14.07.2010
Fachtagung "Chancenreich - Chancengleich" (14.07.2010)
Studieren und Arbeiten mit Behinderung an österreichischen Universitäten. An der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) wurde am 28.6.2010 erstmalig eine Fachtagung mit dem Themenschwerpunkt der Chancengleichheit und Gleichstellung von Menschen mit Behinderung im Studienalltag und in der Berufswelt abgehalten. Welche veränderten rechtlichen Gesetze und Rahmenbedingungen bedarf es, die Belange der Menschen mit besonderen Bedürfnissen nachhaltig nicht nur an unseren Universitäten zu verbessern? Was sind die Erwartungen und Wünsche der eigentlichen Zielgruppe? Prominente ReferentInnen aus Politik, Wissenschaft und Kunst betrachteten die Thematik der „Barrierefreiheit“ in ihrer baulichen, ökonomischen und sozialen Ausprägung aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln. Der anschließenden Podiumsdiskussion, moderiert durch Barbara Rett, stellten sich prominente Gäste wie NR-Abgeordneten Dr. Franz-Josef Huainigg, Behindertensprecherin der Grünen Mag.a Helene Jarmer, Schriftsteller Dr. Erwin Riess, ein Vertreter der BIG, Mag Claudius Weingrill, Behindertenvertrauensperson Andreas Jeitler (Universität Klagenfurt) und andere. BOKU-Rektor Martin Gerzabek wies in seiner Einleitung darauf hin, dass der Auseinandersetzung mit dem Thema Behinderung an Universitäten immer noch eine geringe Bedeutung zukommt. Gerade aber in Wirtschafts- und Budgetkrisen - die auch die Universitäten, ausgelöst durch massive Sparpläne der Regierungen, voll erfasst haben - besteht die Gefahr, dass „Behinderung“ wieder zu einem NICHT-Thema werden könnte. Umso wichtiger ist es, "dass im Rahmen dieser Tagung die Chancen und Möglichkeiten von Menschen mit Behinderung an österreichischen Universitäten aufgezeigt und Maßnahmen gesetzt und diskutieren werden können, um die Situation deutlich zu verbessern und Potentiale von Menschen mit Behinderung zu fördern", so Gerzabek. An der BOKU selbst gibt es eine neu implementierte Stabstelle zur Betreuung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen; erste Aktivitäten wie die Online-Befragung „Studieren mit gesundheitlicher Beeinträchtigung und/oder Behinderung“ zeigen auf, wo Handlungsbedarf herrscht. Die Vorträge Referentin Gabriele Mörk, Vorsitzende der Gemeinderätlichen Behindertenkommission: "Das neue Chancengleichheitsgesetz baut auf den Prinzipien der Chancengleichheit und Selbstbestimmung auf und basiert damit auf der UN-Konvention". Als Anwalt für Gleichstellungsfragen thematisierte Dr. Erwin Buchinger jedoch die derzeit äußerst schwierige Situation behinderter Personen am Arbeitsmarkt und wies darauf hin, dass beispielsweise im März 2010 die Arbeitslosigkeit generell gesunken, während diejenige von Menschen mit Behinderung weiter gestiegen ist. Als Konsequenz fordert er daher Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit behinderter Menschen. Die Leiterin der Landesstelle Wien, Dr.in Andrea Schmon, sieht das Bundessozialamt als Kompetenzzentrum für alle Menschen mit Behinderungen. Dr.in Felicitas Pflichter vom Ministerium für Wissenschaft und Forschung, konnte einen groben Überblick zu einer bis dato noch nicht veröffentlichten Studie zur Situation von gesundheitlich beeinträchtigten Studierenden an Universitäten und Hochschulen geben. Die Behindertenvertrauensperson der Universität Wien, MMAg Wolfgang Nowak, selbst blind, stellte das von ihm entwickelte taktile Blindenleitsystems an der Universität Wien vor. Einen Einblick in die Entstehung, die Arbeitsbereiche und die zentralen Positionen der „Selbstbestimmt Leben-Bewegung“ verschaffte Dr. Erwin Riess in seinem Vortrag „Die Ferse des Achilles - Zur Bedeutung behinderter Menschen in der Gesellschaft“. „Wichtig ist die aktive Mitgestaltung der Betroffenen selbst, wenn es um neue gesetzliche Änderungen geht“, betonte Riess, der die Einbindung der InteressensvertreterInnen beim Beschluss des neuen Chancengleichheitsgesetzes vermisst hat. Mag.a Helene Jarmer (Behindertensprecherin Die Grünen) begrüßt die Einführung des Modellversuches "Gehörlos Studieren" (GESTU) an der TU Wien. "Das ist ein großer Schritt in die richtige Richtung auf dem Weg zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen", und fordert: “Auch für andere Gruppen von Behinderungen müssen im Sinne von Chancengleichheit und gleichem Bildungszugang jetzt Taten gesetzt werden." NR-Abgeordneter Dr. Franz- Josef Huainigg, der für eine uneingeschränkte Teilhabe behinderter Menschen in allen Lebensbereichen eintritt, misst der Integration in Kindergarten, Schule und Universität eine besondere Rolle zu: “Für mich waren diese Möglichkeiten lebensentscheidend. Nur so kann ich heute ein selbstbestimmtes Leben führen.“ Die Tagung „Chancengleich – Chancenreich“ versteht sich als impulsgebendes Forum, das die Thematik der Menschen mit Behinderungen in den universitären Alltag einbringt und so ein vermehrtes Bewusstsein schafft. Eine Zusammenfassung der einzelnen Vorträge finden Sie online unter: www.boku.ac.at/fileadmin/data/H01000/H10090/H10400/H10460/28-6-2010/Zusammenfassung-28.06.2010.pdf Kontakt / Rückfragen:
DI Ruth Scheiber
Rektorat der Universität für Bodenkultur Wien
Stabstelle für Menschen mit besonderen Bedürfnissen
1180 Wien, Gregor Mendel-Straße 33
Tel.: 01/47654 1300
E-Mail: ruth.scheiber(at)boku.ac.at