19.06.2020 - Donau aus dem Gleichgewicht
BOKU-Studie zeigt dringenden Bedarf zur Verbesserung des Sediment-Managements. Wasserbauer Helmut Habersack: „Während in Stauräumen zu viel Kies liegen bleibt, fehlt der Sand am Meer.“
Die Donau wurde durch Eingriffe des Menschen stark verändert und das Sedimentregime ist daher aus dem Gleichgewicht. Als Folge davon wurde der Eintrag an Schwebstoffen (Feinmaterial) in das Donau Delta um über 60% reduziert und dies fördert die Küstenerosion – den Verlust von Sandstränden – am Schwarzen Meer (bis zu 24m pro Jahr). Durch die Errichtung von Querbauwerken zur Energiegewinnung und zum Hochwasserschutz an der Donau und ihren Zubringern wird der Sedimenttransport unterbrochen. In den Stauräumen kommt es zu Sedimentanlandungen und mehr als ein Drittel der Donaulänge sind von Sedimentüberschuss betroffen. Helmut Habersack: „In den freien Fließstrecken kommt es durch das Sedimentdefizit zur Sohlerosion mit allen technischen, wirtschaftlichen und ökologischen Problemen während auf der anderen Seite Sedimentation zu Hochwasserschutzproblemen in Stauwurzeln führen kann UND diese Schere zwischen „zu viel und zu wenig Sediment“ geht immer weiter auf“.
Im EU geförderten Projekt „DanubeSediment“ unter maßgeblicher Beteiligung des Instituts für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung IWA der BOKU Wien und 14 weiteren Partner aus insgesamt neun Donauländern wurden Vorschläge zur Verbesserung des Sedimentmanagements erarbeitet. Die Projektergebnisse zeigen jedoch auch, dass noch Forschungsbedarf besteht.
Nur noch 10 Prozent der Gesamtlänge intakt
Die Donau fließt auf ihrem 2857 km langen Weg vom Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer durch zehn Länder, und zehn weitere haben einen Anteil an ihrem Einzugsgebiet. Auf nur noch ca. 10% der Länge herrscht ein Gleichgewichtszustand. In den freien Fließstrecken fehlt das Sediment und die Donausohle tieft sich auf über 50% der Strecke ein bzw. weist einen Trend zur Erosion auf. Die Laufverkürzung um 134km und die Breitenreduktion um bis zu 40% der Donau und die damit verbundene erhöhte Sedimenttransportkapazität sowie die Verhinderung der dynamischen Verlagerung tragen zur Verstärkung des Problems bei. Auch die Landnutzungsänderung und der Klimawandel und damit einhergehend das Auftauen der Gletscher und Permafrostböden, verändern den Sedimenthaushalt und haben große Auswirkungen auf den Hochwasserschutz, die Wasserstraße, die Stromproduktion und die Ökologie. Es besteht dringender Bedarf zur Verbesserung der Sedimentbilanz und Umsetzung von Maßnahmen des Gewässer- und Sedimentmanagements im Zuge einer Gesamtstrategie.
Knapp zwei Drittel weniger Schwebstoffe im Donau-Delta und Geschiebekontinuum komplett unterbrochen
Die Donau als Lebensader für Mensch und Natur soll einer Vielzahl an Ansprüchen gerecht werden. Um die Flüsse besser nutzen zu können, wurde die Donau vor allem im Oberen und Mittleren Abschnitt aber auch ihre Nebenflüsse schrittweise für den Hochwasserschutz, die Schifffahrt, die Wasserkraft, Wasserversorgung und Landnutzung verändert und die ehemals komplexe Flussmorphologie über weite Strecken in ein einheitliches Gerinne verwandelt.
Als Folge der zahlreichen Eingriffe hat sich das Sedimentregime der Donau stark verändert. Die erste Sedimentbilanz der Donau zeigt, dass seit dem Bau der großen Staustufen an der Donau selbst aber auch an ihren Zubringern jährlich im Mittel rund 15 bis 20 Millionen Tonnen Schwebstoffe im Donaudelta ankommen. Das sind über 60 Prozent weniger als die historische Fracht von 40 bis 60 Millionen Tonnen. Zusätzlich ist das Geschiebekontinuum komplett unterbrochen, sodass an der Donausohle der für den Erhalt erforderliche Eintrag fehlt und gemeinsam mit den Folgen der Regulierung die Sohlerosion entsteht. Bei gleichzeitiger Unterbindung des Sedimenteintrags von der Seite durch Ufersicherungen und Baggermengen, die in einigen Flussabschnitten die Sedimentzufuhr von flussaufwärts übersteigen, wird das Problem noch weiter verstärkt.
