BOKU trauert um em.O.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. Gerhard STOLITZKA
Anlässlich seines 75.Geburtstags lüftete ein ehemaliger Universitätsmitarbeiter das Geheimnis, wie Gerhard Stolitzka seine vielfältigen Aktivitäten körperlich schafft: „Stolitzka hat zwei Kreisläufe: Wenn einer davon ermüdet, schaltet sich der zweite ein.“
Nun stehen beide still. Gerhard Stolitzka ist am 16. Juli 2020 von uns gegangen.
Als Sohn eines Geodäten wurde Gerhard Stolitzka die Liebe zum Beruf bereits 1931 in die Wiege gelegt. Nach seiner mit Auszeichnung bestandenen Matura begann er 1950 mit dem Vermessungsstudium an der Technischen Hochschule in Wien (TH Wien) und graduierte 5 Jahre später zum Diplomingenieur. Danach arbeitete er bis 1969 als Assistent am Institut für Allgemeine Geodäsie an der TH Wien. In diese Zeit fielen seine Dissertation (1961) sowie die Ziviltechnikerprüfung (1963). Mit der Ziviltechnikerkanzlei baute er sich ab 1964 auch ein zweites berufliches Standbein auf.
1971 wurde Gerhard Stolitzka als ordentlicher Professor an das Institut für Vermessungswesen der Hochschule für Bodenkultur berufen. Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1999 leitete er fast 30 Jahre diese nunmehr als Institut für Geomatik bezeichnete Universitätseinrichtung. In dieser Position und in seiner Tätigkeit als Ingenieurkonsulent hat Gerhard Stolitzka die technischen Entwicklungen der Geodäsie - vom Rechenschieber zum Computer, vom Theodolit zur Totalstation, vom analogen photogrammetrischen Auswertegerät zur Soft Copy Station - immer an vorderster Front vollzogen. Er war unermüdlich um die Ausstattung „seines“ Instituts mit modernstem Instrumentarium bemüht. Das Forschungsprofil des Instituts wurde auf die thematische Auswertung von Satellitenbildern ausgeweitet. Das Institut war das erste im deutschsprachigen Raum, welches die Fernerkundung in den Namen aufnahm.
Gerhard Stolitzka war ein Visionär und allem Neuem aufgeschlossen. Er hatte viele Ideen, von denen auch zahlreiche realisiert werden konnten.
Von seinen vielen auf universitärer Ebene geleiteten Forschungsprojekten sind der breiten Öffentlichkeit besonders zwei bekannt: die Aktion „Reblaus“, eine gesamtösterreichische Erhebung der Weinanbauflächen (1979/80) durch Luftbildauswertung in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen, dem Bundesheer und 8 Zivilingenieurbüros, sowie - in Kooperation mit der Forstlichen Bundesversuchsanstalt (heute: Bundesforschungszentrum für Wald, BFW) die Konzeption und Durchführung einer österreichweiten Waldzustandsinventur mit Hilfe von Farb-Infrarot-Luftbildern.
Als Universitätslehrer war Stolitzka mehr als 45 Jahre tätig. Erste Lehrerfahrungen sammelte er als junger Hochschulassistent an der TH. Mit der Berufung an die damalige Hochschule für Bodenkultur war auch eine umfangreiche Lehrverpflichtung in den Fächern Geodäsie, Photogrammetrie und Fernerkundung und letztendlich auch Geoinformationswesen verknüpft. Mehr als 5000 Absolventen der Studienrichtungen Forstwirtschaft, Landwirtschaft, Kulturtechnik und Wasserwirtschaft sowie Landschaftsplanung wurden von ihm in den oben genannten Fachbereichen ausgebildet.
Als Vorsitzender der Raumkommission an der Universität für Bodenkultur musste und konnte er in Zeiten von enormen Studierendenzuwächsen Wesentliches zur Linderung der Raumnot an der Universität für Bodenkultur beitragen.
Seine Persönlichkeit zeichnet sich durch seinen verbindlichen Umgang mit Mitmenschen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Studierenden aus. „Niemals einem Menschen in einer fachlichen oder privaten Auseinandersetzung das Gesicht verlieren lassen“ war ein von ihm gelebter Grundsatz. Und wenn aus rechtlichen oder auch wirtschaftlichen Gründen eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter aus seinem Institut ausscheiden musste, war seine Unterstützung für die betroffene Person bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz immer eine Selbstverständlichkeit. Die berufliche Karriere seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat er immer bestens unterstützt und gefördert.
Wir werden Gerhard Stolitzka als engagierten Universitätslehrer, als ideenreichen Forscher, als angenehmen Kollegen und als großmütigen Menschen in dankbarer Erinnerung behalten.
Reinfried Mansberger, Werner Schneider und Markus Immitzer