Der dramatische Rückgang der Biodiversität ist neben dem menschengemachten Klimawandel eines der wichtigsten globalen Umweltprobleme. In Europa sind mehr als zwei Drittel der Biodiversität und Ökosysteme in schlechtem Erhaltungszustand. Die Gründe für den Biodiversitätsrückgang sind vielschichtig, aber Lebensraumverlust, Landschaftsveränderungen, die Art der Landnutzung, Neobiota und Auswirkungen des Klimawandels zählen zu den wichtigsten Einflussfaktoren. Meistens beruhen die dokumentierten und prognostizierten Veränderungen der Biodiversität auf Beobachtungen von Organismen, die nicht im Boden leben. Unsere Kenntnisse zur Situation der Bodenorganismen ist sehr dürftig, obwohl der Boden wohl über 50% aller Arten beherbergt und zu den artenreichsten Lebensräumen weltweit zählt (Anthony et al., 2023) und auch im Fokus einer der fünf EU-Missionen steht (European Commission, 2022).

Im anvisierten Projekt, BodenBiodiv, soll schwerpunktmäßig die unterirdische Biodiversität in der offenen Kulturlandschaften Österreichs repräsentativ auf 200 Testflächen erhoben werden. Die offene Kulturlandschaft umfasst die Gesamtheit der landwirtschaftlichen Nutzfläche, die sich außerhalb von geschlossenen Waldbeständen, Siedlungs- und Verkehrsflächen, Wasserflächen und vegetationsfreien bzw. -armen Naturlandschaften befindet. In Österreich sind mehrere Biodiversitätsmonitorings zu verschiedenen Organismen und Ökosystemen implementiert. Zu den umfangreichsten Biodiversitätsmonitoring-Projekten zählen BINATS (Biodiversity-Nature-Safety) (Pascher et al., 2020) und ÖBM-K (Österreichisches Biodiversitätsmonitoring der Kulturlandschaft) (Schindler et al., 2021) bei denen Biotope, Gefäßpflanzen, Heuschrecken, Tagfalter und Wildbienen erhoben werden. In Österreich, so wie in den meisten anderen europäischen Ländern auch, fehlt jedoch ein systematisches Monitoring der Biodiversität von Bodenorganismen, wie zum Beispiel Regenwürmern (Lumbricidae). Regenwürmer gelten als Ökosystemingenieure und wichtige Ökosystemdienstleister. Sie tragen durch die Zersetzung organischer Substanz maßgeblich zur Bodenfruchtbarkeit bei und verbessern durch ihre Gangsysteme den Gas- und Wasserhaushalt. Regenwürmer stellen eine Nahrungsgrundlage für Wirbeltiere dar, Gangsysteme und Regenwurmhäufchen stellen Habitate für Arthropoden dar, und Regenwürmer können auch die Diversität von Pflanzengemeinschaften beeinflussen. Für Österreich ist bis dato jedoch nicht bekannt, welche Regenwurmarten wo und in welchen Abundanzen und Biomassen in der offenen Kulturlandschaft vorkommen, und welche Faktoren die Regenwurmdiversität beeinflussen.

Regenwürmer spielen vorallen in gemäßigten Klimaregionen eine wichtige Rolle für eine Vielzahl von Ökosystemleistungen wie biogeochemische Stoffkreisläufe, den Umsatz organischer Substanzen und der Pflanzenproduktivität (Abb. 1).

Abb. 1: Schema der vielfältigen Interaktionen zwischen Regenwürmern und abiotischen und biotischen Ökosystemkomponenten. Regenwürmer sind andererseits auch stark von der Intensität der Landnutzung, Bodencharakteristika und klimatischen Gegebenheiten beeinflusst. Schema: R. Murugan

Neue Studien haben gezeigt, dass die Regenwurmabundanz in England in den letzten 25 Jahren um etwa 37% abgenommen hat (Barnes et al., 2023).

BodenBiodiv erstellt eine österreichweite Bestandsaufnahme zur Gefährdung der Regenwurmdiversität, eine Datenbank und eine quantitative Analyse der Einflussfaktoren unter verschiedenen Landnutzungs- und pedoklimatischen Bedingungen im offenen Kulturland in Österreich. Durch die Erstellung eines sehr umfassenden Datensatzes aus verschiedenen klimatischen Regionen in Österreich erlaubt BodenBiodiv auch eine Abschätzung der Klimawandelfolgen aus der Sicht der Bodenorganismen. Darüber hinaus werden Synergien mit bestehenden Biodiversitätsmonitorings ermöglicht, indem Interaktionen zwischen unterirdischer und oberirdischer Biodiversität auf den Testflächen analysiert werden können. Damit kommt BodenBiodiv nicht nur im nationalen, sondern auch im europäischen Kontext große naturschutzfachliche und wissenschaftliche Bedeutung zu.