtschaftet. Wir besichtigen zwei vollständig ökologische Projekte der Kooperative: das CREE (Station für die Züchtung von Nützlingen), wo biologische Pflanzenschutzmittel hergestellt werden und einen teilgeschützten Organoponico. Das mit Abstand am meisten Nachgefragte Pflanzenschutzmittel für das CREE sind Trichoderma, ein antagonistischer Pilz, der gegen bodenbürtige Pathogene wirkt und Bacillus thurgensis. Im Organoponico wird unter Netzen („halb geschützt“) angebaut, die vor etwa 35% der aggressiven UV Strahlung schützen. Auch für Kuba exotischere Kulturen wie Erdbeeren werden hier angebaut. Was uns besonders auffällt ist, wie viele Frauen hier arbeiten. Es wird uns ebenfalls erklärt, dass die MitarbeiterInnen des Organoponico bei den KonsumentInnen aktiv Bewusstseinsbildung betreiben und sich die nach agrarökologischen Prinzipien angebauten Produkte am Markt großer Beliebtheit erfreuen.
Am Nachmittag Besuchen wir die Genossenschaft (UBPC) Desembarco del Granma, einen 1.353ha großen Betrieb, der sich hauptsächlich auf Rinderhaltung spezialisiert hat. Hier arbeiten 131 Menschen, 5 Frauen und 126 Männer. Ariel Machado Martinez, hält als Vertreter der Genossenschaft eine Präsentation über die wirtschaftliche Situation der UBPC, deren Haupteinnahmequelle der Verkauf von Frischmilch an die weiterverarbeitende Industrie ist. Immer wieder ist es faszinierend zu sehen, wie genau die kubanischen LandwirtInnen ihre betrieblichen Kennzahlen erheben, kennen und deren Entwicklung verfolgen, vor allem bei Genossenschaften, mit Umsatzbeteiligung der Mitglieder. Danach sehen wir uns eine der 20 Betriebseinheiten der Genossenschaft an, inklusive Jungviehaufzucht und Melkstelle. Interessant ist, dass die kubanische Definition von „traditioneller Landwirtschaft“ (agricultura tradicional) sich auf den intensiven Einsatz von Spritzmitteln vor der Spezialperiode bezieht, während bei low – input Systemen von“ rustikaler Landwirtschaft“ (agricultura rustica) gesprochen wird.
Wir schließen den Tag mit einer Audienz bei Che Guevara ab, ein Pflichtbesuch für alle, die nach Santa Clara kommen, der Stadt wo Kubas berühmtester Revolutionär begraben liegt.
26.2.2014, Tag 11
Heute besuchen wir die Finca La Vallita des ehemaligen Volksschullehrers Emilio Chavez Estévez und seines Sohns Norge Chavez Chinea. Norge ist gelernter Schiffstechniker und Kapitän. Nach vielen Jahren auf hoher See hat er zu seinen Wurzeln zurückgefunden und wird den Hof übernehmen. Der Betrieb ist Teil einer Genossenschaft (CCS) mit drei Betriebszweigen: Weinbau (größte Weinbaufläche in ganz Kuba; geschätzte 2 ha), Zierpflanzenanbau mit Baumschule und Obstanbau (Polykultur).
Wir bekommen einen Eindruck davon, wie schwierig es ist in Kuba Wein anzubauen, vor allem wegen des hohen Befallsdrucks pathogener Pilze. Uns fällt auf, dass zwischen den Reihen der Reben der Boden vollkommen unbedeckt ist. Emilio erklärt, dass hier, anders als in Europa, das Ziel der Bodenbewirtschaftung eine sehr schnelle Abtrocknung des Bodens ist und daher keine Begrünung angebaut oder Beikräuter in/zwischen den Reihen belassen werden. Sehr interessant ist, dass über das Bewässerungssystem, welches von einem EU-Projekt zur Verfügung gestellt wurde, das Pflanzenschutzmittel tabakin (ein wässriger Auszug von Tabak) ausgebracht wird. Unsere mehrfachen Fragen nach der Toxizität werden nicht verstanden. Dieses Pflanzenschutzmittel sei kein Problem und wirke bestens. Wir sind skeptisch.
