Der langjährige Rektor und wegweisende Visionär der Universität für Bodenkultur Wien ist am 22. Mai im Alter von 86 Jahren verstorben.

In tiefer Trauer nehmen wir Abschied von unserem Altrektor Manfried Welan. Sein Tod hinterlässt eine Lücke in der wissenschaftlichen Gemeinschaft und bei all jenen, die das Privileg hatten, ihn zu kennen, mit ihm zu arbeiten oder von ihm zu lernen.

Manfried Welan wurde am 13. Juni 1937 in Wien geboren. Im Anschluss an sein Studium der Rechtswissenschaften begann er nach beruflichen Stationen am Verfassungsgerichtshof und in der wissenschaftlichen Abteilung der Wirtschaftskammer Österreich eine beeindruckende akademische Laufbahn. 1969 wurde er an der Universität für Bodenkultur Wien zum Außerordentlichen Professor und Vorstand des Instituts für Rechtswissenschaften ernannt, 1973 zum Ordentlichen Universitätsprofessor. 1974 bis 1976 war Welan Prorektor der BOKU, von 1977 bis 1981 Rektor und sodann bis 1984 erneut Prorektor. Von 1979 bis 1981 war er Mitglied des Präsidiums des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und erster Präsident der Österreichischen Rektorenkonferenz, der nicht von der Universität Wien kam. In diesen Funktionen begann Manfried Welan ab den ausgehenden 1970er-Jahren mit viel Verve die Bedeutung der BOKU in der heimischen Universitätslandschaft und im Bewusstsein deren Entscheidungsbefugten zu verankern. 1990 wurde er zum dritten Mal zum Rektor der Universität für Bodenkultur Wien gewählt. 1994 bis 2001 bekleidete er das Amt des Vizerektors. Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2005 war er als Ordentlicher Professor tätig.

Über seine akademische Karriere hinaus engagierte sich Welan als zutiefst demokratischer Mensch auch politisch. Als einer von Erhard Buseks „Bunten Vögeln“ war er für die ÖVP Abgeordneter zum Wiener Landtag, Gemeinderat und von 1987 bis 1990 Dritter Landtagspräsident im Wiener Landtag sowie von 1986 bis 1987 Stadtrat.

Sein größtes Vermächtnis hinterlässt Manfried Welan jedoch als langjähriger Rektor der Universität für Bodenkultur Wien. Er prägte die BOKU nachhaltig und setzte wichtige Impulse für ihre Entwicklung. Sein unermüdlicher Einsatz für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und seine visionäre Führung machten ihn zu einem wegweisenden Rektor. Welan sah die Universität nicht nur als eine Stätte des Wissenserwerbs, sondern die Zeit des Studierens auch als Lebensschule und stellte seine Einführungslehrveranstaltungen für Erstsemestrige unter das Motto „Lernen Sie lesen, lernen Sie studieren, lernen Sie leben!“ Es ging ihm um die individuelle Autonomie des Denkens, alles interessierte ihn. Seine Neugierde zu allen möglichen Themen war ein wesentlicher Charakterzug von ihm.

Er veröffentlichte zahlreiche wegweisende Arbeiten und leistete bedeutende Beiträge zur Weiterentwicklung des österreichischen Verfassungsrechts. Welan war einer der Begründer des österreichischen Umweltrechts, vor allem des Agrarumweltrechts. Er zählte zu den Wegbereitern der Juristenpolitologie und der politischen Rechtslehre in Österreich. Weitere wissenschaftliche Hauptarbeitsgebiete von Manfried Welan waren die Themenbereiche Demokratie, Parlamentarismus, Staatsoberhaupt und Regierung sowie die Verfassungsgerichtsbarkeit, von den Grund- und Freiheitsrechten vor allem Eigentum und Gleichheit.

Ein wichtiges Thema, das er im kollegialen Kreis häufig diskutierte, waren Fragen der Universitätsorganisation. Er war ein großer Befürworter der Universitätsautonomie. Beim Symposium zur Gründung des Departments für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der BOKU im Jahr 2004 beendete er seinen Festvortrag mit dem Ausruf „Autonomie, Autonomie, Autonomie!“ In diesem Zusammenhang sei auch seine Rolle als Wegbereiter der Entwicklung der Universität für Bodenkultur Wien vom „Hochschülchen“ zu einer moderne „Life-Sciences-Universität“ vermerkt.

