Neues aus der Ligninchemie


BOKU ForscherInnen vom Institut für Chemie nachwachsender Rohstoffe haben in einer Kooperation mit finnischen, schwedischen und kanadischen KollegInnen erstmals eine Ligninstrukturformel erarbeitet, die im Gegensatz zu bisherigen Vorschlägen Ligninstrukturelemente nicht nur qualitativ wiedergibt, sondern alle verfügbaren quantitativen Analysedaten berücksichtigt. Dies schafft eine wichtige Grundlage zum Verständnis der Ligninreaktivität – eine Grundlage für die stoffliche, nicht-energetische Ligninnutzung. Die Arbeit wurde im renommierten Fachjournal "Green Chemistry" publiziert.

Am Institut für Chemie Nachwachsender Rohstoffe, in Kooperation mit der BOKU Core Facility ALICE („Analysis of Lignocellulosics“) entsteht seit Jahren eine der weltweit größten Datenbanken zu technischen (d.h. durch Biomasse-Aufschluss erhaltenen) und nativen Ligninen. Lignin stellt – im Gegensatz zu der chemisch relativ einfachen Cellulosestruktur – ein extrem komplexes Makromolekül dar, in dem mehrere Grundbausteine (Monomere) auf viele verschiedene Arten miteinander verknüpft sind. Diese strukturelle Heterogenität nativer Lignine wird in technischen Ligninen durch chemische Aufschlussverfahren, wie z.B. in der Papier- und Zellstoffindustrie, noch einmal zusätzlich potenziert. Dies ist der Hauptgrund dafür, dass eine stoffliche, nicht-energetische Nutzung von Ligninen und ein gezieltes Herunterbrechen in kleine, niedermolekulare Strukturen so schwierig ist, so dass Lignin noch heute fast ausschliesslich zur Energiegewinnung eingesetzt wird. Jedoch stellt Lignin eine der wichtigsten Kohlenstoffquellen und Ressourcen für die Bioraffinerien der Zukunft dar.

Es gibt auf der ganzen Welt wahrscheinlich keine zwei Ligninmoleküle, die einander völlig gleichen. Zwar sind die wichtigsten Strukturelemente von Ligninen, z.B durch Kernresonanzspektroskopie-Untersuchungen, gut bekannt, jedoch ließen sich bisher die qualitativen Strukturen nicht mit den quantitativen analytischen Daten in Übereinstimmung bringen: man ging quasi immer von Näherungen und nur einigen von vielen Strukturelementen aus, was das Erarbeiten von Reaktivitätskonzepten und Struktur-Eigenschaft-Anwendungsbeziehungen natürlich erschwerte.

Aufbauend auf die jahrzehntelange chemisch-analytische Ligninexpertise und mit Hilfe der Lignindatenbank ist es Dr. Irina Sulaeva, Prof. Antje Potthast und Prof. Thomas Rosenau vom Institut für Chemie Nachwachsender Rohstoffe mit ihren Kolleginnen von der Aalto University, Finnland, RISE Stockholm und der University of British Columbia at Vancouver, Canada, nun gelungen, erstmals eine auch quntitativ aussagekräftige Ligninstrukturformel zu erarbeiten. Dies wird in ersten Reaktionen der lignin community als ein wichtiger Meilenstein im Verständnis von Struktur und Reaktivität von Ligninen gesehen, was letztlich ein Fundament für eine gezielte, nichtempirische Ligninnutzung darstellt.

Nähere Informationen finden Sie unter: https://pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2020/gc/d0gc00926a#!divAbstract


24.11.2020