Grüne Gentechnik
Freie Wissenschaften bilden die Grundlage für eine sozial gerechte, ökonomisch verträgliche und ökologisch nachhaltige Gesellschaft. Diesem Gedanken folgend erscheint es notwendig, die Grüne Gentechnik vorurteilsfrei, aufgeschlossen und auf Basis von wissenschaftlicher Evidenz zu bewerten.
Warum machen wir darauf aufmerksam? Im Europäischen Gentechnikrecht finden die neuen Methoden der Gen-Editierung bisher noch keine Berücksichtigung, daher wird die „Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt“ zurzeit überarbeitet. Ein neuer Entwurf wird nach Abschluss wissenschaftlicher Studien und eines breiten Konsultationsprozesses in den kommenden Tagen erwartet.
Die Entwicklung der Gen-Editierung mit der „Genschere“ (CRISPR/Cas) ist ein Meilenstein der Wissenschaftsgeschichte. Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna erhielten dafür 2020 den Nobelpreis für Chemie. Die Gen-Editierung basiert auf einem natürlichen molekularbiologischen Prinzip, bei dem bereits vorhandene Gene gezielt verändert werden. Ähnliche Veränderungen könnten auch durch konventionelle Züchtung auftreten, sind durch konventionelle Methoden jedoch wesentlich langsamer zu erreichen und
müssten durch langwierige Auslese nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum von gleichzeitig auftretenden ungewollten Veränderungen getrennt werden. Die Methode der Gen-Editierung ist also wesentlich schneller und gezielter als herkömmliche Verfahren.
Gen-Editierung ist ein hoch effizientes Werkzeug in der Forschung, da sie zum Verständnis der Genfunktionen beiträgt. Sie schafft neue Möglichkeiten bei der Heilung von Krankheiten, aber auch bei der Züchtung von Pflanzen, die produktiver, widerstandsfähiger, gesünder, verträglicher und an eine veränderte Umwelt angepasst sind. In fast 700 erforschten Beispielen in über 40 Pflanzenarten konnten durch die Gen-Editierung größere Schädlingsresistenzen, verbesserte Eiweiß- oder Fettsäurezusammensetzungen oder weniger unverträgliche Inhaltsstoffe erzielt werden. Weitere Züchtungsziele sind trocken- und hitzeresistentere Pflanzen mit weniger Bodenverbrauch und höherer Resilienz. Die Grüne Gentechnik kann also einen bedeutsamen Beitrag bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels und für eine nachhaltigere Landwirtschaft leisten. Daher ist es wichtig, keine unüberwindbaren Hürden für die Forschung, die Freilanderprobung und das Inverkehrbringen aufzubauen.
Die Wissenschaft tritt dafür ein, Pflanzen nach Editierung ihrer eigenen Gene rechtlich mit den gleichen Verfahren wie bei der konventionellen Züchtung zu beurteilen. Die entstehenden Pflanzen sollen nach ihren Eigenschaften, nicht nach der Methode ihrer Erzeugung geprüft werden. Wir schließen uns den entsprechenden Empfehlungen der deutschen Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, des European Academies Science Advisory Council und der EU Initiative Sustainable Agriculture through Genome Editing an.
Unser Appell richtet sich an politische Entscheidungsträger:innen, Interessensvertretungen und NGOs: Eine ideologisch geführte Debatte schürt die Angst der Bürgerinnen und Bürger und spielt der Wissenschaftsfeindlichkeit in die Hände. Deshalb: Informieren Sie sich bei der Wissenschaft! Treten Sie mit den Expert:innen in einen Dialog ein, um die Fragen zur Gen-Editierung zu klären. Hören und prüfen Sie, was die Wissenschaft anzubieten hat, um eine fundierte Meinung zu bilden.
Heinz Faßmann – Präsident ÖAW Sebastian Schütze – Rektor Universität Wien
Christof Gattringer – Präsident FWF Veronika Sexl – Rektorin Universität Innsbruck
Martin Hetzer – Präsident ISTA Joachim Reidl – Vizerektor Universität Graz
Wolfgang Knoll – Geschäftsführer AIT Eva Schulev-Steindl – Rektorin Universität für Bodenkultur
Jan-Michael Peters – Wiss. Direktor IMP Sabine Seidler – Rektorin TU Wien