Bedeutende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens haben sich anerkennend über das Lebenswerk des Verstorben geäußert, so auch die amtierende BOKU-Rektorin Eva Schulev-Steindl: „Manfried Welan wird uns als herausragender Wissenschaftler, inspirierender Mensch, unermüdlicher Verfechter unserer demokratischen Werte und als eine der großen Persönlichkeiten der Universität für Bodenkultur in Erinnerung bleiben. Sein Wirken, seine intellektuelle Weitsicht und sein Humanismus werden weit über seinen Tod hinaus fortwirken.“

Manfried Welan war ein höchst origineller Mensch und ein Individualist durch und durch. Obwohl weltanschaulich fest in der ÖVP verankert, setzte er sich nicht selten für Anliegen ein, die traditionellerweise von Protagonisten anderer Parteien vertreten werden. Schon in seinen ersten Jahren an der BOKU war er Vertrauensdozent für ausländische Studierende gewesen. Bemerkenswerterweise hatte er bereits zu jener Zeit auch den Fragestellungen der Umweltforschung und -bildungspolitik einen besonderen Stellenwert zugemessen. Gemeinsam mit Helmuth Gatterbauer und Ruth-Elvira Groiss hatte er sich an der Universität für Bodenkultur Wien bereits in den 1970er-Jahren in Forschung und Lehre dem „grünen Recht“ zugewandt, später wirkte er im Naturschutzbund Österreich ehrenamtlich mit. Die Etablierung Wiens als international anerkannte Wissenschaftsstadt war ihm Zeit seines wissenschaftlichen Berufslebens – und darüber hinaus – ein großes Anliegen. In Analogie zum „Goldenen Wiener Herz“ prägte er in diesem Zusammenhang die Metapher vom „Goldenen Wiener Hirn“.

Immer wieder überraschte der für seinen Geistes- und Wortwitz bekannte Gelehrte mit bildsprachlichen Novitäten. Den Staat Österreich bezeichnete er einmal ironisch als eine „Republik der Mandarine und Funktionäre“. Manfried Welan, der selber in vielerlei Institutionen gestaltend aktiv war, fand sich in diesem komplexen Staatsgefüge erstaunlich gut zurecht. Er agierte darin als „Ein Diener der Zweiten Republik“, so der Titel des zweiten Teils seiner fünfbändigen Autobiografie. Als er bereits mehr als 75 Jahre alt war, äußerte er einem Kollegen gegenüber, dass in kurzer Zeit eine nicht geringe Anzahl an Freunden und Weggefährten von ihm verstorben waren. Die Frage, wie es ihm dabei ging, beantwortete Manfried Welan in gewohnt bildsprachlicher Manier: „Ich komme mir vor, wie ein Baum in einem Wald, der immer lichter wird“. Einige Jahre später erschien der vierte Band seiner Autobiografie mit dem Titel „Ein Baum in der Lichtung. Alterserwachen.“ Seinen inneren Kompass, der ihn sein Leben lang geleitet hatte, und der jetzt sein Vermächtnis ist, hat Manfried Welan in diesem Buch wie folgt beschrieben: „Mitwirken ist gefragt, selbständig und wachsam sein, g’scheit sein und trotz allem weitermachen, auch als Wächter der Republik, des Rechtsstaates und der Demokratie!“

Mehr als 30 Bücher und nicht weniger als 300 Beiträge in Fachbüchern und -zeitschriften hat Manfried Welan hinterlassen. Er publizierte zudem reichlich in verschiedenen österreichischen Zeitungen sowie Zeitschriften und war ein gefragter Interviewpartner zu politischen und gesellschaftlichen Themen in gedruckten Medien wie auch in Radio und Fernsehen. Seine Lust am Schreiben entsprang aus der bereits früh vorhandenen Liebe zur Literatur. Noch kurz vor seinem Ableben erschien das von ihm gemeinsam mit Raoul Kneucker verfasste Werk „Die Fragen des Pilatus. Wahrheit – Gerechtigkeit – Glaube“. Wie aus seinem privaten Umfeld bekannt ist, hatte der kurz vor seinem 87. Geburtstag Verschiedene auch noch weitere Publikationen geplant.

Die Persönlichkeit Manfried Welans war feinsinnig und facettenreich. Die von ihm geliebte Wissenschaft und sein tief empfundenes Gottvertrauen gerieten nie in einen Widerspruch. Längst hatte er weit über die Grenzen der österreichischen Bundeshauptstadt hinaus zur Prominenz gezählt. Wer ihn kennt, weiß, dass er sich darauf aber nie etwas eingebildet hat. Mit seiner freundlichen, weltoffenen, toleranten und empathischen Art wie auch mit seinem humorvollen Wesen erwarb er sich die Sympathie zahlreicher Menschen. Bis zuletzt meisterte er mit wachem Verstand sein Leben. Manfried Welan, der auch zur Geschichte der BOKU publizierte und als deren Rektor die Erforschung ihrer Geschichte förderte, hat sich mit seinem von vielen als außergewöhnlich empfundenen Wirken in die mehr als 150-jährige Geschichte der von ihm geliebten Institution in nachhaltiger Weise eingeschrieben.


27.05.2024