Sujet zum internationalen Frauen*Tag

Diversitätsorientierte Gleichstellung im MINT-Bereich

Anlässlich des Internationalen Frauentags wollen wir den Blick auf die nach wie vor bestehenden Geschlechterungleichheiten in der Wissenschaft, am Beispiel der Holz- und Forstwirtschaft an der BOKU University, richten. Trotz wachsender Bemühungen um Geschlechtergleichstellung bleiben Frauen in MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) unterrepräsentiert. Während der Frauenanteil an der BOKU insgesamt bei ca. 50 % liegt, beträgt er unter Studierenden, Stand 2025, in den Fächern Forstwirtschaft, Holz- und Naturfasertechnologie, Forstwissenschaften und Holztechnologie und Management insgesamt lediglich ca. 27 % – unter den Mitarbeiter*innen sind es ca. 28 %. Der Gender Gap in diesem Bereich ist nicht nur ein Abbild individueller Karriereentscheidungen, sondern das Ergebnis tief verwurzelter struktureller Barrieren, Stereotypen und diskriminierender Auswahlmechanismen (Haager & Hudelist, 2023, S. 2). Die sogenannte „leaky pipeline“ beschreibt dabei ein Phänomen, bei dem Frauen auf verschiedenen Stufen der Karriereleiter systematisch aus dem Wissenschafts- und Managementbereich gedrängt werden.

Fehlende Geschlechterdiversität 

Besonders in MINT-Fächern ist der Frauenanteil äußerst gering. Da die BOKU einige naturwissenschaftliche und technische Disziplinen beherbergt, spiegelt sich dies auch hier wieder. Die Forst- und Holzwirtschaft in Österreich ist nach wie vor stark männlich dominiert, daher werden folgend vier Studiengänge und vier Organisationseinheiten dieser Disziplin genauer untersucht. 

Der Masterstudiengang Holztechnologie und Management weist mit 15% den geringsten Frauenanteil auf. Auch im Bachelorstudium Holz- und Naturfasertechnologie zeigt sich eine deutliche Geschlechterungleichheit. Hier sind 120 Studierende eingeschrieben, davon 26 Studentinnen, also ca. 22 %. Etwas niedriger noch ist der prozentuelle Frauenanteil im Masterstudium Forstwissenschaften: Von 148 Studierenden sind 27 Frauen, also rund 18 %. 

Der Bachelorstudiengang Forstwirtschaft ist mit einer Anzahl von 523 Studierenden der größte, davon sind 166 Studentinnen, was ca. 32 % entspricht.

Unter den Mitarbeitenden der Organisationseinheit Agrar- und Forstökonomie liegt der Frauenanteil bei 25 %. An der Forstentomologie, Forstpathologie und Forstschutz bei rund 38 %. Die Forstökonomie ist rein männlich besetzt, am Institut für Forsttechnik sind 18 % der Beschäftigten Frauen. 

Warum besteht Ungleichheit in MINT-Fächern?

Geschlechterstereotypen und gesellschaftliche Erwartungen

Bereits früh im Bildungssystem beeinflussen geschlechtsspezifische Vorurteile die Studienwahl von Mädchen. Eine OECD-Studie zeigt, dass das Selbstvertrauen von Mädchen in mathematischen und technischen Fächern durch stereotype Zuschreibungen beeinträchtigt wird (OECD, 2015, S. 14). In der Folge wählen sie seltener MINT-Studiengänge, was langfristig Auswirkungen auf ihre Karrieren hat (Leichsenring, 2017, S. 241).

Ähnlichkeitsprinzip und Tokenismus

In Auswahlprozessen für Führungspositionen zeigt sich oft ein Bias: Männer tendieren dazu, andere Männer zu bevorzugen, insbesondere wenn sie bereits in dominanten Positionen vertreten sind (Haager & Hudelist, 2023, S. 2). Frauen, die es in hohe Positionen schaffen, werden häufig als „Token“ wahrgenommen – als Vertreterinnen ihres gesamten Geschlechts anstatt als Individuen (Trenkmann, 2017, S. 23-24; Rixom, Jackson & Rixom, 2023, S. 181-182). Diese Dynamik setzt sie einem besonderen Leistungsdruck aus und erschwert den Zugang zu Netzwerken.