Gegenüber der Rebfläche und der Baumschule liegt eine Fläche, die dem Betrieb erst vor kurzem ein usufruct, incl. Stromanschluss, Brunnen und Pumpstation vom Staat zur Verfügung gestellt wurde. Hier ist eine Obstplantage geplant. Mango, Guave und andere Obstarten sind bereits gepflanzt und zwischen den Reihen sind Bohnen angebaut. Es wird in den Reihen mit Tabakstengeln gemulcht.
Wir sehen auch einen vielfältigen Obstgarten, der immer schon in Familienbesitz war. Hier setzen wir uns auf Steinbänke an einem „Vortragsplatz“, wo normalerweise für Kinder „Schule am Bauernhof“ organisiert wird, um die Kinder über Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Agrarökologie zu sensibilisieren. Die Besichtigung endet mit einer Diskussionsrunde u.a. über die Definition von Agrarökologie und biologische Landwirtschaft. Wir merken hier wie auch schon bei anderen Betrieben, dass uns bekannte Begriffe wie agroecología (Agrarökologie), permacultura (Permakultur) oder agricultura orgánica (Biologische Landwirtschaft) hier doch etwas anders verstanden werden als in Österreich. Zertifizierte biologische Landwirtschaft gab es bei keinem der von uns besuchten Betriebe. Und wirtschaften „nach agrarökologischen Prinzipien“ würden wir hier eher als „integrierte Produktion auf hohem Nachhaltigkeitsniveau“ bezeichnen, weil – wie wir erklärt bekommen – bei Überschreiten der Schadschwelle auf einigen der besuchten Betriebe/Kulturarten doch auf synthetische Pestizide zurückgegriffen wird.
Abends gibt es im Hotel Vedado bei Ankunft einen heftigen Wirbel. Unsere Zimmer sind verdreckt und die Einrichtung teilweise in desolatem Zustand. Verschimmelte Bettüberzüge, Haare im Bad und dreckige Handtücher wollen wir uns diesmal nicht gefallen lassen. Christian und Fritzi zitieren den Hotelmanager und die Verantwortliche der Reinigung herbei und führen ihnen die Missstände vor. Es gibt scheinbar Verständnis und eine Entschuldigung. Die Suche nach frischen Handtüchern und Bettdecken dauert unerwartet lange und wir beschließen aus Protest nicht im Hotel das bereits bezahlte Essen zu uns zu nehmen. Als kleiner Versuch der Widergutmachung bekommen wir am Folgetag zum Frühstück einen Extratisch, Extragemüse und Extraaufmerksamkeit. Wiederkommen würden wir hierher wohl trotzdem nicht.
27.2.2014, Tag 12
Heute besuchen wir in Havanna Vilda Figueroa und José (Pepe) Lama (Proyecto Comunitario Conservación de Alimentos), quasi eine Institution der Urbanen und Peri-Urbanen Landwirtschaft in Kuba. Beide setzen sich seit 20 Jahren für die Haltbarmachung und Verarbeitung von Lebensmitteln ein. Mit dem Komitee der Verteidigung der Revolution (CDR) ihres Viertels haben sie hierzu ein Umfangreiches Bildungs- und Innovationsprojekt entwickelt und einen Verlag gegründet. In vielen reichhaltig bebilderten Postern, Broschüren und Büchern, in Radiosendungen und Fernsehserien sowie mittels Kursen und Workshops propagieren sie die Haltbarmachung von Ernteprodukten und -überschüssen mittels Salz, Zucker, Essig, Trocknung oder Einkochen zum Wohle der ProduzentInnen und der Vielfalt am Speiseplan der KonsumentInnen.
