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Warum Bioökonomie?

Derzeit ist der Bedarf an Ressourcen zur Aufrechterhaltung unseres Lebensstils größer als unser Planet diese Ressourcen nachschaffen kann. Auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen kann nur verbraucht werden, was von selber wieder nachwächst, oder neu genutzt werden, was nicht mehr gebraucht wird. Es braucht also eine Art zu wirtschaften, die sich an den Prozessen der Natur orientiert, damit die wirtschaftliche Aktivität zum Erhalt und der Restauration der Natur beiträgt, anstatt sie auszubeuten und zu zerstören.

Was ist Bioökonomie?

Bioökonomie bedeutet die Umwandlung des derzeitigen Wirtschaftssystems zu einer auf nachwachsenden Rohstoffen basierten Wirtschaft. Im engeren Sinne geht es dabei um die Gewinnung biobasierter Rohstoffe aus der Land- und Forstwirtschaft oder sonstigen Quellen (Aquakulturen, Insekten, Algen, Hefen, Pilzen, etc.), sowie die Verwertung von biogenen Abfällen und Reststoffen zur Herstellung von Lebens- und Futtermitteln, biobasierten Materialien, Chemikalien und Pharmazeutika und biobasierter Energie sowie um die Entwicklung biologischer Be- und Verarbeitungsprozesse. Im weiteren Sinne bedeutet die Bioökonomie die Loslösung von einer wachstumsorientierten Wirtschaft zu einer nachhaltigen, in Kreisläufen denkenden Wirtschaft, und betrifft alle Rohstofftypen (auch nicht-biogene). Bei diesem Transformationsprozess spielen auch umwelt- und sozialwissenschaftliche Aspekte eine große Rolle.

Wesentliche Elemente der Bioökonomie sind:

  • die Vermeidung fossiler Kohlenstoffquellen und knapper, nicht-nachwachsender Rohstoffe

In der Bioökonomie werden nachwachsende Rohstoffe verwendet, die in der Natur oder unter künstlichen Bedingungen (z.B. Algenfarm) gedeihen. Die daraus gewonnene Biomasse kann direkt als Nahrung, Futtermittel, Baumaterial, (Textil-)Fasern und dergleichen eingesetzt, oder in sogenannten Bioraffinerien zu Zwischenstoffen für die weitere Verarbeitung aufgeschlossen werden.

  • die Kreislauforientierung

Abfall und Reststoffe sind bereits heute wertvolle Ressourcen, aus denen jene Wertstoffe vergleichsweise einfach gewonnen werden können, die ursprünglich unter hohem Aufwand hergestellt oder bergmännisch gefördert werden mussten. Bioökonomische Produkte sind zukünftig langlebig, reparaturfähig und wiederverwendbar. Ausgesonderte Erzeugnisse werden bestmöglich kaskadisch genutzt (z.B. Bauholz - Möbelholz - Pressholz), bevor sie biotechnologisch in ihre molekularen Bestandteile zerlegt und wieder aufgewertet (z.B. durch Bioraffinerien), thermisch verwertet, oder den natürlichen Abbauprozess der Natur rückgeführt werden.

  • die Anerkennung von ökologischen und sozialen Rahmenbedingungen

Auch in einer Kreislaufwirtschaft müssen immer wieder neue Ressourcen in Verkehr gebracht werden. Es kann aus der Natur aber nur so viel entnommen werden, wie diese auch imstande ist von selber wieder nachzuschaffen. Die bisher übliche enge Kopplung von Wirtschaftsleistung und Umweltbelastung muss aufgehoben werden, alte Paradigmen wie der Wachstumszwang sind zu überdenken. An seine Stelle sollen neue Leitbilder wie Suffizienz und immaterieller Wohlstand treten. Dies erfordert jedoch signifikante Verhaltensänderungen auf Angebots- und Nachfrageseite, und ist nicht mit technisch-ökonomischen Maßnahmen alleine möglich, sondern verlangt nach einer umfassenden gesellschaftlichen Transformation in eine faire und nachhaltige Wirtschaft.

Die Genese der Bioökonomie

"Bioökonomie" ist ein Wort, das bereits in den 1970ern für ein Wirtschaftssystem verwendet wurde, das sich mit dem biologischen Ursprung wirtschaftlicher Prozesse in Verbindung mit der begrenzten Menge an verfügbaren Rohstoffen beschäftigt. In den letzten Jahrzehnten sind viele weitere Definitionen hinzugekommen, die entweder zum Ziel haben fossile Brennstoffe zu ersetzen, oder die Verwendung von überwiegend erneuerbaren Rohstoffen generell betreffen. Seit der Jahrtausendwende hat sich dabei eine große Vielfalt an Interpretations- und Umsetzungsmöglichkeiten zwischen agrarökologischen Suffizienzbewegungen und kapitalistischer Biotechnologie entwickelt.