Die gläserne Decke und strukturelle Barrieren

Obwohl Frauen oft über gleichwertige oder sogar bessere Qualifikationen verfügen, stoßen sie in männerdominierten Branchen auf unsichtbare Hindernisse, die ihnen den Aufstieg in höhere Führungsebenen erschweren (Leichsenring, 2017, S. 231). Die „gläserne Decke“ beschreibt diese strukturellen Barrieren, die durch ungleiche Beförderungschancen und unbewusste Vorurteile entstehen (Lafuente & Vaillant, 2019, S. 886–887).

Intersektionale Herausforderungen

Nicht nur das Geschlecht, sondern auch Faktoren wie ethnische Zugehörigkeit und soziale, bildungsbezogene oder ökonomische Herkunft beeinflussen Karrierechancen (Schreiber, 2020, S. 100). Gleichstellung muss daher intersektional gedacht werden und sich kontinuierlich mit den sich wandelnden Herausforderungen auseinandersetzen (Butler, 2004, S. 174). 

Diversität gezielt fördern: Was Karrierementoring beitragen kann

Um Geschlechtergleichstellung zu fördern, wurde das Frauenforstmentoring an der BOKU ins Leben gerufen. Unter anderem soll es Frauen den Einstieg in die Forst- und Holzwirtschaft erleichtern und langfristig ihre Position in der Branche stärken.  Zwischen 2024 und 2026 werden jeweils 15-20 Teilnehmerinnen* über einen Zeitraum von 12 Monaten durch erfahrene Mentor*innen begleitet.

Die Teilnehmerinnen* erhalten praxisnahe Einblicke in die Berufsfelder der Forst- und Holzwirtschaft. Das Programm ermöglicht den Zugang zu wichtigen Netzwerken und Entscheidungsträger*innen. Neben fachlichen Inhalten werden auch Herausforderungen thematisiert, mit denen Frauen* in männerdominierten Branchen konfrontiert sind. Ziel des Programms ist es als Orientierungshilfe und beim Netzwerken zu unterstützen, sowie den Karriereabbruch zu verringern. 

Frauen* haben nach wie vor trotz gleicher Qualifikation schlechtere Karriere- und Verdienstmöglichkeiten als Männer (Leichsenring, 2017, S. 231). Bereits 1929 thematisierte Virginia Woolf in ihrem Essay „Ein Zimmer für sich allein“ die geringe Präsenz von Frauen* in bestimmten Berufen. Sie führt den Vorteil von Männern auf gesellschaftliche Strukturen zurück und beschreibt ihn mit den Worten: „Männer, deren einzige erkennbare Qualifikation darin besteht, dass sie keine Frauen sind“ (Woolf 2019, S. 38). 

Um diesen strukturellen Ungleichheiten entgegenzuwirken, können Mentoring-Programme in MINT-Fächern eine entscheidende Rolle in der strategischen Karriereplanung von Frauen* spielen. Sie erhöhen die Sichtbarkeit, stärken das Selbstbewusstsein und tragen langfristig zur Arbeitszufriedenheit bei. In der Leistungsvereinbarung für 2025–2027 ist daher vorgesehen, ein diversitätsorientiertes Karrierementoring für alle MINT-Fächer an der BOKU zu entwickeln.

Am 7. März geht das Mentoring-Programm für Frauen in der Forst- und Holzwirtschaft in die zweite Runde. Mit einleitenden Worten eröffnen Vizerektorin Doris Damjanovic (Lehre, Weiterbildung und Studierende) und Sektionschefin Elfriede Moser die Veranstaltung. 

