Welche Chancen und Handlungsempfehlungen gibt es für die (digitale) Vermarktung regionaler Lebensmittel und kulinarischem Tourismus? Dieser Frage sind Anna Luegmair und Rainer Haas am Institut für Marketing und Innovation nachgegangen. Nähere Informationen in der Detailansicht.

 

Vielfalt-Kulinarik-Destination Österreich — Welche Chancen und Handlungsempfehlungen gibt es für die (digitale) Vermarktung regionaler Lebensmittel und kulinarischem Tourismus?

B.Sc. Anna Sophie Luegmair, Ao.Univ.Prof. DI Dr. Rainer Haas

Der weltweite Tourismus wächst stetig und insbesondere Europa stellt dabei eine wichtige Tourismusdestination dar (DZT, 2015). Klar im Trend liegt dabei der gastronomische Tourismus (Gheorge et al., 2014). Eine Masterarbeit, welche am Institut für Marketing und Innovation an der Universität für Bodenkultur Wien erstellt wurde, zeigt mögliche Chancen und Handlungsempfehlungen für die (digitale) Vermarktung regionaler Lebensmittel und kulinarischem Tourismus in Österreich auf.

Österreich als kulinarisches Reiseziel:

Österreich zählt zu einem besonders attraktiven Reiseziel, wie laut Statistik Austria zu erkennen ist, denn die Ankünfte von in- und ausländischen Touristen steigen jährlich (Statistik Austria, 2019). Österreich ist reich an kulinarischer Vielfalt und blickt auf eine lange Tradition der Ess-, Trink- und Küchenkultur zurück. Die verschiedenen Regionen Österreichs stehen für Diversität und so ist jede einzelne bekannt für typische Spezialitäten (Bauer-Krösbacher et al., 2017). Das Fundament der österreichischen Kulinarik sind einerseits die Landwirte, welche für die Produktion der qualitativen Lebensmittel verantwortlich sind. Andererseits gibt es auch etliche österreichische Manufakturen, welche die Veredelung der Produkte vollbringen. Außerdem übernimmt der Tourismus, wie zum Beispiel die Hotellerie, sowie die Gastronomie eine entscheidende Rolle für die Verarbeitung (AMA-Marketing, 2020).

Laut einer Studie des Jahres 2017 von Bauer-Krösenabcher sehen sowohl Österreicher als auch Deutsche Italien als das kulinarische Reiseland schlechthin. Für Österreicher folgt bereits Österreich an zweiter Stelle, wenn es um das Ranking von kulinarischen Reisezielen geht. Blickt man jedoch über die Grenzen, wie z.B. nach Deutschland, bewerten dort die Menschen Österreich erst auf Platz 6. bei kulinarischen Reisezielen (Bauer-Krösbacher et al., 2017). Durch eine Förderung von traditionellen kulinarischen Produkten in den jeweiligen Regionen könnte man das Image von verschiedenen Destinationen aufwerten und somit Besucherzahlen erhöhen (Sims, 2009).

Die Veränderung im Konsumverhalten von Lebensmittel

Viele Verbraucher haben Misstrauen gegenüber der etablierten Lebensmittelindustrie (Cavicchi und Santini, 2018). Bezüglich der Herstellung hat der Konsument Interesse, wie Lebensmittel produziert werden. Auf Aspekte wie Umwelt, Tierwohl, biologische Verfahren und die gentechnikfreie Erzeugung wird geachtet (Grunert, 2006).  Der Ausbruch von COVID-19 bringt darüber hinaus eine weitere Veränderung im Konsumverhalten mit sich, denn die Nachfrage nach Gesundheit für Mensch und Planet steht im Vordergrund (Mintel, 2020).

Weiters wird lokalem Essen in den vergangenen Jahren vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt, was als Antwort auf die zunehmende Nachfrage nach authentischen Lebensmitteln gilt (Ditlevsen et al., 2020). Konsumenten haben Interesse an Authentizität und wollen Geschichten zu den Produkten hören (Cavicchi und Santini, 2018). Die Nachfrage nach authentischen Produkten wird als Reaktion auf die Entwicklung von konventionellen Mainstream Lebensmittel Systemen gesehen, welche standardisierte Lebensmittel erzeugen (Ditlevsen et al., 2020). Daraus ergeben sich große Chancen für Hersteller von traditionellen Produkten und ebenso kleinen Betrieben, die über Generationen hinweg traditionelle Lebensmittel produzieren. Essen und Getränke in Beziehung zu authentischen Geschichten, sowie Traditionen zu setzen, gilt als inhärentes Element, um Vertrauenswürdigkeit zu schaffen (Cavicchi und Santini, 2018).

