Agri-Photovoltaik: wie wir Landwirtschaft und Energieproduktion kombinieren können
Österreich möchte bis 2030 seinen Strombedarf aus klimaneutraler Produktion beziehen, bis 2050 soll das fossile Zeitalter in unserem Land gänzlich der Vergangenheit angehören. Das kürzlich im Parlament beschlossene Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz bildet diesen Trend deutlich ab: Bis 2030 soll die Produktion des Photovoltaik-Stroms um 11 TWh gesteigert werden. Bis 2050 wird sogar mit einem Zubau an Sonnenstrom im Umfang von knapp 30 TWh gerechnet. Erreicht werden sollen diese Ziele hauptsächlich durch die Installation von PV-Modulen auf Dächern. Hierbei ist jedoch das realisierbare Potential laut einer Studie (Fechner, 2020) auf circa 4 TWh beschränkt. Die Einbeziehung von Freiflächen-Anlagen zur Zielerreichung erscheint demnach unumgänglich. Diese Nutzungsform wird allerdings aufgrund der Flächenkonkurrenz mit der Landwirtschaft politisch wie gesellschaftlich kontroversiell diskutiert.
Einen Lösungsansatz für diesen Konflikt bietet das Konzept der Agri-PV. Es beschreibt die Doppelnutzung einer Fläche, einerseits für die Landwirtschaft als Primärproduktion und andererseits zur Erzeugung von Solarstrom als sekundäres Produkt. Es werden unter oder zwischen den Photovoltaikmodulen Nahrungs-, Futter-, oder Rohstoffpflanzen angebaut. Auch die direkte Nutzung der Fläche als Weide ist eine Option.
Agri-PV-Anlagen lassen sich grundsätzlich in zwei verschiedene Kategorien unterscheiden. In die erste Kategorie fallen PV-Anlagen mit einer Aufständerung in lichter Höhe. Die Module sind auf 3-6 Meter über dem Boden montiert, was die Befahrung der Fläche mit großem landwirtschaftlichem Gerät und die Bewirtschaftung darunter ermöglicht. Auf dem Metallgerüst können die Module statisch oder beweglich, dem Sonnenverlauf nachgeführt, verbaut werden. Als Beispiel für eine nachgeführte Agri-PV-Anlage der Kategorie II verlinken wir auf https://www.bauernzeitung.de/agrarpraxis/agri-pv-anlage-althegnenberg-photovoltaik-im-acker/, die eine Anlage in Althegnenberg zeigt.
Die zweite Kategorie beschreibt bodennahe Anlagen. Die Module sind in Reihen angeordnet und die Bewirtschaftung findet dazwischen statt. Eine Sonderform stellt die vertikale Aufständerung mit bifacialen PV-Flächen dar, die das Ernten der Sonnenenergie von beiden in Frage kommenden Himmelrichtungen erlaubt. Siehe hierzu auch das Bild neben dem Artikel.
Die positiven Nebeneffekte der Agri-PV sind vielfältig: Die Module dienen den Pflanzen als Hitz- und Windschutz, in der Hochbau-Variante können sie auch als Hagelschutz und Beschattungselement eingesetzt werden. Für die Energiewirtschaft sind vor allem die bifacialen und beweglichen Module reizvoll, da sie mit ihren Erzeugungsprofilen nicht nur die Mittagslast, sondern auch die Randzeiten an Vor- und Nachmittag abdecken können. Als Beispiel für eine hoch aufgeständerte Anlage (Kategorie I) mit Möglichkeit zur Bewirtschaftung verlinken verlinken wir hier auf https://hofgemeinschaft-heggelbach.de/energie, dort gibt es auch eine Bildergalerie.
Potenzielle Herausforderungen durch die Verschränkung von Energieproduktion und Landwirtschaft können sich an mehreren Fronten ergeben. Zum einen konkurrieren Pflanzen und Photovoltaik um dieselbe Ressource: Sonnenenergie. Kommt es durch den Bewuchs (vornehmlich in den ertragreichen Sommermonaten) zu großer Verschattung, können die Module nicht optimal arbeiten und der Ertrag vermindert sich merklich. Zum anderen skalieren Landwirtschaft und Stromproduktion mit der Größe der Fläche. Wird zu viel Fläche mit Modulen belegt, wird der Ertrag für den Landwirten unter eine kostendeckende Schwelle fallen, die Photovoltaik würde die Primärproduktion darstellen.
Die Technik der Agri-PV ist noch eine sehr junge Nutzungsform, die meisten Anlagen sind Referenz- und Testanlagen und werden noch nicht im industriellen Maßstab betrieben. Die zukünftige Ausgestaltung der Technologie wird zeigen, ob der Fokus tatsächlich auf der Landwirtschaft liegt, oder ob diese nur als Feigenblatt für Stromgewinnung auf Ackerflächen herhalten muss.