Update: Covid-19 Antikörpertest

Covid-19 Antikörpertest „Made in Austria“ bei klinischer Validierung ausgezeichnet bewertet!

Die Corona-Pandemie hat viele Gesundheitssysteme und die globale Wirtschaft an ihre Grenzen gebracht und hat sich wie kein anderes Thema der letzten 70 Jahre im Bewusstsein und dem Alltag der Menschen verankert. Relativ rasch wurden PCR-basierte Diagnosemethoden entwickelt um akute Verdachtsfälle untersuchen zu können und das Virus über Quarantänemaßnahmen in seiner Verbreitung zu behindern. Für die Identifizierung von Personen, die unentdeckt eine SARS CoV-2-Infektion durchgemacht haben und für die Begleitung von Impfstoffstudien, hingegen, sind etwas aufwändigere Antikörpertests notwendig. Mit Hilfe dieser Tests kann die über eine Infektion oder Impfung vermittelte Virus-spezifische Immunantwort in Form gebildeter Antikörper untersucht werden (immunologischer Test). Antikörpertests sind ein wichtiges Instrument um die Wirksamkeit von Impfstoffkandidaten zu beurteilen und auf Basis jener geeignete Impf-Modalitäten ableiten zu können. Für die Qualität eines Antikörpertests sind eine hohe Spezifität und Sensitivität von großer Bedeutung, denn diese kennzeichnen, ob ein Test verlässlich Erkrankte von Gesunden unterscheiden kann. Bisher verfügbare Antikörpertests für SARS CoV-2 haben hier sehr häufig falsche oder uneindeutige Ergebnisse geliefert oder waren vergriffen, und deshalb für den weitflächigen Einsatz nicht geeignet. Ein österreichisches Konsortium bestehend aus drei Universitäten – Universität für Bodenkultur (BOKU), Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna)und Medizinische Universität Wien (MedUni Wien) - wollte hierauf Abhilfe schaffen und nur vier Monate nach Beginn der Arbeiten können hierzu die Entwicklungsarbeiten erfolgreich abgeschlossen werden. Ein in Österreich entwickelter hochspezifischer und sensitiver COVID19-Antikörpertest wird ab August verfügbar sein!

Aber knüpfen wir zuerst an unsere letzten Pressemitteilungen vom 30. März und 10. Juni an und rollen die Ereignisse noch einmal von hinten auf. Die BOKU hat sich in den letzten vier Monaten intensiv damit beschäftigt diverse SARS CoV-2-spezifische Proteine (Antigene) in unterschiedlichen biotechnologischen Produktionssystemen herzustellen, um ideale Kandidaten für den serologischen Nachweis von SARS CoV-2 Antikörpern zu identifizieren. Wie bereits berichtet, hat die BOKU dafür ursprünglich genetisches Material für die Herstellung zweier Coronavirus-Antigene vom Virologen Florian Krammer (Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York) erhalten.  Hierbei handelte es sich um das SARS CoV-2 Spike (S) Protein und die Spike Rezeptorbindungsdomäne (RBD). Das Spike Protein ist ein virales Membranprotein, das die charakteristischen Stacheln an der Virusoberfläche bildet, die dem Virus sein Kronen (Korona)-ähnliches Aussehen verleihen. Das Protein ist verantwortlich für die Bindung des Virus an die Wirtszelle und seine Verschmelzung mit deren Zellmembran. Es ist daher für die Einleitung des Infektionsprozesses von entscheidender Bedeutung. Eine definierte Region dieses Proteins beherbergt die Rezeptorbindungsdomäne, die sich mit dem Angiotensin-konvertierenden Enzym 2 (ACE-2), dem zellulären Rezeptor an der Oberfläche der Wirtszelle verbindet, und somit unerlässlich für die Infektion des Wirten ist.  

Anfang April bildete sich an der BOKU ein Department-übergreifendes Konsortium bestehend aus WissenschaftlerInnen der Departments für Biotechnologie (DBT) und für Angewandte Genetik und Zellbiologie (DAGZ), dem Austrian Centre of Industrial Biotechnology (ACIB) sowie DBT-assozierten Spin-Offs (Novasign, enGenes Biotech), mit dem Ziel, diese beiden SARS CoV-2 Antigene rasch für einen Antikörpertest bereitzustellen. Das DBT verfügt über eine breite Expertise und die notwendige Infrastruktur um rekombinante Proteine in verschiedenen Produktionssystemen, wie z.B. Säugetier- und Insektenzellen oder mikrobiellen Organismen wie Bakterien und Hefen, im kleinen und großen Maßstab zu exprimieren (herzustellen) und zu reinigen. Das DAGZ erweitert diese Expertise um die Herstellung von rekombinanten Proteinen in Pflanzen und der gezielten Veränderung von deren Zuckerstrukturen. Die wissenschaftliche Neugier und das Bedürfnis zu helfen trieb das Team um die BOKU in den letzten drei Monaten an, unterschiedliche Versionen dieser Antigene sowie zusätzliche Antigen-Kandidaten zu entwickeln und diese auf Tauglichkeit für deren Einsatz in einem Antikörpertest zu prüfen. Hierfür wurden Seitens der BOKU u.a. eine verkürzte Variante der RBD entwickelt und an der Herstellung des viralen Nucleocapsidproteins (NP) gearbeitet. Dieses hoch immunogene strukturelle Protein befindet sich im Inneren des Virus und wird für die Verpackung des viralen Genoms in die Viruspartikel benötigt.  

