32000 Jahre alte Pflanze blüht zum ersten Mal in vitro
Die Wahrnehmung der Dimension Zeit ist für die menschliche Vorstellungskraft eine besondere Herausforderung. In Bezug auf Pflanzen denken wir höchstens an einige wenige tausend Jahre der Domestikation unserer Nutzpflanzen, die seit der Sesshaftwerdung der Menschen eingesetzt haben mag. So stammen etwa die ältesten Funde für sesshafte Kulturen in Österreich aus Brunn bei Wien und datieren bis 5.500 v. Chr. zurück.
Im Jahr 2012 gelang es Dr. Svetlana Yashina und ihren Kollegen von der Russischen Akademie der Wissenschaften in Pushchino mit ihrer bahnbrechenden Arbeit in den Bereichen Kryobiologie, Zellbiologie und Botanik, Pflanzen aus 32.000 Jahre alten Samen unbekannter Arten, aus dem sibirischen Permafrostboden wiederzubeleben.
Dr. Svetlana Yashina beim Betrachten ihrer revitalisierten Silene-Pflanzen in der Gewebekultur
|
Die ursprünglich als Silene stenophylla identifizierten Pflanzen wurden aus der Placenta unter Verwendung von in vitro Gewebekultur regeneriert. Die so revitalisierten Pflanzen blühten und gaben Samen, die erfolgreich keimten (Yashina et al., 2012). So betrachtet, wurde durch die Revitalisierung einer Pflanze, die zuletzt blühte, als Wollmammuts die Ebenen durchstreiften, etwas wiederbelebt, das bereits ausgestorben war.
Die Arbeit hatte sowohl in Russland als auch im Ausland eine bedeutende Resonanz, was sich in den Schlagzeilen der Weltnachrichtenagenturen widerspiegelte (CNN: Leben aus prähistorischen Samen wiederbelebt; CBS: russische Wissenschaftler; keimendes Eiszeitsamen; NATURE: Wildblume blüht nach 30.000 Jahren auf Eis wieder; BBC: Alte Pflanzen werden nach 30.000 gefrorenen Jahren wieder lebendig).
Diese Pflanze hat auch Künstler in ihren Bann gezogen und wurde 2019 zum „Fascination of Plant Day“ in Wien einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt.
Um die Kunstausstellung „Aeviternity“ von Christian Kosmas Mayer (Februar–Juni 2019) im Mumok, Museum Moderner Kunst, Wien 2019 zu ermöglichen, ist es uns von der Plant Biotechnology Unit der BOKU gelungen, Kontakt mit den russischen Kollegen des Institute of Cell Biophysics, Russian Academy of Sciences, Pushchino aufzunehmen, und Exemplare dieser revitalisierten Silene einerseits als Leihgabe für die Ausstellung, andererseits aber auch als Forschungsobjekt zu erhalten.
Es ist mir daher absolut wichtig, echte Exemplare der alten Silene stenophylla in der Ausstellung zu haben. Mit ihrer Anwesenheit ermöglichen sie den Besuchern, etwas Körperliches zu fühlen, das über das hinausgeht, was gesagt oder verstanden werden kann. Ich glaube, genau dort kann Kunst wirklich wichtig sein: die Verbindung zwischen Wissen und Intuition, Geist und Gefühl. Christian Kosmas Mayer |
Durch die regelmäßige Subkultivierung durch Veronika Hanzer von der PBU konnte die Erhaltung sichergestellt werden. Nun hat es uns die Pflanze gedankt und zum ersten Mal in vitro geblüht.
Wie der austro-amerikanische Nobelpreisträger Eric R. Kandel in The Age of Insight (2012) zu Recht feststellt, hat der ständige Dialog zwischen Kunst und Wissenschaft seinen Ursprung im Fin de Siècle Wien des 19. Jahrhunderts. Seither haben sich Kunst und Wissenschaft in der Vergangenheit gegenseitig beeinflusst. Es ist die Herausforderung an die jeweils aktiven Wissenschaftler und Künstler, sicherzustellen, dass diese interdisziplinären Einflüsse in Zukunft unser Wissen und unsere Freude an Wissenschaft und Kunst bereichern können.