So gelingt es, diversitätsorientierte Gleichstellung an der BOKU zu fördern

Um Vielfalt der Holz- und Forstwissenschaft zu fördern, bedarf es neben dem Karrierementoring als zentraler Maßnahme auch weiterer gezielter Schritte, um Gleichstellung nachhaltig zu fördern:

  • Gendergerechte und diversitätsbewusste Recruiting-Prozesse – etwa kann durch transparente Auswahlverfahren unbewussten Diskriminierungen und Benachteiligungen vorgebeugt werden (Haager & Hudelist, 2023, S. 55).
  • Flexible Arbeitsmodelle, wie Jobsharing und Telearbeit ermöglichen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Karriere (Haager & Hudelist, 2023, S. 55).
  • Die Einhaltung von Quotenregelungen und Anti-Diskriminierungsgesetzen tragen dazu bei, strukturelle Barrieren abzubauen (Haager & Hudelist, 2023, S. 55). Die BOKU beschreibt in Ihrem Maßnahmenkatalog ausdrücklich die Einhaltung der Entgelttransparenzrichtlinie der EU, die mit 2026 umzusetzen ist und für Lohnanpassung sowie Equal Pay steht.
  • Die Universität achtet außerdem darauf stetig zu evaluieren. Das Monitoring wird mittels geeigneter Indikatoren zur Erfassung von Gender- und Diversitätsfaktoren durchgeführt, um Entwicklungen zu beobachten sowie entsprechende Maßnahmen abzuleiten und umzusetzen.
  • Netzwerke an der BOKU fördern die Gleichstellung, indem sie Plattformen für den Austausch von Wissen und Ressourcen bieten und Role-Models schaffen. Sie tragen dazu bei, das Bewusstsein für Diversität und Inklusion zu schärfen und unterstützen die berufliche Entwicklung aller Mitglieder.
  • Der Diversitätspreis der BOKU erkennt herausragende Leistungen der Forschung im Bereich der Diversität an.
  • Schulungen und Veranstaltungen an der BOKU im Bereich interkulturelle Kompetenzen und Gleichstellung sensibilisieren für Vielfalt und Inklusion, fördern das Verständnis und stärken das Engagement für eine gerechtere Umgebung. Ein Beispiel dafür sind die Awareness Days mit vielen spannenden Podiumsdiskussionen und Workshops.

Ein klares Zeichen zum Internationalen Frauentag: Vielfalt stärkt die Wissenschaft

Die sozialen und politischen Rahmenbedingungen für Frauen* und Männer sind nicht gleich. Daher muss Gleichstellung unter Berücksichtigung der spezifischen Herausforderungen verstanden werden, mit denen Frauen* konfrontiert sind (Butler, 2004, S. 174). Die gläserne Decke in der MINT-Fächern, wie der Holz- und Forstwirtschaft, kann durchbrochen werden – aber nur mit klaren Maßnahmen. Mehr Diversität bedeutet mehr Innovation, bessere Entscheidungen und nachhaltigere Lösungen. 

Anlässlich des Internationalen Frauentags setzen wir ein Zeichen für Gleichstellung in der Wissenschaft.

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Quellen
Butler, J. (2004). Undoing gender. New York ; London: Routledge.

Haager, T. & Hudelist, S. (2023). Frauen.Management.Report.2023 Etappensieg EU-Richtlinie. Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien Abteilung Betriebswirtschaft. Zugriff am 12.9.2023. Verfügbar unter: https://emedien.arbeiterkammer.at/viewer/image/AC16789040/21/LOG_0017/ 

Leichsenring, H. (2017). Inwiefern ist Geschlecht ein studienrelevantes Diversitätsmerkmal? In A. Wroblewski, U. Kelle & F. Reith (Hrsg.), Gleichstellung messbar machen (S. 231–247). Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, s. https://doi.org/10.1007/978-3-658-13237-8

OECD. (2015). The ABC of Gender Equality in Education: Aptitude, Behaviour, Confidence (PISA). OECD, s. https://doi.org/10.1787/9789264229945-en

Schreiber, S. (2020). Diversitätsorientierte Personalauswahl: Eine rekonstruktive Studie zur Personalauswahl von Schulleitungen an der schweizerischen Volksschule unter der Perspektive von Diversität (1. Auflage). Budrich Academic Press, s. https://doi.org/10.2307/j.ctv1bvndrd

Woolf, V. (2019). Ein Zimmer für sich allein. (A.R. Strubel, Übers.). Zürich: Gatsby.