Die BOKU trauert um Erich Hübl


Mit Erich Hübl, der im 94. Lebensjahr verstorben ist, verliert die BOKU einen großen Vegetationsökologen und besonders liebenswürdigen Menschen.

Am 14. August 2024 ist em. Univ. Prof. Dr. Dr. h.c. Erich Hübl im 94. Lebensjahr verstorben. Mit Erich Hübl hat die BOKU einen herausragenden Wissenschaftler verloren, der sowohl die vegetationsökologische Forschung in Österreich, als auch die botanische Forschung und Lehre an der Universität für Bodenkultur über Jahrzehnte im positivsten Sinn geprägt hat. Hübl war nicht nur ein bedeutender Wissenschaftler, sondern auch ein besonders liebenswürdiger, stets hilfsbereiter und zugleich bescheidener Mensch und Lehrer, der Generationen von Studierenden den Weg in ein erfolgreiches Berufsleben gewiesen hat.

Erich Hübl wurde am 9. 9.1930 geboren, ist in Wien und Perchtoldsdorf aufgewachsen und hat ab 1950 an der Universität Wien Botanik, Zoologie und Anthropologie studiert. Bereits 1956 konnte er sein Studium mit einer pflanzensoziologischen Doktorarbeit über die Wälder des Leithagebirges abschließen. Schon damals wurde seine Begeisterung für die Natur, aber auch seine körperliche Robustheit und fast grenzenlose Einsatzbereitschaft deutlich: Es ist überliefert, dass Hübl die Nächte während der Freilandarbeiten zu seiner Dissertation einfach im Wald verbracht hat, zugedeckt nur mit dem Zeitungspapier, das er zum Pressen von Herbar-Belegen stets mit sich führte.

Schon 1959 wurde der engagierte, junge Vegetationskundler als Assistent am Pflanzenphysiologischen Institut der Universität Wien angestellt. Es folgten intensive Jahre der Forschungs- und Lehrtätigkeit, unterbrochen nur durch Studienreisen und einen prägenden Forschungsaufenthalt in Montpellier, beim Doyen der europäischen Pflanzensoziologie, Josias Braun-Blanquet. Als Forscher war Hübl gemäß der Ausrichtung des Pflanzenphysiologischen Instituts zunächst im Grenzbereich zwischen Pflanzenphysiologie und Vegetationsökologie tätig. Seine 1964 unter dem Titel „Synökologische Spaltöffnungsstudien“ eingereichte Habilitationsschrift war dementsprechend ökophysiologischen Fragestellungen gewidmet. 1964 wird ihm die Venia docendi für „Pflanzenphysiologie, -ökologie und -soziologie“ zuerkannt.

In weiterer Folge verlagerte sich Hübls Forschungsschwerpunkt ganz in den vegetationsökologischen Bereich. Hübl hat bei der pflanzensoziologischen Erforschung Ostösterreichs, insbesondere des pannonischen Raums, bahnbrechende Arbeit geleistet und wurde damit bald zum gefragten Ansprech- und Publikationspartner für Forschende aus den ebenfalls pannonisch geprägten Nachbarstaaten Österreichs. 1967 bewarb sich Hübl um das an der damaligen Hochschule für Bodenkultur neugeschaffene Extraordinariat für Ökologie und Soziologie der Pflanzen und setzte sich erfolgreich gegenüber einer Runde von durchaus illustren Mitbewerbern durch. Damit begann sein jahrzehntelanges Wirken an der BOKU. 1973 wurde er zum Ordinarius ernannt und blieb seiner Universität bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1998 treu verbunden.

Besonders hervorzuheben ist Hübls großer persönlicher Einsatz bei der Betreuung von Diplomarbeiten und Dissertationen. Er hat an der BOKU hunderte Abschlussarbeiten angeleitet und seine Schülerinnen und Schüler dabei fast immer persönlich in die Untersuchungsgebiete begleitet, um sie mit großer Geduld in die vegetationsökologische Freilandarbeit einzuführen, die für Neulinge oft abschreckend aufwändig wirken kann. Die Fürsorglichkeit und Hilfsbereitschaft, die Hübl dabei an den Tag legte, war geradezu legendär. Hübls großer persönlicher Einsatz hat den Studierenden nicht nur einen qualitätsvollen Abschluss ermöglicht; vielmehr wurden mit der Vielzahl und Vielfalt an Abschlussarbeiten auch bleibende Werte geschaffen. In ihrer Gesamtheit haben sie ein aus unzähligen Mosaiksteinen zusammengesetztes, sehr detailliertes Bild der Vegetationsverhältnisse Österreichs ergeben. Angesichts der raschen Veränderungen unserer Landschaft erweisen sich diese meist sehr umfassenden Arbeiten bis heute als unersetzliche Referenzwerke für den Naturschutz und die Landschaftsökologie. Die geographisch weit gespannte Forschungstätigkeit des Botanischen Instituts führte unter Hübls Leitung auch zum Aufbau eines umfassenden Herbars an der BOKU, das von außerordentlichem wissenschaftlichem Wert ist und das keineswegs nur mitteleuropäische Belege enthält, sondern etwa auch Material aus dem Kaukasus, dem Vorderen Orient und aus Westasien.

Hübl war aktives Mitglied zahlreicher Forschungsgesellschaften, wie der Floristisch-Soziologischen Arbeitsgemeinschaft oder der Ostalpin-Dinarischen Gesellschaft. Er saß im Editorial Board bedeutender wissenschaftlicher Zeitschriften seines Fachbereichs und war lange Zeit Präsident der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft Österreichs. Hübl verfügte über ein weit verzweigtes Netz an internationalen Kontakten. Zahlreiche Forschende aus dem mittel- und osteuropäischen Raum, aber auch aus Asien haben engen Kontakt zu dem unglaublich kenntnisreichen und stets hilfsbereiten Wiener Botaniker gesucht – die daraus resultierenden Gegeneinladungen seitens der ausländischen Besucher*innen wurden von Hübl bis ins hohe Alter − trotz aller damit verbundenen Strapazen − pflichtgetreu wahrgenommen. Diese Exkursionen haben seinen Horizont entsprechend erweitert und ihm trotz seiner Fokussierung auf die Vegetation Mittel- und Osteuropas eine ungewöhnlich breite Perspektive eröffnet. Dabei waren Hübls Interessen und Kenntnisse niemals nur auf botanische Themen beschränkt. Er verfügte auch über ein großes landschaftskundliches, historisches und ethnographisches Wissen, das er in seine eigenen Arbeiten und die seiner Schülerinnen und Schüler einfließen ließ; nicht zuletzt war er auch in Lyrik und Literatur sehr bewandert.

In menschlicher Hinsicht war Erich Hübl eine bemerkenswerte Persönlichkeit, die sich durch Toleranz, Offenheit, einen sanften Humor und eine rundum positive Lebenseinstellung auszeichnete. Hübl hat durch sein besonderes Wesen zahlreiche Menschen dazu ermutigt, ihren Forschungsinteressen zu folgen und sich in die Wunderwelt der Ökologie und der Botanik zu vertiefen. Er wird der BOKU und der gesamten wissenschaftlichen Community Österreichs sehr fehlen.

Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie.

Die Verabschiedung fand am 2. September 2024 um 11 Uhr auf dem Friedhof Döbling statt.

 


21.08.2024