Um heutige Nachhaltigkeitsprobleme zu verstehen, sind Langzeitforschungen nötig: Die Herausforderungen, mit denen wir heute konfrontiert sind, sind das Ergebnis langfristiger Entwicklungen. Auch künftige nachhaltige Entwicklung muss die langfristigen, teils weit in die Zukunft reichenden Folgen und Nebenwirkungen von Entscheidungen, die wir heute treffen, berücksichtigen.
Im Themenfeld sozial-ökologische Langzeitforschung und Umweltgeschichte bearbeiten wir langfristige, wechselseitige Veränderungsprozesse von Gesellschaft und Natur. Nach unserem ko-evolutionären Verständnis prägt gesellschaftliches Handeln die Umwelt, es entscheidet u.a. über die Verfügbarkeit von Rohstoffen sowie Art und Ausmaß von Umweltverschmutzung. Die soziale und wirtschaftliche Organisation von Gesellschaften wiederum sind Folge und Ursache des jeweiligen gesellschaftlichen Stoffwechsels und bestimmter Kolonisierungsleistungen. Einer unserer Forschungsschwerpunkte liegt in der Untersuchung der Nachhaltigkeitsprobleme von Industrialisierungsprozessen. Den Wandel von lokaler, auf Solarenergie und Biomasse beruhender Energieversorgung hin zur Nutzung fossiler Energieträger betrachten wir als einen Wechsel des sozialökologischen Regimes. Er geht mit einer Verlagerung von Nachhaltigkeitsproblemen einher. Diesen Regimewechsel untersuchen wir auch quantitativ, indem wir historische Quellen und Datenbestände kritisch nutzen, um Methoden wie Material- und Energieflussanalyse auf historische Zeiträume anzuwenden.
Wir arbeiten auch zur Transformation sozio-naturaler Schauplätze. Darunter verstehen wir die Verknüpfung sozio-naturaler Arrangements mit Praktiken unterschiedlicher Akteure. Dieses Konzept, das die Dichotomie zwischen Gesellschaft und Natur überwinden will, wenden wir für qualitative wie quantitative Untersuchungen verschiedener umwelthistorischer Themen an, wie etwa der Veränderung Wiens und seiner Gewässerlandschaft seit dem Mittelalter oder der Erschließung von alpinen Tourismuslandschaften. Das Verhältnis menschlicher Gesellschaften zur Natur hat eine biophysisch-materiell und eine symbolisch-kommunikative Seite. Diese kulturelle Seite des gesellschaftlichen Naturverhältnisses erforschen wir insbesondere mit Arbeiten zum Wandel von Wahrnehmung und Risiko.
Themenfeldverantwortliche: Simone Gingrich
Das Zentrum für Umweltgeschichte (ZUG) wurde 2003 gegründet. Heute ist es als Netzwerkprojekt am Institut für Soziale Ökologie angesiedelt. Als Kommunikationsplattform trägt das ZUG zur nationalen und internationalen Vernetzung umwelthistorischer Forschung und Lehre in Österreich bei. Es kuratiert die internationale Vortragsreihe "ZUG-Minisymposien", koordiniert umwelthistorische Lehre im Raum Wien und gibt die Publikationsreihe "ZUG-Materialien" heraus.
Ansprechperson: Martin Schmid