Auf politischer Ebene wurden bestehende Wirtschaftsparadigmen weitgehend übernommen und Bioökonomiestrategien verfolgen daher in der Regel einen wachstumsorientierten Substitutionspfad, in dem fossile Rohstoffe einfach durch biogene ersetzt werden. Diese Strategien sind höchst einflussreich, und beinhalten supranationale Entwicklungsstrategien (zb. die EU Bioökonomiestrategie), nationale Umsetzungspläne (zb. die österreichischen "Leuchttürme der Bioökonomie"), sowie zahlreiche Förderschienen zur raschen Entwicklung einer biobasierten Wirtschaft mit biobasierten Produkten. Diese neuen Produkte sind im Vergleich zu den fossil-basierten Produkten zwar weniger umweltschädlich, die nichtsdestotrotz absoluten biophysischen Grenzen dieses "business as usual" werden von politischen Strategien aber üblicherweise ausgespart.

Diese Grenzen werden bislang nur von der Wissenschaft und Nichtregierungsorganisationen wahrgenommen: Die spätestens seit den 1970ern bekannten absoluten Grenzen des Wachstums ("Limits to Growth") wurden seither in unzähligen Studien bestätigt, fordern aber ein radikales Umschwenken in der Wirtschaftspolitik auf weniger materiellen und energetischen Verbrauch. Damit einher geht ein kultureller Wandel hin zu immaterieller Lebensqualität, bedeutet für eine effizientere Produktion und Verarbeitung also nicht nur einen physischen Gesamtumbau der linearen Produktionsketten in kreislauforientierte Wertschöpfungsnetzwerke, sondern bedeutet auch radikale gesamtgesellschaftliche Veränderungen, die von einer Abkehr extensiver Siedlungspolitik und ressourcenintensiver Konsummuster (Lebensstil), über wagemutige Arbeitsmarktpolitik und flexible (Aus)Bildungsysteme, bis hin zu grundsätzlichen Fragen der Verteilungsgerechtigkeit und persönlichen Werthaltungen reichen.

Die Bioökonomie ist damit weit mehr als die oftmals nur eng gefasste Interpretation von "biobasierten Produkten", sondern verdeutlicht die enge Verquickung der Wirtschaft mit Gesellschaft und Natur. Eine solche gesamtheitliche Betrachtung der größeren Zusammenhänge führt zu einer zielgerichteten Forschung, die eine Transformation in eine nachhaltige Gesellschaft nicht nur ermöglicht, sondern auch unterstützt. Dieses bislang umfangreichste Verständnis der Bioökonomie wird am Zentrum für Bioökonomie als Transformative Bioökonomie entwickelt.

 

 

SDGs & Bioökonomie

Um die globale Gesellschaft auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Ebene in Richtung Nachhaltigkeit umzugestalten wurden von den Vereinten Nationen 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) aufgestellt. Österreich hat sich im Jahr 2016 zu den SDGs (UN-Agenda 2030) bekannt und sich verpflichtet, diese Prinzipien umzusetzen. Die BOKU als führende Nachhaltigkeitsuniversität widmet sich mit ihren Kompetenzfeldern und Schwerpunkten speziell diesen wichtigen Zukunftsthemen und die SDGs bilden dazu die strategische Ausrichtung für die zukünftige Entwicklung. Viele dieser Ziele haben große Überschneidungen mit der Transformativen Bioökonomie.