Die Antigene wurden in den unterschiedlichsten an der BOKU verfügbaren Produktionssystemen hergestellt.  Um die breite Auswahl an Kandidaten einzugrenzen, wurde sehr eng mit den Konsortialpartnern, dem Institut für Medizinische Biochemie und dem Institut für Immunologie an der Vetmeduni Vienna zusammengearbeitet, welche alle Anwärter für den Antikörpertest (>30) einer ersten Vorvalidierung unterzogen. An der Vetmeduni Vienna wurden die Antigene in einem 96-well ELISA-Plattenformat mit einem von der Medizinischen Universität Wien bereitgestellten Panel an prä-COVID Seren und ausgewählten Seren von COVID19-Patienten mit unterschiedlichen Krankheitsverläufen getestet. Zusätzlich wurden alle erzeugten Proteine auch von der Abteilung Competence Unit Molecular Diagnostics  des AIT Austrian Institute of Technology  als auch von der Klinischen Abteilung für Nephrologie und Dialyse der MedUni Wien mithilfe einer alternativen Testplattform auf ihre Funktionalität überprüft. Auf Basis dieser Ergebnisse konnte man die Auswahl schnell einengen.  Weiters wurden an der Vetmeduni Vienna erste technische Optimierungen in Bezug auf das ELISA-Test-Setup vorgenommen, um hier eine bessere Trennschärfe zwischen den Messwerten der Proben von infizierten und nicht-infizierten Spendern zu erhalten. Die Kombination von ELISA-Performance-Daten mit den verfügbaren Resultaten in Bezug auf Produktausbeute und den Kapazitäten der BOKU für die Prozessskalierung ließ die Entscheidung auf zwei Antigen-Kandidaten fallen. Letztendlich hat sich die Produktion einer verkürzten Variante der RBD, der sogenannte „RBD Shorty“, in einer humanen Zelllinie sowie die Herstellung des Nucleocapsidproteins in E. coli  für den Test als optimal herausgestellt.

Für beide Prozesse wurden seitens der BOKU und des ACIB komplexe Reinigungsprozesse und Analyseverfahren etabliert welche gewährleisten, die Antigene reproduzierbar und mit besonders hoher Reinheit herzustellen. Die hohe Qualität der an der BOKU produzierten Antigene wurde seitens vieler externer Partner hoch gelobt, da dadurch sämtliche darauf aufbauende Tests wesentlich präziser und aussagekräftiger werden. Eine wichtige Rolle bei der Charakterisierung und Qualifizierung der Antigene spielten auch die BOKU Core Facilities. Die BOKU Core Facility Biomolecular & Cellular Analysis trug mit ihrer Expertise und Infrastruktur dazu bei, die Testkandidaten in Hinblick auf ihre Fähigkeit zur Bindung an verschiedene Moleküle (Antikörper und Rezeptoren) mittels des Octet Systems zu analysieren und damit die Funktionalität der Proteine zu überprüfen. Die BOKU Core Facility Mass Spectrometry analysierte die Antigene auf ihre Zuckerdekoration und anderer Modifikationen, welche wichtige Informationen zur Beantwortung relevanter Fragestellungen der Coronavirus-spezifischen Immunität geben. Die ausgezeichnete Zusammenarbeit der beteiligten BOKU Departments und universitären Einrichtungen erlaubte es, rasch komplexe Produktionsprozesse zu etablieren und aufwändige Analysemethoden zu entwickeln, welche die Bereitstellung von Protein-Reagenzien mit der für einen Einsatz in der medizinischen Diagnostik erforderlichen hohen Qualität sicherstellt. Durch die hervorragende Kooperation der drei Universitäten BOKU – Vetmeduni Vienna– MedUni Wien konnten weiters die Synergien genutzt und die komplementären Expertisen erfolgreich zusammengeführt werden. 

Um eine langfristige Marktversorgung mit dem entwickelten Antikörpertest gewährleisten zu können, wurde das innerhalb des Konsortiums entstandene Wissen an zwei Firmen übertragen und dadurch aussichtsreich verwertet. Die Firma enGenes Biotech GmbH, ein Start-up der BOKU, das bereits im Zuge der Produktionsentwicklung Know-How und Technologien eingebracht hatte, hat nun die Produktion und den Vertrieb der Antigene übernommen. Die Firma Technoclone hingegen hat den innerhalb des Konsortiums entwickelten ELISA Test perfektioniert, und ihn um die Möglichkeit einer Quantifizierung der Antikörperlevels erweitert. Weiters wurden an der Bedienerfreundlichkeit des Tests gearbeitet. Testplatten werden mit bereits gekoppelten Testantigenen gefriergetrocknet, was einerseits die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse und die Lagerungsstabilitäten verbessert und die Verteilung der Tests erleichtert.

