Die Doyenne der Pflanzlichen Gewebekultur in Österreich feierte am 02.03. 2020 ihren 97. Geburtstag. So hat Prof. Otto Härtel, der Nachfolger Gottlieb Haberlandts in Graz, Univ. Doz. Dr. Waltraud Rücker anlässlich eines Festaktes im Josephinum bezeichnet.
Eingeweihte wissen damit bereits, dass dies das Höchste ist, was man sich als Wissenschafter wünschen kann, nämlich als Begründerin einer Fachrichtung in seinem Land anerkannt zu werden.
Für die Nicht-Wissenschafter unter Ihnen sollen die nachfolgenden kurzen Ausführungen erläutern, was damit gemeint ist.
Die wegweisende Publikation „Culturversuche mit isolierten Pflanzenzellen“ von Gottlieb Haberlandt im Jahre 1902 enthielt seine Vision von der Totipotenz der Pflanzenzelle, obwohl die Realisierung erst 1939 im Labor von Roger Gautheret in Paris gelang. Aus Gautheret Labor brachte Dr. Waltraud Rücker vertieftes Wissen nach Österreich zurück und baute hier ein völlig neues Fachgebiet auf.
In den 50er Jahren, am Institut für Chemie von Prof. Broda, lernte Dr Waltraud Rücker durch Prof. Melchers die pflanzliche Gewebekultur kennen, und begründete damals die pflanzliche GK in Österreich.
Anfang der 60er Jahre wurde Dr. Waltraud Rücker mit der Aufgabe betraut, im Forschungszentrum Seibersdorf ein Laboratorium für pflanzliche Zell- und Gewebekultur einzurichten. Die Erfahrungen dazu holte sie sich aus dem Lab. de Biologie Végétale an der Sorbonne bei Prof. Roger Gautheret, damals die erste Instanz auf dem Gebiet.
Im Seibersdorfer Labor wurde ein großes Spektrum von grundlegenden pflanzenphysiologischen und angewandten Fragestellungen bearbeitet.
In den 70er Jahren wechselte Dr. Waltraud Rücker wieder an die Universität Wien, formal an das Institut für Pflanzenphysiologie, faktisch ans Institut für Pharmakognosie, wo im Keller der Universitäts-Zahnklinik unter Einsatz von Projektgeldern ein kleines, voll funktionstüchtiges Labor für Pflanzliche Gewebekultur eingerichtet wurde. Dort habe ich sie als Doktormutter 5 Jahre lang erlebt, und sehr viel gelernt, vor allem habe ich den absolut kritischen und exakten Zugang zum Aufbau von Versuchen, zur Bewertung der eigenen Daten, aber auch den Sinn für sprachliche Feinheiten und einen subtilen Humor zu schätzen gelernt.
Am Institut für Pflanzenphysiologie wurde Dr. Waltraud Rücker 1984 die Lehrbefugnis als Univ. Dozentin für „Pflanzenphysiologie mit besonderer Berücksichtigung der Pflanzlichen Gewebekultur“ verliehen.
Nach 1989 verlegte Univ.Doz. Dr. Waltraud Rücker Ihre Tätigkeiten in das neu gegründete in vitro Labor der Gartenbauschule Schönbrunn.
Auch in der Pflanzenbiotechnologie-Gruppe des IAM an der BOKU hat Waltraud Rücker mit uns weitergearbeitet. So haben wir 1998 das 100 jährige Jubiläum der Haberlandt´schen Idee mit einem Symposium gewürdigt, denn schliesslich muss Haberlandt die Idee ja schon vorher gehabt und mit den Arbeiten begonnen haben, wenn er sie 1902 in den Berichten der K&K Akademie der Wissenschaften publizieren konnte!! 2003 haben wir gemeinsam den Gedenkband „Plant Tissue Culture: 100 Years since Gottieb Haberlandt“ beim Springer Verlag herausgegeben.
Dr. Waltraud Rücker war über 30 Jahre lang National Correspondent der IAPTC seit ihrer Gründung im Jahr 1971, und hat in dieser Funktion zur Organisation des Deutschen Botanischen Kongresses 1984 und des 17. Intl. Botanical Congress 2005 in Wien beigetragen. Diese Funktion habe ich seither von ihr übernommen.
Für ihre lebenslange Widmung für die pflanzliche Gewebekultur wurde Dr. Waltraud Rücker denn auch der Gottlieb-Haberlandt-Preis verliehen.