Erholung im Freien zu Covid-Zeiten: Neues Verständnis von Herdenimmunität durch soziales Verhalten notwendig
Die Bestimmungen der COVID-19-Verordnung lösten bei vielen Menschen eine Unsicherheit darüber aus, welche Freizeitaktivitäten erlaubt sind und welche nicht. „Manche Maßnahmen der vergangenen Wochen waren aus der fachlichen Sicht der Erholungsplanung nicht optimal: Das Schließen von Parkanlagen oder das Sperren von Parkplätzen führt zu einer Verlagerung des Nutzungsdrucks und damit zu einer höheren Besucherkonzentration in den noch geöffneten Freiräumen. Jede Grün- und Freifläche im Wohnumfeld ist in der aktuellen Situation wichtig, besonders für Menschen, die kein Auto besitzen. Neben Parkanlagen könnten auch geeignete Brachflächen und Baulücken für die Bevölkerung zugänglich gemacht werden. Weiters sollten Haushalte, die über eigene Verkehrsmittel verfügen, Erholungsgebiete weiter weg vom Wohnort aufsuchen können, um innerstädtische Freiräume zu entlasten“, schlägt Christiane Brandenburg, Leiterin des Instituts für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung an der BOKU, vor.
„Erholung im Freien ist äußerst wichtig für die physische und psychische Gesundheit der Bevölkerung. Dies gilt insbesondere in Zeiten erhöhter sozialer Belastungen durch räumliche Enge“, pflichtet auch Hans-Peter Hutter vom Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien bei. Dies belegt eine Literaturanalyse von 180 Forschungsarbeiten zur gesundheitlichen Wirkung des Aufenthaltes im Wald, welche die Medizinische Universität Wien gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur und initiiert vom Bundesforschungszentrum für Wald durchführte.
Im Sommer wird es heiß hergehen
Aktuelle Ankündigungen zu Regelungen für einzelne sportlichen Aktivitäten haben für Teilbereiche eine Klärung gebracht. Auch nach der gegen Ende April zu erwartenden weiteren Lockerung der Ausgangsbeschränkungen wird es notwendig sein, entsprechende Lenkungsmaßnahmen für die Erholungsnutzung im Freien vorzusehen, um einerseits kritische Konzentrationen von Erholungssuchenden zu vermeiden, andererseits aber möglichst viele Erholungs- und Sportaktivitäten zu ermöglichen. Als besonders heikle Zonen in den kommenden Monaten gelten Uferbereiche an Seen und Flüssen, aber auch alle anderen Grünflächen, die Abkühlungsmöglichkeiten in und von der Hitzeinsel der Stadt bieten. Die wärmere Jahreszeit führt vor allem für die städtische Bevölkerung zu gesundheitlichen Belastungen. Wie jedes Jahr werden auch heuer ältere Menschen einem erhöhten hitzebedingten Mortalitätsrisiko ausgesetzt sein.
Vorausschauende Besucherlenkungskonzepte für konkrete Erholungsgebiete können dazu beitragen, Nutzungskonflikte und Ansteckungsrisiken zu verringern. Arne Arnberger von der BOKU regt an, Schlüsselakteure der Erholungsnutzung rasch und umfassend dazu einzubinden. Dazu zählen Verwaltungsbehörden, Sportvereine, alpine Vereine, Seniorenvereine ebenso wie MigrantInnenvereine, um über deren Kommunikationswege möglichst viele Erholungssuchende zu erreichen und sie zu einem verantwortungsbewussten Verhalten zu gewinnen.
Schutzmaskenpflicht für Nudisten?
Es wird sicher nicht möglich sein, alle Formen der Freiraumnutzung zu Covid-Zeiten bis ins Detail durch Rechtsvorschriften zu regeln. Die kuriosen Diskussionen um die Anwendung der Schutzmaskenpflicht für Nudisten in Tschechien zeigen, wie vielschichtig dieses Thema ist. Umso wichtiger sind gute Kommunikationsstrategien. „Die Hoffnung auf Herdenimmunität durch rasche symptomlose Infektion großer Bevölkerungsteile ist nicht aufgegangen. Herdenimmunität durch Impfung werden wir nicht so bald erreichen“, betont Andreas Muhar von der BOKU und fordert daher: „eine indirekte Herdenimmunität durch verantwortungsbewusstes soziales Verhalten: Das Verständnis einer breiten Mehrheit der Bevölkerung über die Wichtigkeit von sozialer Distanz gerade auch bei Aktivitäten im Freien, die gerne in Gruppen unternommen werden.“