Weiters war es dem Konsortium wichtig, den Test so aufzusetzen, dass er von einer Vielzahl an Laboren, unabhängig von ihrer Größe und technischen Ausstattung, durchführbar ist. Stellt sich nun noch die Frage: „Wie ist er denn wirklich, der Antikörpertest, made in Austria?“. Um diese Frage zu beantworten, wurde der Test am Klinischen Institut für Labormedizin der MedUni Wien einer ersten Leistungsbewertung unterzogen. Hier wurde eine klinische Validierung auf Basis von 1200 prä-COVID Seren und über 200 Patientenseren, von Spendern mit schwachen bis schweren Krankheitsverläufen, durchgeführt und mit den Ergebnissen von bereits kommerziell erhältlichen Antikörpertests verglichen. Zusätzlich wurde der Test einer weiteren Härteprüfung in den Landeskrankenhäusern (LKH) Linz und Innsbruck unterzogen und hier mit insgesamt über 1000 Patientenseren evaluiert. Die Institute kommen unabhängig voneinander zu dem gleichen Ergebnis: Der in Wien entwickelte Antikörpertest weist eine hervorragende Testgüte auf und eignet sich für die breite klinische Anwendung! Da der entwickelte Test unabhängig von großen Verdünnungsrobotern auskommt und eine sehr hohe Lagerungsstabilität und in einem sehr stabilen Testformat aufweist, kann er hervorragend auch in sehr kleinen Labors österreich- und weltweit eingesetzt werden.

Um darüber hinaus den Nachhaltigkeits- und Gemeinschaftsgedanken der BOKU zu leben, wurden die produzierten Antigene auch an viele andere akademische und kommerzielle Partner für die Entwicklung neuartiger Testsysteme und der Untersuchung COVID-assoziierter Forschungsfragen verteilt. Denn nicht jedes Labor hat Zugang zu rekombinanten Proteinproduktions- und reinigungstechnologien und Plattformen zur Analyse der Proteinqualität.  Um die Antigenverteilung  besser und einfacher koordinieren zu können, hat das BOKU-Startup Novasign GmbH  Teile seiner Onlinelösungen weiterentwickelt und für die BOKU eine Online-Plattform  entworfen, welche es der BOKU ermöglicht, zukünftige Anfragen besser und schneller zu bearbeiten. Über das BOKU-Covid19 Portal  ist es ForscherInnen möglich, Testmengen der produzierten Proteine für Forschungs- und Entwicklungszwecke gratis (nur Versandkosten) anzufordern.  Hierbei handelt es sich um die zwei SARS CoV-2 Antigene, welche für den Antikörpertest entwickelt wurden, das RBDshorty und NP, als auch das spike protein. Dadurch wird für die  BOKU gewährleistet,  einen noch größeren Beitrag für die Gesellschaft im Kampf gegen COVID19 zu leisten. Ein Überblick, Anfragen und aktuelle Updates über die derzeitig verfügbaren Antigene sind nach Anmeldung jederzeit möglich. 

Die größte Herausforderung bei der Entwicklung dieses Tests war es, ein multidisziplinäres Team zusammen zu stellen und die entstandenen Resultate gemeinsam zu bewerten und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Hierbei haben mehrere Universitäten zusammen gearbeitet, ohne vorher jemals an einem vergleichbaren Projekt gemeinsam beteiligt gewesen zu sein. Insgesamt haben an diesem Projekt über 80 Personen mitgearbeitet um Antigene herzustellen, zu reinigen und zu analysieren, ELISA Tests zu entwickeln und durchzuführen, diese auf umfassende Art und Weise zu prüfen und zwischen unterschiedlichen Parteien zu vermitteln und Verträge aufzusetzen. Dass diese Entwicklung nicht von einem einschlägig tätigen Unternehmen ausging, in welchem die Prozesse der Entwicklung und Kommerzialisierung von Antikörpertests bereits im Vorfeld etabliert wurden, sondern von einem spontan entstandenen Verbund aus mehreren Universitäten und Firmen unterstreicht die schnelle Lösungskompetenz des hier zusammenwirkenden Konsortiums. Binnen vier Monaten hat es dieses vielfältige Konsortium geschafft, einen COVID19-Antikörpertest “Made in Austria” von der Idee auf den Markt zu bringen. Abschließend möchten wir uns noch beim Wiener Wissenschafts- und Technologie Fund (WWTF) für eine Teilfinanzierung des Projektes, der Firma ForteBio, ein Sartorius-Marke, für die kostenfreie Bereitstellung von Materialien für die labelfreie Proteinanalyse mittels Octet, sowie dem Amazon Web Service (AWS) für die Bereitstellung von Rechenkapazitäten in Form von AWS Credits für die Implementierung des Boku Covid 19 Portals bedanken.

Miriam Klausberger und Mark Dürkop

(09.09.2020)