Züchtungsprojekt soll Erträge der Kornelkirschen im „Dirndl-Tal“ sichern


Die Pflanzenbiotechnologin Margit Laimer hat die genetische Vielfalt von 425 Kornelkirschen-Pflanzen im Pielachtal ausgewertet und deren gesundheitsrelevante Inhaltsstoffe analysiert. In der Plant Biotechnology Unit der BOKU sollen nun in vitro mögliche Krankheitserreger erforscht und neue Formen von „Dirndln“ gezüchtet werden.

Im niederösterreichischen Pielachtal werden Kornelkirschen (Cornus mas) seit Jahrhunderten genutzt – wie es heißt, seit der Zeit Maria Theresias. Für die bäuerliche Schnaps- und Saftproduktion und die regionale Vermarktung sind die „Dirndl“, wie sie hierzulande genannt werden, bis heute von großer Bedeutung. Doch auch den Dirndln machen die Klimaveränderungen und die damit einhergehenden Trockenperioden zu schaffen. „Die bisher als trockentolerant bekannte Kornelkirsche hat plötzlich keinen verwertbaren Ertrag mehr geliefert. Offensichtlich müssen wir im Jahr 2020 Trockenresistenz neu definieren“, betont Prof. Margit Laimer von der Plant Biotechnology Unit der Universität für Bodenkultur Wien.

Dirndl als Vitamin C-Lieferant

Laimer hat in einem dreijährigen Forschungsprojekt im Pielachtal sowie im benachbarten Traisental und Gölsental die genetische Vielfalt der Kornelkirschen erfasst, um potenzielle Pflanzen für die Züchtung auszuwählen. Da Cornus mas eine langlebige Spezies mit einem langen Generationszyklus von mehr als 10 Jahre ist, sind züchterische Bemühungen sehr zeitaufwändig. Deshalb ist die richtige Auswahl der Elternpflanzen von entscheidender Bedeutung. „Hauptziel des Projekts war es, die verfügbare genetischen Vielfalt der Kornelkirschen zu bewerten und Zuchtstrategien für Fragen zu deren gesundheitlichen Aspekten zu entwickeln“, erläutert Laimer. „Denn es ist schon länger bekannt, dass Kornelkirschen eine perfekte Vitamin-C-Quelle sind – schon 100 Gramm der Früchte decken fast den kompletten Tagesbedarf eines Erwachsenen, der bei 110 mg liegt.“

Beitrag zur Biodiversität

Laimer: „Weil die Biodiversität zur Sicherung der Versorgung mit regionalen Lebensmitteln wichtig ist, war zu Beginn eine Auswahl und Kartierungen aller Pflanzen erforderlich.“ So wurde für jede der 425 untersuchten Pflanzen ein Pflanzenpass erstellt, in dem die Angaben der Besitzer*innen festgehalten wurden. Das Alter der Pflanzen reichte von gerade einmal 6 – 15 Jahren bis über 100 – 150 Jahre (die Mehrzahl) bis zu jahrhundertealten und sogar tausendjährigen Exemplaren. Von diesen Pflanzen wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Jahresverlauf Knospenproben oder Früchte für weitere Analysen gesammelt.

Mikrosatellitenanalysen haben ergeben, dass von allen 425 untersuchten Pflanzen keine zwei gleich sind, und sie somit eindeutig unterschieden werden können. Die Zuchtformen, die zur Kontrolle mitgeführt wurden, konnten klar von den Wildformen unterschieden werden. Somit ist die Auswahl von Züchtungspartnern eindeutig überprüfbar und künftige Stammbäume können erstellt werden.

Breite Farb- und Wirkstoffskala

Es hat sich aber auch gezeigt, dass die Farbpalette der Früchte auffallend variabel ist und von Dunkelrot über Rubinrot, Hellrot, Orange bis Gelb reicht. Entsprechend hoch war auch die Schwankungsbreite in den Analysen der Anthocyane (Antioxidantien). Die Analysen der Inhaltsstoffe haben die aus der Literatur bekannte Schwankungsbreite im Zuckergehalt, Vitamingehalt und im Nährstoffgehalt bestätigt. „Spannend war das Vorkommen von Iridoiden und phenolischen Verbindungen in der europäischen Kornelkirsche, das im Zusammenhang mit gesundheitsrelevanten Aspekten aus der asiatischen Verwandten, der Cornus officinalis, bekannt war“, betont Laimer. Dazu zählen unter anderem die antimikrobielle Wirkung zur Behandlung von Entzündungen, die Stimulierung des Blutzirkulation, die Verbesserung der Leberfunktion oder die positive Wirkung bei der Behandlung von Diabetes.

Durch Anwendung und Verfeinerung der etablierten Methoden ist es Laimers Gruppe gelungen, von ausgewählten Pflanzen im Freiland sterile Gewebekulturen anzulegen. Sogar Knospen von Jahrhunderte alten Bäumen wachsen jetzt als Sprosskulturen in vitro weiter. „Dieses Pflanzenmaterial kann für Untersuchungen auf virale Pathogene und Phytoplasmen, aber auch zur Züchtung neuer Formen herangezogen werden“, so Laimer.

Stärkung der bäuerlichen Betriebe

Mit dem Dirndl-Projekt wurde ein Fundament gelegt, um die zukünftige Produktion von Kornelkirschen im Pielachtal und der Region sicherzustellen, zu erweitern sowie die Wirtschaftlichkeit der bäuerlichen Betriebe zu stärken, indem die Produktpalette vergrößert wird. Außerdem können die gesundheitsrelevanten Inhaltsstoffe der Dirndl bestmöglich genutzt werden.

Laimer: „Als Forscherinnen sehen wir es als unsere Hauptaufgabe, intelligente Züchtungsstrategien zu entwickeln, um auch in Zukunft ertragreiche Dirndlpflanzen aufweisen zu können. Diese reichen von der Auswahl der geeignetsten Genotypen zu Anbaumaßnahmen wie Rückschnitt und Bewässerung. Züchterisch sind sowohl eine einheitlichere und verkürzte Reifezeit, eine bessere Kernlöslichkeit, ein erhöhter Fruchtfleischanteil von Bedeutung. Besonders wichtig escheint uns, die Entwicklung von Krankheiten möglichst frühzeitig zu erkennen, um Ausfälle zu vermeiden. Lebensmitteltechnologisch ergibt sich darüber hinaus eine Palette an Produktentwicklungsmöglichkeiten mit einem gewissen Gesundheitsanspruch.“

Kontakt:
Ao. Univ. Prof. Dr. Margit Laimer
Universität für Bodenkultur Wien
Institut für Bioverfahrenstechnik 
Muthgasse 18
1190 Wien
margit.laimer(at)boku.ac.at
+43 1 47654-79010


27.10.2020