  • Ziel 1 - Keine Armut: Eine nachhaltige Bioökonomie hat jeglichen Mangel für die Weltbevölkerung behoben. Die Deckung der Grundbedürfnisse aller Menschen, iS. einer Verteilung knapper Ressourcen an eine möglichst große Zahl an Begünstigten ist eine grundsätzliche ökonomische Frage. In diesem Sinne, als grundsätzliche Leistung einer fairen und gerechten Wirtschaft, sind auch der Zugang zu Sauberem Wasser und Sanitäreinrichtungen (Ziel 6) zu verstehen, und Gesundheit und Wohlergehen (Ziel 3) einzuordnen. Geschlechter- und generelle Gerechtigkeit und Beseitigung von Ungleichheiten (Ziele 5 und 10) werden in in der Transformativen Bioökonomie als unabdingliche Grundlage einer nachhaltigen Gesellschaft betrachtet.
  • Ziel 2 - Kein Hunger:  Selbst die enger gefassten Definitionen der Bioökonomie sehen in der agrarischen Urproduktion eine Kernkompetenz. Im Sinne der Bioökonomie sind saisonale und regionale pflanzliche Produkte zu bevorzugen. Innovationspotential gibt es in der Bioökonomie bei alternativen Lebensmitteln (zb. in Europa noch unübliche alternative, nachhaltige Eiweißquellen wie etwa Insekten) - sowohl für Mensch als auch Tier.
  • Ziel 4 - Hochwertige Bildung: Synergien mit der Bioökonomie ergeben sich vor allem in Bezug auf transformative Nachhaltigkeitsbildung.
  • Ziel 7 - Bezahlbare und saubere Energie: Die Bioökonomie tritt für eine global gerechte Versorgung mit Energie ein. Unter Berücksichtigung der physikalischen Grundsätze der Entropie und des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs sollten sowohl die Verbrennung von fossilen Energieträgern als auch die Verbrennung von Biomasse eine Nebenrolle in der Energieversorgung der Zukunft spielen. In einer nachhaltigen Bioökonomie sollten folgende erneuerbare Energiequellen in Kombination mit einer dezentralen Versorgungsinfrastruktur priorisiert werden: Sonne, Wasser, Wind, Geothermie.
  • Die Transformative Bioökonomie ermöglicht nicht nur menschenwürdige, sondern vor allem sinnstiftende Arbeit. Sie spricht sich aber klar gegen Wirtschaftswachstum als Ziel aus (SDG 8).
  • Ziel 9 - Industrie, Innovation, und Infrastruktur: Technologie ist generell das Rückgrat einer modernen Gesellschaft. Ihr nachhaltiger Einsatz steht und fällt mit einem verantwortungsvollen Umgang
  • Ziel 11 "Nachhaltige Städte und Gemeinden": der Flächennutzungsdruck bzw. die verschiedenen Zielkonflikte einerseits durch Infrastruktur- und Siedlungsbau und andererseits durch Nahrungsmittel- und Rohstoffproduktion spiegeln sich auch in der Bioökonomie wider und stellen uns vor große Herausforderungen in der Zukunft. Im Sinne der Bioökonomie geht es jedoch um einen verantwortungsvollen Umgang mit Grund und Boden und um den Erhalt der biologischen Vielfalt. Beispiel: Urban Gardening, Biolandbau, koordinierte Raumplanungspolitik
  • Ziel 12 Nachhaltige/r Konsum und Produktion bedeutet in der Bioökonomie vor allem eine Reduktion des Ressourcenverbrauchs durch Konsumverhalten, das an die planetaren Grenzen angepasst ist. Weil weder in der traditionellen noch in einer biobasierten Wirtschaft die Menge an verfügbaren Rohstoffen für die Erhaltung des heutigen Konsumniveaus ausreicht, ist nachhaltiger Konsum vor allem "Nicht-Konsum" materieller Güter und eine sorgfältige Auswahl jener Güter, die tatsächlich genutzt werden. Nachhaltiger Konsum bedeutet in der Transformativen Bioökonomie Zufriedenheit mit Weniger, oder zumindest mit Bestehendem, und das Gegenteil von Exzess. Andere, politisch oft negativ besetzt Bezeichnungen hierfür sind Genügsamkeit, Frugalität, und Suffizienz.
  • Ziel 13 Maßnahmen zum Klimaschutz: in der Transformativen Bioökonomie ist Klimaschutz durch ihre Kreislauforientierung, kaskadische Ressourcennutzung, und den Suffizienzgedanken programmatisch. Alles Handeln orientiert sich an der funktionalen Integration der menschlichen Wirtschaft in die nicht-menschliche Umwelt, so dass diese in ihrer Selbstregulierung unterstützt oder zumindest nicht gestört wird. Das beinhaltet den Schutz und Wiederherstellung aquatischer (Ziel 14) und terrestrischer (Ziel 15) Ökosysteme.
  • Ein zentrales Paradigma in der Transformativen Bioökonomie ist das aus der biologischen Symbiose abgeleitete Prinzip der Kooperation: Gemeinsame Partnerschaften (Ziel 17) sind unerlässlich für Friede und Gerechtigkeit (Ziel 16).
  • Holzhaus als erstes Element in einer langen Kette kaskadischer Nutzungsmöglichkeiten