Erwartungen an kulinarische touristische Erlebnisse

Beim kulinarischen Tourismus werden Lebensmittel- sowie Getränkeproduzenten, Food Festivals, Restaurants sowie Verkostungen besucht. Besondere Orte, welche in Zusammenhang mit spezifischen Lebensmitteln stehen oder die Beobachtung der Herstellung und Zubereitung eines Essens liegen im Fokus (Sormaz et al., 2016). Die Attraktivität eines kulinarischen Reiseziels hängt mittlerweile sehr stark mit dem Angebot regionaler Lebensmittel zusammen, denn dies kann dazu beitragen eine gewisse Botschaft einer Region an den Konsumenten zu vermitteln. Ein Angebot regionaler Lebensmittel im Tourismus, sowie in der Gastronomie wird daher als wichtig erachtet.

Zielgruppen

Es konnte festgestellt werden, dass eine sehr breite Zielgruppe angesprochen werden kann, da Österreich Möglichkeiten innehat, für verschiedenste Tourismusgruppen Angebote zu schnüren. Zu erwähnen gilt jedoch, dass die in Frage kommenden Zielgruppen über einen gewissen finanziellen Spielraum verfügen sollten. In den für die Masterarbeit geführten Experteninterviews wurde außerdem betont, dass auch jüngere Menschen ein besonderes Interesse an kulinarischen Erfahrungen auf Reisen haben. Zu diesen Ergebnissen kam man auch in der Theorie, wobei hierbei auch explizit die Generation Y, sowie Senioren in den Vordergrund gestellt wurden.

Das Netzwerk Kulinarik:

Die österreichische Regierung hat es sich zum Ziel gesetzt, Österreich als die wichtigste Kulinarik-Destination Europas zu positionieren. Dabei soll die Strategie Kulinarik Österreich unter der Einbindung regionaler Initiativen umgesetzt und weiterentwickelt werden. Weiters soll das Netzwerk Kulinarik als zentrale Vernetzungs- und Maßnahmenstelle dienen. (Bundeskanzleramt Österreich, 2020). Mögliche Akteure entlang der Wertschöpfungskette sollen vernetzt werden, um der Nachfrage der Konsumenten und Touristen nach regionaler und nachhaltiger Erzeugung gerecht zu werden und somit auch einen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Nutzen für Produzenten sowie Dienstleister zu schaffen (AMA-Marketing, 2020).

Die Rolle der Digitalisierung für die Vermarktung kulinarischer touristischer Reiseziele:

Im internationalen Raum konnten diverse Onlineplattformen, welche sich mit dem Thema Kulinarik, traditionellen, sowie regionalen Lebensmitteln in Kombination mit Tourismus befassen, in der Masterarbeit analysiert werden, welche als mögliche Orientierung zum Aufbau einer Onlineplattform zur Vermarktung regionaler Lebensmittel und kulinarischem Tourismus in Österreich dienen könnten. 

Vermarktungsstrategien

Auf einer Webseite zur Vermarktung regionaler Lebensmittel und kulinarischem Tourismus in Österreich sollten grundsätzlich vielfältige landwirtschaftliche, kulinarische, kulturelle sowie touristische Angebote vorgefunden werden. Weiters gilt es Besonderheiten kulinarischer Traditionen hervorzuheben, um personalisierte Angebote zu schaffen. Die Bereitstellung von qualitätsgesicherten Angeboten ist weiters essenziell. Es gilt eine benutzerfreundliche Plattform zu entwickeln und die virtuelle Realität so weit auszubauen, sodass die Einzigartigkeit kulinarischer Erlebnisse in Österreich virtuell spürbar wird und das Interesse des Webseitenbesuchers weckt.

Eine digitale Landkarte sollte ein großes Angebot an Daten, schlank und einfach nach Kriterien darstellen und im Responsive Design verfügbar sein. Sie sollte als persönlicher Reisebegleiter fungieren und location-basierte Anwendungen zur Verfügung stellen.

Soziale Netzwerke gelten als digitales Kommunikationstool, um mit Zielgruppen in Kontakt zu treten und mit diesen zu kommunizieren. Laut Experten sollte aber auch nicht auf andere Bewerbungskanäle wie z.B. Printmedien vergessen werden. Empfehlungen durch Freunde, also auch die Relevanz des „Word-of-Mouth“ wurde explizit erwähnt, was auf die hohe Relevanz von sozialen Medien hindeutet. Weiters sind Newsletter Marketing, Podcast Marketing, und Blogs, wichtig, um mit Nutzern in Kontakt zu treten.