Wir besuchen auch Nelson Aguilar, Mitglied der Permakulturbewegung, der in Havanna auf dem Dach seines Hauses eine Kaninchenzucht aufgebaut hat. Er verfüttert die Speiseabfälle des Viertels, und zusätzlich Fischmehl, Blutmehl, usw. Die Kaninchen werden hier wie an jedem anderen Ort, den wir bisher besucht haben in engen Gitterkäfigen gehalten und erhalten weder Raufutter noch Auslauf. Die Debatte über artgerechte Tierhaltung ist in Kuba noch nicht angekommen, weder hier noch auf zuvor besuchten tierhaltenden Betrieben, da es hier andere Prioritäten (schlicht und einfach die tägliche Ernährung und das tägliche Einkommen sicherstellen) gibt. Nelson hat für kubanische Verhältnisse mit seiner Produktion sicher Erfolg. Für uns bleiben aber auf diesem Betrieb viele Fragen darüber offen, ob die Idee der Permakultur derart „konventionell“ umsetzbar ist, wie es Nelson sehr überzeugt und wortgewaltig vertritt, und ob artgerechte Tierhaltung in Kuba tatsächlich so viele Nachteile hätte, wie Nelson beschreibt.
Zuletzt besuchen wir den Dachgarten (Proyecto Patio Comunitario – Barrio Canal) von Justo Torres. Geführt werden wir von Carmen Cabrera López (Mitarbeiterin der Fundación Antonio Nuñez Jimenez de la Naturaleza). Auf einer kleinen Dachfläche werden Guave, Zitronen und Wein, sowie Heil- und Gewürzpflanzen angebaut. Der Verkauf des Weins ist ein wesentlicher Beitrag zum Haushaltseinkommen, neben allen anderen Effekten dieses Dachgartens. Alleine die Stromeinsparung sei signifikant. Die Beschattung des Daches durch den Garten würde die Temperatur im Hause darunter senken und damit Stromkosten für die Ventilatoren sparen helfen. So wie hier sollen auf hunderten Dächern und in hunderten Höfen Havannas winzigste Anbauflächen das Budget der Bewohner entlasten und Agrarbiodiversität in die Stadt bringen.
Wir schließen die Serie an Besichtigungen mit einem wunderbaren Essen im La Casa in Vedado und einem Dank an unseren Chauffeur (Gerardo), den touristischen Führer (Waldo) und die technischen Begleitern (Fernando und Chucho).
Der Nachmittag dient der Reflexion und Evaluation unserer Erlebnisse.
28.2.2014, Tag 13
Unglaublich. Es ist der letzte Tag unserer Exkursion. Während einige bereits heute abreisen, bleiben manche noch ein paar Tage. Wir haben viele Erfahrungen gesammelt und viel dazugelernt. Nach unserer Rückkehr werden wir die Erkenntnisse in Artikeln, einer Radiosendung und einem Video aufbereiten. Diese Produkte der Exkursion werden dann bei einer Abschlussveranstaltung präsentiert, die wir rechtzeitig ankündigen werden.
Das lokale Team
Vielen herzlichen Dank an Fernando Funes sen., gemeinsam mit ACAO Träger des alternativen Nobelpreises, Agrarwissenschaftler und Mitbegründer der Agrarökologie-Bewegung in Kuba, der uns die Reise vor Ort organisiert und uns die erste Woche begleitet hat, für seine kompetente hilfreiche Betreuung! Herzlichen Dank auch an Jesus (Chucho) Iglesias, der die Reiseleitung in der zweiten Woche übernommen hat für seine vielen anregenden fachlichen Erklärungen (beide Estación Experimental del Instituto de Pastos y Forrajes Indio Hatuey.
Herzlichen Dank auch an Lisandra Palenzuela (Universität von Havanna), die uns am Beginn und Ende der Reise begleitet und uns viel über Wirtschaft und das tägliche Leben der KubanerInnen erzählt hat.
Vielen herzlichen Dank an Waldo Martinez, Dichter, Englischlehrer, Poet und Reiseführer von Havanatur, der uns die gesamte Reise begleitet hat, für seine kompetente hilfreiche Betreuung.
Vielen herzlichen Dank an Gerardo Tamayo Hernández, unseren Chauffeur von Transtur, der unseren Bus sicher und umsichtig gesteuert hat.
Das Redaktionsteam für dieses Tagebuch waren Julia Altenberger, Lisa Jamnig, Marlis Scharl & Christian R. Vogl. Das Tagebuch wurdein diese Webpage von Maja Tumpej technisch umgesetzt. Die Fotos wurden von Christian R. Vogl gemacht.
Wir danken Euch herzlich für das Interesse an unserem Reisetagebuch!