20 Jahre Materialforschung
20 Jahre Physik und Materialwissenschaft an der BOKU
Warum sind Zähne so stabil? Warum brechen Implantate? Wie lange halten Wasserstoffmotoren? Das Institut für Physik und Materialwissenschaft der BOKU University beschäftigt sich seit 20 Jahren mit solchen spannenden Fragestellungen.
Nach der Teilung des früheren Instituts für Meteorologie und Physik wurde das Institut am Standort Türkenschanze gegründet und ist Teil des Departments für Materialwissenschaften und Prozesstechnik. Seitdem leistet es bedeutende Beiträge zu Energiewende, Bioökonomie und Nachhaltigkeit.
Wegweisende Forschungsinfrastruktur und Projekte
Zu den jüngsten Höhepunkten zählt die Errichtung des "In-situ Materialcharakterisierung-Labors" mit einem Volumen von 1,78 Millionen Euro, finanziert im Rahmen der F&E-Infrastrukturförderung 2023 durch FFG und EFRE. Ein weiteres Highlight ist das Christian Doppler Labor für "Defekttoleranz von Stählen im Bereich hoher und sehr hoher Belastungszyklen", das im Mai 2024 gegründet wurde. Bereits zuvor legten Projekte wie das "X-Ray Color Camera Microscope", das CD-Labor für "Grundlagen der Holzbearbeitungsprozesse" und etwa 50 weitere Forschungsprojekte mit Budgets für das Institut von mehr als 100.000 Euro die finanzielle Basis für exzellente Forschung am Institut.
Pionierarbeit in der Ultraschalltechnologie und Werkstoffforschung
Die Wurzeln des Fachbereichs Physik an der BOKU reichen zurück bis ins Jahr 1989, als Univ.-Prof. Stefanie Tschegg ihn ins Leben rief und später das Institut gründete. Ein zentraler Forschungsschwerpunkt von Beginn an war und ist die Ultraschalltechnologie, geleitet von Ao. Univ.-Prof. Herwig Mayer. In Zusammenarbeit mit Universitäten und Unternehmen aus den USA, Deutschland, Japan und Finnland werden hochfrequente Ermüdungsprüfverfahren entwickelt. Ziel ist es, Belastungsgrenzen für Werkstoffe der Energie-, Verkehrs- und Medizintechnik festzulegen, um Schäden auch bei langer Nutzungsdauer zu vermeiden und Materialien nachhaltig einzusetzen. Ein aktueller Fokus liegt auf der Untersuchung von Werkstoffen für die Energiewende, etwa mittels eines neu entwickelten Ultraschallaufbaus zur Prüfung in heißem Wasserstoff.
Innovationen in der Biomaterialforschung und Nanostrukturanalyse
Mit der Berufung von Univ.-Prof. Helga Lichtenegger im Jahr 2011 wurde das Institut um den Bereich Biomaterialforschung erweitert. Sie brachte röntgenphysikalische Methoden zur Nanostruktur-Charakterisierung ein, die sich insbesondere für die Analyse hierarchischer Strukturen in biologischen Materialien eignen. Forschungsprojekte zur Untersuchung des Knochenwachstums um Implantate, der Struktur von Seide für die Nervenregeneration, der Metallanreicherung in Moosen sowie zur Entwicklung biomimetischer technischer Nano-Composites profitieren von diesen hochauflösenden Verfahren. Ein gemeinsames Forschungsfeld des gesamten Instituts ist die in-situ Untersuchung der Rissbildung in superelastischen Materialien mithilfe von Synchrotronstrahlung und Ultraschallbelastung.
Die am Institut entwickelten Methoden finden weltweite Anwendung und fördern interdisziplinäre Kooperationen, auch innerhalb der BOKU. Beispiele sind die Ultraschallcharakterisierung von Bodenaggregaten, die Prüfung von Beton und Klebstoffen, die Analyse kolloidaler Materialien und Proteine sowie die Erforschung der physikalischen Eigenschaften von Holz und zellulosebasierten Werkstoffen.
Zukunft der Materialwissenschaften
Die Lehre am Institut vermittelt naturwissenschaftliches Denken und Begeisterung für physikalische und materialwissenschaftliche Themen. Das Angebot reicht von Grundlagenvorlesungen in Physik für sechs der sieben Bachelorstudiengänge der BOKU bis hin zu spezialisierten Lehrveranstaltungen zu Materialcharakterisierung, Biomaterialien und angewandter Physik in sechs Masterstudiengängen. Zudem ist das Institut in der Doc School "Biomaterials and Biointerfaces" und deren Leitung prominent vertreten. Zukünftige Herausforderungen sind die Integration von KI in die Lehre und der Aufbau einer Core-Facility für "Material Testing and Characterization".
Das Institut Physik und Materialwissenschaft bleibt ein Ort, an dem Studierende und Forschende das Verhalten von Materialien durch ihre Mikro- und Nanostruktur verstehen, und dabei Freude am wissenschaftlichen Entdecken und Forschen erleben können.