Schlussfolgerung

Österreich besticht durch Faktoren, wie ein funktionierendes landwirtschaftliches System, die Vielfältigkeit österreichischer Regionen sowie Traditionen, als kulinarisches Reiseziel.  Diese Vorteile sollten bei der Bewerbung Österreichs klar hervorgehoben werden, denn Länder wie z.B. Frankreich oder Italien sind sehr starke Akteure im Bereich des Kulinarik-Tourismus. Diesbezüglich gilt es, das Ziel der österreichischen Regierung „Österreich als „Die Kulinarik-Destination Europas“, zu präzisieren. Eine mögliche Strategie könnte sein, Österreich als die vielfältigste (z.B. „Regionen-Hopping“) oder als die beste kulinarische Destination im Alpenraum zu bewerben. Um internationale Gäste vermehrt anzusprechen, sollte das Lebensmittelqualitäts- und Herkunftssicherungssystem klar kommuniziert werden. Gäste müssen die Herkunft von Produkten klar erkennen können, weshalb auch die Verortung durch Kennzeichnung und Marketingaktivitäten forciert werden sollte.

 

Quellen:

AMA-MARKETING GESMBH - NETZWERK KULINARIK. (2020): Strategie Kulinarik Österreich. Wien. at: b2b.amainfo.at/kulinarik/netzwerk-kulinarik-aktuelles/ (Abfrage am 23.11.2019).

BAUER-KRÖSBACHER, C., STÖCKL, A.F., TISCHLER, S. (2017): Die kulinarische Attraktivität des Reiselandes Österreich: Selbstbild vs. Aussensicht/Austria’s Image as a Culinary Tourism Destination: Selfimage versus Outside Perspective. Kulinar. Tour. Weintourismus 125–134. at: doi.org/10.1007/978-3-658-13732-8_10 (Abfrage am 27.04.2021).

CAVICCHI, A., SANTINI, C. (2018): “In Tradition We Trust”: The Emerging (?) Trends of Authenticity in the Food Sector and the Role of Consumer Science to Support SMEs, in: Cavicchi, A., Santini, C. (Eds.), Case Studies in the Traditional Food Sector, Woodhead Publishing Series in Food Science, Technology and Nutrition. Woodhead Publishing, pp. xxi–xxxii.

DIE ÖSTERREICHISCHE BUNDESREGIERUNG. (2020): Regierungsprogramm 2020-2024. Bundeskanzleramt. Wien. at: www.dieneuevolkspartei.at/Download/Regierungsprogramm_2020.pdf (Abfrage am 27.03.2020).

DITLEVSEN, K., DENVER, S., CHRISTENSEN, T., LASSEN, J. (2020): A taste for locally produced food - Values, opinions and sociodemographic differences among ‘organic’ and ‘conventional’ consumers. Appetite 147, 104544.

DZT (DEUTSCHE ZENTRALE FÜR TOURISMUS). (2015): DZT-Jahresbericht 2015. Frankfurt/Main. at: www.germany.travel/media/content/presse/de/pressemitteilungen_2015/_DZT_Jahresbericht_2015_DE_RZ_komplett.pdf (Abfrage am 06.03.2020).

GHEORGHE, G., TUDORACHE, P., NISTOREANU, P. (2014): GASTRONOMIC TOURISM, A NEW TREND FOR CONTEMPORARY TOURISM?? 9, 10.

GRUNERT, K.G. (2006): How changes in consumer behaviour and retailingaffect competence requirements for food producersand processors. Econ. Agrar. Recur. Nat. - Agric. Resour. Econ. 6, 3–22. at: doi.org/10.7201/earn.2006.11.01 (Abfrage am 27.04.2021).

Mintel (2020): Global Food and Drink Trends 2030. at: downloads.mintel.com/private/vKd7N/files/817369/ (14.04.2021)

SIMS, R. (2009): Food, place and authenticity: local food and the sustainable tourism experience. J. Sustain. Tour. 17, 321–336. at: https://doi.org/10.1080/09669580802359293 (Abfrage am 27.04.2021).

SORMAZ, U., AKMESE, H., GUNES, E., ARAS, S. (2016): Gastronomy in Tourism. Procedia Econ. Finance 39, 725–730. at: doi.org/10.1016/S2212-5671(16)30286-6 (Abfrage am 27.04.2021).

STATISTIK AUSTRIA (2019): Wirtschaft Tourismus. at: www.statistik.at/web_de/statistiken/wirtschaft/tourismus/index.html (Abfrage am 23.11.2019).


01.07.2021