SARS-CoV-2 Antikörpertest: Expertise heimischer Universitäten
Während mit dem gängigen PCR-Test direkt nach dem Erbgut von SARS-CoV-2 „gefahndet“ wird, gibt ein Antikörpertest Auskunft darüber, ob jemand bereits mit dem neuartigen Coronavirus infiziert war und ob das Immunsystem auf diese Infektion mit der Produktion von Antikörpern gegen SARS-COV-2 reagiert hat. Zuverlässige und massentaugliche Antikörpertests sind wichtige Werkzeuge, um Aufschlüsse über die Ausbreitung des SARS-CoV-2 Virus und Informationen über die Dunkelziffer an infizierten Personen zu erhalten. Denn mittels Antikörpertestung lassen sich auch Personen identifizieren, bei denen die Erkrankung asymptomatisch – sprich ohne Krankheitssymptome – verlaufen ist. Somit können Antikörpertests dabei helfen, bessere Prognosen über den Immunitätsgrad in der Bevölkerung zu stellen und Maßnahmen gegen die Ausbreitung gezielter einzusetzen. Auch im Hinblick auf die erwartete Zulassung von Impfstoffen sind Antikörpertests ein wichtiges Werkzeug um den Impferfolg zu überprüfen.
Gemeinsame Grundlage für Testsystem
Dem österreichischen Virologen Florian Krammer (Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York/USA), gelang es unlängst, einen serologischen Test zum Nachweis von SARS-CoV-2 Antikörpern im Blut zu entwickeln. Darauf basierend haben sich drei österreichische Universitäten – BOKU, Vetmeduni Vienna, und MedUni Wien – im Frühjahr 2020 zusammengeschlossen, um einen serologischen Test zu generieren, der einen spezifischen und sensitiven Nachweis von SARS-COV-2 Antikörpern im Blut ermöglicht und auch in kleinen Laboren anwendungsfähig ist.
Gemeinsam mit Wissenschafter*innen der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) entwickelte die Veterinärmedizinische Universität Wien die Grundlage für diese Antikörpertests. Dabei wurden technische und klinische Aspekte hinsichtlich der Etablierung eines Antikörpertests erforscht. Die enge Zusammenarbeit von ImmunologInnen und BiochemikerInnen der Vetmeduni Vienna mit ExpertInnen der BOKU und MedUni Wien sowie die Unterstützung eines Sponsors aus der heimischen Wirtschaft beschleunigten die Entwicklungsarbeit des Testsystems wesentlich. „Die Stärke und der schnelle Erfolg des Konsortiums liegt darin begründet, dass jeder Partner seine spezielle Expertise eingebracht hat, die für Aufbau, Testung und Validierung dieses Testsystems notwendig ist“, so Wilhelm Gerner vom Institut für Immunologie an der Vetmeduni Vienna. So ist es gelungen, in kurzer Zeit ein qualitativ hochwertiges Testverfahren zu entwickeln.
Proteine für österreicheichweite Antikörpertests
An der Universität für Bodenkultur Wien bildete sich ein Department-übergreifendes Konsortium bestehend aus WissenschafterInnen der Departments für Biotechnologie (DBT) und für Angewandte Genetik und Zellbiologie (DAGZ) mit dem Ziel, rasch hoch-qualitative SARS CoV-2 Proteine (Antigene) für die Testentwicklung bereitzustellen. Das DBT verfügt über eine breite Expertise und die notwendige Infrastruktur um rekombinante Proteine in verschiedenen Produktionssystemen, wie z.B. Säugetier- und Insektenzellen oder mikrobiellen Organismen wie Bakterien und Hefen, im kleinen und großen Maßstab zu exprimieren (herzustellen) und zu reinigen. Das DAGZ erweitert diese Expertise um die Herstellung von rekombinanten Proteinen in Pflanzen und der gezielten Veränderung von deren Zuckerstrukturen.
„Die wissenschaftliche Neugier und das Bedürfnis zu helfen trieb uns in den vergangenen Monaten an, unterschiedliche Versionen dieser Antigene sowie zusätzliche Antigen-Kandidaten zu entwickeln und diese auf Tauglichkeit für deren Einsatz in einem Antikörpertest zu prüfen“, betont Reingard Grabherr vom Department für Biotechnologie an der BOKU. Seitens der BOKU wurden komplexe Reinigungsprozesse und Analyseverfahren etabliert, welche gewährleisten, die Antigene reproduzierbar und mit besonders hoher Reinheit herzustellen. Die hohe Qualität der an der BOKU produzierten Antigene wurde seitens vieler externer Partner hoch gelobt, da dadurch sämtliche darauf aufbauende Tests wesentlich präziser und aussagekräftiger werden.
