Forscher*innenteam mit BOKU-Beteiligung entwickelt Methode, die tiefe Einblicke in die Funktionsweise von "süß-fettigen" Molekülen ermöglicht.

Profiling von süß-fettigen Molekülen an Zelloberflächen

Sogenannte Glykolipide, also „süß-fettige“ Moleküle, sind eine relativ unbekannte Gruppe unter den vielfältigen körpereigenen Lipiden. Eine von einem österreichischen Team um Chemikerin Evelyn Rampler von der Universität Wien entwickelte Methode ermöglichte nun tiefere Einblicke in die Funktionsweise bestimmter Glykolipide, die u.a. an den Oberflächen von Stammzellen sitzen. Die für verschiedenste Glykolipid-Gruppen anwendbare Methode stellten die Forscher*innen der Uni Wien, BOKU Wien und Uni Graz in dem Open Access „Journal of the American Chemical Society Au“ vor.

Wegweisende Methodenentwicklung in der Glyko-Forschung, also zur Funktionsbestimmung von Zuckerstrukturen an Zelloberflächen, erhielt jüngst mit der Vergabe des Chemie-Nobelpreises an Carolyn Bertozzi große Anerkennung. Die Erforschung der Klasse von süß-fettigen Molekülen, sogenannten Glykolipiden, ist hingegen ein relativ neues, aufstrebendes Forschungsfeld. Aufbauend auf hochempfindlichen Verfahren wie der Massenspektrometrie kann heute die notwendige Strukturaufklärung für Glykolipide durchgeführt werden.

Bisher schlecht messbar

Ziel der aktuellen Studie war es, eine Methode und Datenauswertung für eine bestimmte, bisher nicht gut messbare Klasse an Glykolipiden zu entwickeln: sogenannte Ganglioside, deren Zusammensetzung sich auf der Zellmembran während der Ausdifferenzierung von Stammzellen ändert.

„Unsere Studie an menschlichen Stammzellen hat gezeigt, dass sich die vorhandenen Muster von Gangliosiden massiv verändern, je nachdem, welche Zellen oder Gewebe aus den Stammzellen entstehen“, sagt Evelyn Rampler, Gruppenleiterin am Institut für Analytische Chemie der Universität Wien.

„Mit Hilfe unserer neuen Methode, basierend auf der Massenspektrometrie, konnten wir die molekulare Vielfalt der Ganglioside in einem bisher noch nicht dagewesenen Detailgrad messen und beschreiben“, so Erstautorin und Chemikerin Katharina Hohenwallner von der Universität Wien.

Zum Erfolg trugen auch Experimente mit Stammzellen bei, durchgeführt von Dominik Egger vom Institut für Zell- und Gewebekulturtechnologien der BOKU Wien. Hierfür wurden Stammzellen aus Fettgewebe isoliert, welches sonst bei Operationen als medizinischer Abfall anfällt. Diese sogenannten mesenchymalen Stammzellen wurden anschließend zu verschiedenen Zell- bzw. Gewebetypen, wie z.B. Knochenzellen, Knorpelzellen oder Fettzellen ausdifferenziert. Im Rahmen der Studie wurden die Ganglioside  auf den verschiedenen Zelltypen als potenzielle Marker identifiziert, um auf chemischer Ebene die verschiedenen Stadien der Ausdifferenzierung zu unterscheiden. Unter Einbindung der automatisierten Datenauswertung entwickelten die Forscher*innen eine Methode, die Ganglioside erstmals umfassend zu messen und strukturell zu beschreiben (z.B. welche Fettsäure dem Molekül angehängt ist).

 „Mit den bisherigen Ansätzen war es nicht möglich, die vielfältigen Funktionen der Ganglioside in Alzheimer, Demenz oder Krebs aufzuklären, da ihnen die notwendige Empfindlichkeit fehlte. Mit unserer neuen Methode stellen wir nun ein Werkzeug zur umfassenden Analyse von Gangliosiden zur Verfügung“, so Evelyn Rampler.

In einem Forschungskonsortium der MedUni Wien und Uni Wien soll nun die Relevanz von Gangliosiden und auch anderen süß-fettigen Molekülen in Krebs untersucht werden. Auch vorstellbar sei es, die Methode mit der bioorthogonalen Markierung von Nobelpreisträgerin Carolyn Bertozzi zu kombinieren, um die Zuckerstrukturen auf Zellen noch eingehender zu untersuchen.

Publikation in “JACS Au”: Decoding Distinct Ganglioside Patterns of Native and Differentiated Mesenchymal Stem Cells by a Novel Glycolipidomics Profiling Strategy; Katharina Hohenwallner, Nina Troppmair, Lisa Panzenboeck, Cornelia Kasper, Yasin El Abiead, Gunda Koellensperger, Leonida M. Lamp, Jürgen Hartler, Dominik Egger, and Evelyn Rampler, Open Access Journal of the American Chemical Society / JACS Au, 2022, doi: doi.org/10.1021/jacsau.2c00230


27.10.2022