Österreichischer Biodiversitätsrat legt Perspektivenpapier an die Bundesregierung vor
Ein Alarmzeichen für die österreichische Umweltkrise ist der sich ungebremst verschlechternde Zustand der biologischen Vielfalt. Auf kurz oder lang führt der Artenrückgang zu massiven Risiken für unser Wohlergehen und unsere Gesundheit.
„Menschliche Eingriffe in die natürliche Umwelt führen oft zu einem Verlust der Artenvielfalt. Eine entscheidende Rolle spielt dabei Landnutzung (z. B. Land-, Forst- und Bauwirtschaft). Veränderte Landnutzung reduziert - manchmal erst nach Jahren - deutlich die Biodiversität. Es braucht dringend Maßnahmen, die eine sozial-ökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft stützen und wieder eine Erhöhung der biologischen Vielfalt einleiten - nur so können wir unsere Lebensgrundlage schützen“, so Veronika Gaube vom Institut für Soziale Ökologie an der BOKU.
„Der Verlust der Artenvielfalt bedeutet einen Rückgang natürlicher Ressourcen. Wir sehen diese dramatischen Veränderungen auch an unseren Gewässern und nur mehr ein kleiner Teil österreichischer Fließgewässer ist intakt. Dieses Problem betrifft nicht einzelne Staaten, sondern ist von globaler Dimension. Entsprechend fordert es entschlossenes nationales Vorgehen und internationale Zusammenarbeit, um unseren Planeten und seine Lebewelt zu retten“, betont Thomas Hein, Leiter des Instituts für Hydrobiologie und Gewässermanagement an der BOKU.
Zügige Umsetzung von Ankündigungen im Regierungsprogramm
Die aktuelle österreichische Bundesregierung übernimmt, so die Vertreter*innen des Biodiversitätsrats, in ihrem Regierungsprogramm explizit Verantwortung für die Biodiversität und plant erste wichtige Maßnahmen für den Erhalt der Biodiversität in Österreich. Diese Maßnahmen müssten nun jedoch zum Wohle der Zukunft Österreichs auch unter der Corona-bedingten Budgetsituation ambitioniert umgesetzt werden. Deshalb fordert der Österreichische Biodiversitätsrat die Politik auf, die Bekämpfung der Corona-Krise zum Anlass zu nehmen, eine ökologische und gesellschaftliche Transformation einzuleiten. Dafür müssen neue Maßstäbe gesetzt werden und neue politische Perspektiven insbesondere in folgenden Bereichen entwickelt werden:
• Eine neue Perspektive auf Landverbrauch und -nutzung: Die Landnutzung in Österreich muss Biodiversität nachweislich sichern und fördern, anstatt sie zu vernichten. Eine flächendeckende ökologische Infrastruktur mit mindestens 10 % Vorrangflächen für die Natur muss strategisch geplant und zügig ausgebaut werden.
• Eine neue Perspektive auf unser Wirtschafts- und Steuersystem: Rasche und umfassende Umsetzung einer sozial-ökologischen Steuerreform mit dem Ziel, Klima- und Biodiversitätsschutz gemeinsam und gleichrangig zu fördern. Die Auswirkungen von Investitionen und Gesetzen auf die Biodiversität müssen kontinuierlich abgebildet und überprüft werden. Dotierung des nationalen Biodiversitätsfonds mit 1 Milliarde Euro.
• Eine neue Perspektive auf Bildung: Das Lehrangebot an österreichischen Schulen und Universitäten für ein Verständnis der Zusammenhänge zwischen Ökologie und Wirtschaft steigern. Die Biodiversitätsforschung und diesbezügliche Forschungseinrichtungen und Fachhochschulen ausbauen und fördern.
• Eine neue Perspektive auf den Wert der Natur an sich und für uns Menschen: Der ökologische Wert der Natur muss auch ökonomisch bewertet und in gesellschaftlichen Abwägungsentscheidungen berücksichtigt werden, damit die Folgen aus der Förderung der Biodiversität und von nachhaltigem Handeln besser sichtbar werden. Darüber hinaus hat die Biodiversität einen intrinsischen Wert, der die Umsetzung von Umweltpolitik anleiten sollte.
Insgesamt zeigen sich die Vertreter*innen des Biodiversitätsrats überzeugt, dass Österreich jetzt auch zur Einleitung des Transformationsprozesses hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft bereit sei. Nur ein rasches zukunftstaugliches Handeln könne die gravierenden Auswirkungen der Umweltkrise verhindern und einen sozialen Ausgleich gewährleisten. Der Wissenschaft komme hierbei eine besondere Bedeutung zu und sie solle im Sinne evidenz-basierter Politik in die entsprechende Ausarbeitung von Maßnahmen sowie in die Prozessbegleitung eingebunden werden.
Der Österreichische Biodiversitätsrat Österreich
Der 22-köpfige unabhängige Biodiversitätsrat wurde 2019 aus dem Netzwerk Biodiversität Österreich heraus gegründet. Das Netzwerk Biodiversität Österreich versteht sich als Open Community, interdisziplinär für die unterschiedlichsten Fachdisziplinen und transdisziplinär für Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Wirtschaft, NGOs und Zivilgesellschaft. Gemeinsames Ziel ist die Stärkung der Biodiversität und deren Ökosystemleistungen in Österreich.
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