Der vermehrte Einsatz von verschlüsselten, digitalen dezentralen Zahlungsmitteln, auch Kryptowährungen genannt, beeinflusst und transformiert den Staat und die Gesellschaft. Das Recht ist auf diese Entwicklung nicht vorbereitet, dadurch entstehen eine Vielzahl von Spannungen.
Am 10. März 2017 fand an der Karl-Franzens-Universität Graz der Workshop „Kryptowährungen - Digitale Transaktionen - Staatliche Transformationen: Interdisziplinäre Perspektiven“ statt. Dieser wurde von Univ.-Prof.in Dr.in Tina Ehrke-Rabel (Karl-Franzens-Universität Graz), Univ.-Prof.in Dr.in Iris Eisenberger M.Sc.(LSE) (Universität für Bodenkultur) und Univ. Prof. Dr. Richard Sturn (Karl-Franzens-Universität Graz) im Rahmen des Projekts „KryptoStaat“ veranstaltet.
Das Projekt ist eine Kooperation zwischen der Karl-Franzens-Universität Graz, der Universität für Bodenkultur Wien und der TU München. Es beleuchtet Kryptowährungen in erster Linie aus einer öffentlich-rechtlichen, einer finanzrechtlichen sowie einer finanzwissenschaftlichen Perspektive.
MitarbeiterInnen und DissertantInnen der teilnehmenden Institute präsentierten im Rahmen des Workshops erste Forschungsergebnisse. Die Vorträge reichten von grundlegenden datenschutzrechtlichen und demokratiepolitischen Fragen über monetär ökonomische Aspekte bis zur Analyse von Besteuerungen neuartiger Technologien.
Der erste Vortrag von Mag.a Paula Resch (Universität für Bodenkultur Wien) beschäftigte sich mit Datenschutzrecht und Kryptowährungen. Der Schutz personenbezogener Daten ist in Europa grundrechtlich verankert. Ob relevante Bestimmungen auf Kryptowährungen und die dahinterstehende Blockchain-Technologien anwendbar sind, war der Schwerpunkt des Vortrags. Vor allem die Anwendbarkeit des Rechts auf Vergessenwerden und dessen Folgen wirft viele Fragestellungen auf. Die Klassifizierung von in der Blockchain gespeicherten Daten als „personenbezogene Daten“ im Sinne des Datenschutzrechts ist strittig. Da die Ausgestaltung von Kryptowährungen den staatlichen Zugriff de facto verunmöglicht, würde die Anwendbarkeit datenschutzrechtlicher Normen zu Umsetzungsschwierigkeiten führen.
Frau Mag.a Lily Zechner (Karl-Franzens-Universität Graz) behandelt Kryptowährungen aus einer finanz- und zivilrechtlichen Perspektive. Sie beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, ob das Mining und Netzwerke wie jenes von Bitcoin nach der derzeitigen österreichischen Rechtslage kategorisiert werden kann. Ihr Vortrag war ein erster Ansatz, innerhalb der Blockchain Vertragsverhältnisse zu definieren.
Daniel Konrad, BA (Karl-Franzens-Universität Graz) ging in seinem Vortrag auf die monetär-ökonomischen Aspekte von Kryptowährungen ein. Trotz eines Urteils des EuGH (22. 10.2015, C-264/14, Hedqvist), welches Bitcoin als Währungen anerkennt, ist ihre Einordnung als „Geld“ umstritten. Da sie als dezentrale, verschlüsselte und digitale Zahlungsmittel ausgestaltet sind, unterscheiden sich stark von bestehenden Zahlungsmittel. Daher ist ein Vergleich mitunter schwierig.
Mag. Martin Sumper (Karl-Franzens-Universität Graz) forscht über die Auswirkung von Steuersystemen auf demokratische Prozesse. Geordnete und gerechte Steuerpolitik würden die Entstehung und Beibehaltung von demokratischen Regierungsformen unterstützen. Andererseits ist bei Staaten, die ihren Haushalt nur über Rohstoffe finanzieren, meist ein Defizit bei der demokratischen Mitbestimmung zu sehen. Da Kryptowährungen in ihrer derzeitigen Form für die staatliche Gewalt schwer zu fassen sind, stellen sie eine Herausforderung für Steuersysteme und demokratische Prozesse dar.
Eng verknüpft mit dem vorangehenden Vortrag ging Dr.in Elisabeth Hödl (ubifacts) auf die Frage ein, wie „demokratisch“ Kryptowährungen tatsächlich sind. Viele der digitalen Zahlungsmittel wurden in einem liberalen Freiheitsgedanken entwickelt. Dennoch werfen Kryptowährungen demokratiepolitische Fragen auf. Neben Minderheitsrechten sind es Aspekte wie Transparenz und Mitbestimmung, die hier relevant sind. Vor allem der Einsatz neuartiger Technologien in der staatlichen Verwaltung ist in diesem Zusammenhang kritisch zu sehen. Werden Blockchaintechnologien beispielsweise bei öffentlichen Registern, bei der Durchführung von Wahlen oder bei Steuerberechnungen eingesetzt, sind ihre demokratiepolitischen Auswirkungen besonders kritisch zu hinterfragen.
Als Abschluss stellte Luisa Scarcella, Dott.ssa (Karl-Franzens-Universität Graz) erste Forschungsergebnisse zur Besteuerung künstlicher Intelligenz vor. Durch den Einsatz neuer Technologien im privaten Bereich verändert sich der Arbeitsmarkt zunehmend. Ob und welche Mechanismen diese Entwicklung positiv beeinflussen, ist strittig. Hierfür sind vor allem auch volkswirtschaftliche Aspekte zu beachten. Zwar wurden schon erste Regelungen europaweit verabschiedet über künstlicher Intelligenz (Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2017 mit Empfehlungen an die Kommission zu zivilrechtlichen Regelungen im Bereich Robotik (2015/2103(INL))), es gibt keine Bestimmung über die Besteuerung von künstlicher Intelligenz.
Ebenfalls anwesend war Prof. Djalel Maherzi (Algerien). Er brachte eine außereuropäische Sichtweise ein, Besonderheiten des algerischen Rechts, wie die unternehmerische Ölsteuer, boten interessante Denkanstöße für die Vortragenden.
Der Workshop machte die Vielfalt der zu erforschenden Fragestellungen deutlich. Die Diskussionen zeigten ebenfalls, dass zur Lösung der auftretenden Probleme eine interdisziplinäre Herangehensweise unabdingbar sein wird.
Paula Resch