ELISA-Expertise an der Vetmeduni Vienna
Die Veterinärmedizinische Universität ließ ihre umfassende Expertise im Design und der ersten Etablierung von neuen ELISA-Testsystemen einfließen. „Enzyme-Linked Immunosorbent Assays“ (ELISA) sind Verfahren, mit denen hochspezifisch Proteine wie z.B. Antikörper nachgewiesen werden können. Der entwickelte ELISA kann Antikörper gegen SARS-CoV-2 aus Proben von infizierten Patienten nachweisen und ist in zwei Varianten verfügbar. Eine Variante des Tests untersucht das Vorhandensein von Antikörpern gegen die Rezeptorbindungsdomäne (RBD) des SARS-CoV-2 Spike Proteins. Die zweite Variante detektiert Antikörper gegen das Nukleoprotein (NP). Der gegen das NP gerichtete Test reagiert sensitiver im Frühstadium der Immunantwort, in der Haupt- und Spätphase der Immunanwort korreliert jedoch der gegen die RBD gerichtete Testkit besser mit der Immunität der Patienten.
Biobank als wichtige Ressource
Um die Qualität und die Robustheit der beiden Tests in einem klinisch-diagnostischen Labor zu prüfen, hat die MedUni Wien unter Leitung des Klinischen Instituts für Labormedizin ihre umfangreiche Expertise in der Validierung diagnostischer Test eingebracht. Um die Spezifität und Sensitivität eines Antikörper-Tests zu bestimmen, d.h. wie viele Proben falsch positiv oder falsch negativ erkannt werden, muss eine Vielzahl von gut charakterisierten Serum-Proben, die noch vor der Pandemie gesammelt wurden bzw. von PatientInnen mit bestätigter Covid-19-Diagnose stammen, getestet werden. Hierbei konnte die MedUni Wien auf ihre umfangreiche Probensammlung der Biobank und auf ein österreichweites Netzwerk im labormedizinischen Bereich zurückgreifen.
Qualitativ hochwertiges und vielseitiges Testsystem
Schließlich ermöglichte die frühe und enge Zusammenarbeit der akademischen Partner mit dem Industriepartner Technoclone, Antikörpertest schnellstmöglich zu kommerzialisieren. Gegenüber den bereits verfügbaren Antikörpertests zeigt das neu etablierte Testsystem wichtige Vorteile, wie Wilhelm Gerner ausführt: „Jedes zertifizierte Labor mit einem Standard-ELISA-Lesegerät kann den Antikörpertest durchführen. Außerdem erlaubt das Testsystem eine Quantifizierung der Antikörpermenge in den Proben. Dadurch werden präzise Zeitverlaufsstudien von Antikörpertitern möglich.“ Ein weiterer Einsatzzweck kann sich in der zukünftigen Testung von Impfstoffen ergeben. Derzeit beinhalten die meisten sich in der Entwicklung befindlichen Impfstoffe nur Bereiche aus dem Spike-Protein von SARS-CoV-2. Durch Etablierung von zwei separaten Nachweissysteme für Antikörper gegen die RBD aus dem Spike-Protein sowie gegen das Nukleoprotein kann in zukünftigen Impfstoffstudien untersucht werden, ob geimpfte Personen nur Antikörper gegen die RBD entwickeln (Reaktion auf den Impfstoff) oder im Hintergrund auch eine Immunreaktion gegen zirkulierendes SARS-CoV-2 stattfindet. In diesem Fall würden auch Antikörper das Nukleoprotein gebildet werden. Damit können wichtige Informationen zur Schutzwirkung der Impfstoffe gewonnen werden.
Rückfragen
Mag. Astrid Kleber-Klinger
Leitung Öffentlichkeitsarbeit / Head of Communications
Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) / University of Natural Resources and Life Sciences, Vienna
Gregor Mendel-Straße 33, 1180 Wien (Vienna), Austria
T: +43 (0)1 476 54 10423
M: +43 (0) 664 8858 6533
astrid.kleber(at)boku.ac.at