BOKU Bioökonomieverständnis
Was ist die Bioökonomie?
Die Bioökonomie ist als möglicher Weg in eine postfossile Zukunft ebenso unumstritten, wie das Bewusstsein, dass auf diesem Weg große Herausforderungen zu bewältigen sind. Unklarheiten herrschen allerdings generell darüber, inwieweit dafür in die bestehenden Verhältnisse eingegriffen werden muss, also wie groß und tiefgreifend die Herausforderungen sind.
Einerseits wird argumentiert, dass der Ersatz von nicht-erneuerbaren durch erneuerbare Ressourcen die Nachhaltigkeitsprobleme grundsätzlich lösen würde, andererseits wird eingewandt, dass für diesen Zweck nicht ausreichend erneuerbare Ressourcen vorhanden sind. Hierbei werden wiederum die Potentiale des technologischen Fortschritts und die Ressourcenverteilung über freie Märkte gegen die absoluten Grenzen des Wachstums und den Fußabdruck des persönlichen Lebensstils abgewogen, und damit letztendlich auf eine Debatte verwiesen, die über den richtigen Einsatz knapper Ressourcen entscheidet. Neben den natur- und ingenieurwissenschaftlichen Aspekten lebt die Bioökonomie daher auch als fortlaufender, normativer Diskurs, in dem Werte neu verhandelt, und über den richtigen und verantwortungsvollen Einsatz von Technologie und Ressourcen diskutiert wird.
Das BOKU Bioökonomieverständnis
Das Thema Bioökonomie beschäftigt die BOKU bereits seit vielen Jahren, sowohl implizit seit Anbeginn (Forst- und Agrarwirtschaft sind Kernelemente der Bioökonomie, die Bodenkultur gewissermaßen ihre Grundlage), als auch explizit seit den 2010er Jahren, als das Thema von mehreren wissenschaftlichen Initiativen aufgegriffen wurde, und Einzug in den BOKU Entwicklungsplan 2015 hielt. Inter- & später auch nationale politische Rahmenbedingungen (insbes. die EU Bioökonomiestrategie 2012/2018, und die Österreichische Bioökonomiestrategie 2019) boten der Universität die Möglichkeit, sich in diesem Bereich als Vorreiterin zu positionieren.
Infolgedessen beschäftigte sich die Ethikplattform ausgiebig mit den vielschichtigen Bedeutungen des Begriffs, und macht mit einer Reihe von Veranstaltungen, und 2017 mit einem Papier für „Ziele und Kriterien für die Bioökonomie“ auf die ökologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Bioökonomie aufmerksam. Die darauffolgenden Entwicklungspläne und Leistungsvereinbarungen wiesen konsequenterweise auf die Risiken einer zu eng gefassten Bioökonomie hin, und vereinbaren eine stärkere Berücksichtigung der gesellschaftlichen Einbettung der Bioökonomie, sowie die Förderung dafür relevanter Forschung.
Im Jahr 2024 wird der normative Diskurs vom 2019 gegründeten Zentrum für Bioökonomie erneut explizit geführt, und unterzieht die Absichtserklärungen einer entsprechenden Prüfung: In enger Abstimmung mit der Arbeitsgruppe Bioökonomie der Ethikplattform werden aktuelle Entwicklungen an der BOKU und der Stand des internationalen wissenschaftlichen Bioökonomiediskurses zu einem Dokument verdichtet, das alle Angehörigen der BOKU als "BOKU Bioökonomieverständnis" zur aktiven Teilnahme am Diskurs einlädt. Mit Ausnahme einer abweichenden Meinung erfährt der Entwurf in den Rückmeldungen breite Zustimmung.
Wofür braucht es ein solches Verständnis?
Abgeleitet aus einer wissenschaftliche Analyse über die Umweltauswirkungen wirtschaftlicher Aktivität war die Bioökonomie ursprünglich als Entwurf für eine Postwachstumsgesellschaft gedacht. Seit der Jahrtausendwende hat die Bioökonomie als politisches Projekt Fahrt aufgenommen, wird als solches jedoch als Wachstumsmotor für die Wirtschaft kommuniziert. Zwischen diesen beiden Ansätzen spannt sich nun ein breites Feld an Interpretationsmöglichkeiten der Bioökonomie auf, in dem sich teils widersprüchliche Umsetzungspfade entwickeln. Das BOKU Bioökonomieverständnis erfüllt in diesem Feld mehrere Funktionen:
- Es initiiert und katalysiert einen partizipativen Diskurs, und
- wirkt damit bewusstseinsbildend bei Forschenden, Lehrenden, und Studierenden.
- Ein gemeinsames Verständnis unterstützt kontinuierlich arbeitsfähige und vernetzte Strukturen, und
- ermöglicht die Überprüfung von Forschungszielsetzungen.
- Es bietet einen Orientierungspunkt für Forschung und Lehre, und
- ist Grundlage für strategische Entscheidungen bei Verwaltung und Leitung der Universität.
- Das BOKU Bioökonomieverständnis setzt richtungsweisende Impulse in der wissenschaftlichen Gemeinschaft,
- katalysiert die Entwicklung einer nachhaltigen Bioökonomie,
- und trägt zu einer verantwortungsvollen Forschung bei.
Mit der Weiterentwicklung des Diskurs
- kann die in den strategischen Papieren vollzogene Begriffsveränderung in der gesamten BOKU ankommen
- ein moderierter und dokumentierter Prozess die Ergebnisse mit verwandten Prozessen harmonisieren , und
- damit die strategischen Vorhaben der Universität effektiv umsetzen, so dass sie ihrem gesellschaftlichen Auftrag als Universität des Lebens besser gerecht wird
Das BOKU Bioökonomieverständnis dient als Orientierungshilfe, um Forschung, Lehre und Entwicklung zu verorten, und schafft eine interdisziplinäre Kommunikationsbasis, deren Erarbeitung selbst bereits dazu beiträgt, die Bioökonomie greifbar und verständlich zu machen, und für das eigene Anwendungsgebiet zu erschließen. Es soll die Angehörigen der BOKU dazu anregen, sich mit der Bioökonomie und ihrer Relevanz für den eigenen Arbeits- und Studienbereich, bzw. dessen Relevanz für die Bioökonomie, zu beschäftigen.