Johannes Grillari folgt Heinz Redl
Am Ludwig Boltzmann Institut für Experimentelle und Klinische Traumatologie (kurz LBI Trauma), der zentralen Trauma-Forschungseinrichtung der AUVA, wird seit Jahrzehnten daran geforscht, wie die Behandlung von Patienten nach Unfallverletzungen noch weiter verbessert werden kann. Von der Blutstillung bei Schwerstverletzten über die Entwicklung neuer Diagnoseverfahren bis hin zur Regeneration von geschädigtem Gewebe – die hier gewonnenen Erkenntnisse helfen bei Behandlungen an österreichischen Unfallkliniken und finden auch international ihre Anwendung.
Zwischen der BOKU und dem LBI Trauma gibt es schon seit Jahren zahlreiche Kooperationen, unter anderem sind beide Institutionen Mitglied der Platform for Advanced Cellular Therapies (PACT) und im Austrian Cluster for Tissue Regeneration - ganz nach dem berühmten Spruch von Claude Bernard, „Art is I, Science is We.“, der an der Tür zum LBI Trauma zu lesen ist. Nun kommt noch eine weitere Verbindung hinzu: Heinz Redl trat nach über 20 Jahren von seiner Funktion als Institutsleiter des LBI Trauma zurück und Johannes Grillari wurde auf diesen Posten berufen, den er mit Anfang April nun besetzt. Johannes Grillari leitet derzeit das Christian Doppler Labor für Biotechnologie der Hautalterung am Department für Biotechnologie (DBT) der BOKU, wo er seit 2010 auch als assoziierter Professor tätig ist.
Mit mehr als 550 Publikationen und 26.000 Zitierungen, zahlreichen Auszeichnungen, und dem EU-Vorsitz der Tissue Engineering and Regenerative Medicine International Society hat Redl die Latte für seinen Nachfolger hoch gelegt. Doch Grillari ist bestens dafür geeignet, in seine Fußstapfen zu treten, gilt er doch bereits jetzt als führend auf dem Gebiet der der extrazellulären Vesikel, die derzeit aufgrund ihrer Rolle in der Zell-Zell Kommunikation große Beachtung finden. Gemeinsam mit seinem Team beschrieb er 2010 weltweit erstmals die Rolle zirkulierender miRNAs (kurze nicht-kodierende RNA Moleküle) bei der Prognose altersassoziierter Erkrankungen wie etwa Osteoporose. Mit dem LBI Trauma kooperierte Grillari schon in zahlreichen Projekten, in der beispielsweise die Rolle von miRNAs bei stammzellbasierten Therapien oder extrakorporaler Stoßwellbehandlung erforscht wurde. Die erste gemeinsame Publikation erschien bereits 2009 und beschrieb die Entwicklung einer immortalisierten Zelllinie aus humanen Fettstammzellen, die als Modellsystem, aber in weiterer Folge auch zur Produktion von extrazellulären Vesikeln für die Therapie verschiedenster Erkrankungen verwendet werden kann.
An der Tür zum LBI Trauma befindet sich übrigens noch ein weiteres Zitat, es stammt von Niels Bohr: „Wer wirklich Neues entdecken will, kann gar nicht verrückt genug sein.“ Das scheinen sich die Wissenschaftler auch zu Herzen zu nehmen. Ein neuartiges Kreuzband aus Seide machte bereits Schlagzeilen, ebenso die Erforschung von neuen Bioklebstoffen, ein gemeinsames Projekt mit der MedUni Wien. Generell nimmt man sich gerne die Natur zum Vorbild, wie auch das neueste Projekt im Bereich Knorpelregeneration zeigt: Da sich Gelenksknorpel nach dem Entfernen der Zellen (eine Voraussetzung für die Verwendung von fremdem Spendermaterial) nicht ausreichend wiederbesiedeln lässt, wurde kurzerhand auf Rinderohren umgestiegen, deren Knorpel für die Zellen besser zugänglich und obendrein noch als Abfallprodukt nahezu unbegrenzt verfügbar ist. Nicht zuletzt wird auch auf die Anregung der körpereigenen Reaktion gesetzt, beispielsweise durch die Stoßwellenbehandlung nach Rückenmarksverletzungen oder Photobiomodulation („Licht-Therapie“) zur Förderung der Wundheilung – beides wird bereits in der Klinik getestet und liefert vielversprechende Ergebnisse. Dass Dr. Grillari sich mit unkonventionellen Lösungsansätzen auskennt, hat er bereits bewiesen: unter anderem beschrieb er gemeinsam mit seiner Frau Regina, ebenfalls international anerkannte Wissenschaftlerin des DBT and der BOKU und derzeit bei der von ihr mitgegründeten Firma Evercyte GmbH tätig, weltweit erstmals die Gewinnung von induzierten pluripotenten Stammzellen aus Urin. Eine solche vollkommen nicht-invasive Methode zur Gewinnung dieser Zellen könnte zukünftig eine der wichtigsten Grundlagen für die Geweberegeneration und die Herstellung von Implantaten darstellen.