107. ZUG-Minisymposium, 15.5.2025
Als Bergbau noch nachhaltig war?
Ressourcenmanagement als Fall für eine angewandte Geschichtswissenschaft
Präsentation:
Sebastian Felten, Sebastian Leitner
Institut für Geschichte, Universität Wien
Moderation:
Simone Gingrich
Zentrum für Umweltgeschichte, Institut für Soziale Ökologie, BOKU University
Time / Zeit: Donnerstag, 15.5.2025, 18:15
Place / Ort: BOKU University | Standort Schottenfeldgasse 29, 1070 Wien, SR 3a
Im Kontext der gegenwärtigen Klimakrise sind Diskussionen über einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen omnipräsent, aber widersprüchlich, sodass die Suche nach Lösungen oft in politischen Pattsituationen endet. Die Mittelalterhistorikerin Annette Kehnel (2021) sieht den Grund darin, dass die Narrative festgefahren sind und schlägt vor im Sinne einer angewandten Geschichtswissenschaft, Inspiration für neue politische Erzählungen in der Vergangenheit zu suchen. Der historische Bergbau eignet sich nur bedingt als Inspirationsquelle für den Umgang mit Ressourcen, da er schon im 16. Jahrhundert als hochtechnisiert und ausbeuterisch galt und seine Altlasten teils noch heute Menschen und Umwelt schädigen. Er wird von Kehnel dementsprechend auch nicht weiter thematisiert.
Der Bergbau im frühneuzeitlichen Europa war in der Tat sehr ambivalent. Einerseits gilt er mit Schichtarbeit, Aktienkapital und neuer Sprengtechnik als Labor für die industrialisierte Moderne, andererseits blieb er in agrarische Gesellschaften und deren Normen und Praktiken eingebettet. Einerseits betrieben involvierte Akteure profitorientierte Zweckrationalisierung, andererseits orientierten sie sich an magisch-religiösen Vorstellungen und am Gemeinwohl. Gerade wegen dieser Ambivalenz – so unsere These – kann die Beschäftigung mit dem frühneuzeitlichen Bergbau zu neuen politischen Narrativen führen.
Unser Vortrag verbindet ideen- und praxisgeschichtliche Ansätze und arbeitet sowohl Konzepte der „bergmännischen Nachhaltigkeit“ als auch konkreten Praktiken des Ressourcenmanagements im Erzgebirge und Niederungarn (heute: Mittelslowakei) heraus. Wir analysieren hierfür Quellen aus dem Umfeld der kursächsischen und habsburgischen Bergbauadministration. Die herausgearbeiteten Ambivalenzen sollen der Auftakt für eine Diskussion mit den Teilnehmenden sein, inwiefern sich der historische Bergbau als Fall für eine angewandte Geschichtswissenschaft eignet.
Sebastian Felten (PhD, King’s College London) ist Historiker mit Schwerpunkt auf Wissenschaft, Finanz und Bürokratie im neuzeitlichen Europa und seit 2023 Tenure-Track-Professor für Wissenschaftsgeschichte der Frühen Neuzeit am Institut für Geschichte sowie PI des ERC-Projekt SCARCE . Jüngere Publikationen umfassen eine Monographie zum Geldsystem vor Nationalwährungen (Money in the Dutch Republic: Everyday Practice and Circuits of Exchange, Cambridge 2022) und die Herausgabe einer Essaysammlung zu vormodernen Ressourcen (Sebastian Felten und Renée Raphael, Hrsg., „Resources in the Early Modern World“, Isis 114:3 (2023): 599–645).
Sebastian Leitner: Doktorand der Geschichtswissenschaft an der Universität Wien und Mitarbeitender des ERC-Projekts SCARCE. Seine Forschung bewegt sich an der Schnittstelle von Wirtschafts-, Sozial-, und Umweltgeschichte der Vormoderne. Er untersucht in seinem Dissertationsvorhaben Praktiken im Zusammenhang des Ressourcenmanagements in frühneuzeitlichen Bergbaugebieten. Besonderes Interesse gilt der „nachhaltigen“ Organisation von Energieressourcen für Bergwerke und Schmelzhütten (vor allem Wasser, Holz und Holzkohle) und die Konflikte, die darum entstanden.
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Wenn Sie nicht persönlich am ZUG-Minisymposium teilnehmen können, gibt es auch die Möglichkeit, die Veranstaltung per Zoom mitzuverfolgen. Bei Interesse kontaktieren Sie bitte umweltgeschichte(at)boku.ac.at .