Umfassende Maßnahmen notwendig
Die Folgen sind vielfältig: Durch die Absenkung des Flussbettes und in weiterer Folge des Grundwasserspiegels sowie die Abtrennung der Seitenarme gehen Flussstrukturen und Habitate verloren, Anlandungen können das Hochwasserrisiko erhöhen oder den Betrieb von Anlagen gefährden und der reduzierte Sedimenteintrag ins Schwarze Meer trägt zur Küstenerosion bei. Es sind daher umfassende Maßnahmen notwendig, welche die Situation für die schützenswerten Gebiete verbessern und gleichzeitig die Rahmenbedingungen für die Schifffahrt, Wasserkraft und Hochwasserschutz berücksichtigen.
Basierend auf den Projektergebnissen hat die Internationale Kommission zum Schutz der Donau (IKSD) entschieden, dass die Veränderung der Sedimentbilanz eine wichtige Wasserbewirtschaftungsfrage (Significant Water Management Issue) ist und hat das Thema und die Projektergebnisse im Donau Flussgebietsbewirtschaftungsplan (Update 2021) aufgegriffen. Auf nationaler Ebene soll das Thema Sedimentmanagement in die Flussgebietsbewirtschaftungspläne und Hochwasserrisikomanagementpläne Eingang finden.
Empfehlungen für Sediment-Management
Im Projekt wurden Empfehlungen für das zukünftige Sedimentmanagement im Donauraum erarbeitet und in der „Danube Sediment Management Guidance“ zusammengefasst. Ziel ist es, die Sedimentkontinuität zu verbessern und die Kluft zwischen Sedimentüberschuss und Defizit zu verringern. Dafür ist auch der Ausbau und die Harmonisierung der Sedimentmonitorings in den Donauländern notwendig, um Managementmaßnahmen datenbasiert umsetzen zu können. Um den negativen Auswirkungen auf den Sedimenthaushalt infolge der zahlreichen Eingriffe entgegenzusteuern, wurden „good practice“ Maßnahmen erhoben und in einem Handbuch zusammengestellt. Diese Maßnahmen adressieren unterschiedliche Nutzergruppen und sollen dazu beitragen den Sedimenthaushalt zu verbessern. Dabei geht es u.a. um die Durchgängigkeit bei Wasserkraftwerken, den Rückbau von Buhnen oder Ufersicherungen aber auch den Stop der Bodenerosion in der Landwirtschaft. Auf donauweiter Ebene sollen diese Maßnahmen in die Entwicklung eines transnationalen Konzepts zum Sedimentmanagement einfließen.
Die Ergebnisse des Projekts haben aber auch gezeigt, dass zur Verbesserung des Sedimentgleichgewichts und des Sedimentmanagements noch Forschungsbedarf besteht. Ein wichtiger Forschungsbeitrag dazu wird zukünftig im neuen Wasserbaulabor der BOKU, das derzeit am Brigittenauer Sporn in Wien errichtet wird und einen einzigartigen Labordurchfluss von 10.000 l/s ohne Pumpen haben wird, stattfinden. Helmut Habersack: „Damit wird es möglich, im Naturmaßstab 1:1 Sedimenttransportprozesse ohne Skalierungsproblem zu analysieren und Verbesserungsmaßnahmen zu entwickeln, die der nachhaltigen Wasserkraft, Schifffahrt, dem Hochwasserschutz und der Ökologie dienen.“
Weitere Informationen und Ergebnisse des Projektes finden sich unter www.interreg-danube.eu/approved-projects/danubesediment.
In dem EU-Interreg co-finanzierten Projekt DanubeSediment arbeiteten 14 Partner aus Verwaltung und Forschung aus neun Donauanrainerländern zusammen mit unterschiedlichen Akteuren aus Wasserwirtschaft, Wasserkraft, Schifffahrt, Wissenschaft und Naturschutz. Österreichischer Projektpartner war das Institut für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung (IWA) der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU). Das IWA/BOKU leitete das Arbeitspaket „Sediment Management“ und war für die Erstellung der Outputs „Danube Sediment Management Guidance“ und „Sediment Manual for Stakeholders“ hauptverantwortlich. Das Projekt wurde unter Zusammenarbeit mit viadonau und Verbund, mit fachlichen und finanziellen Beiträgen von BMLRT, BMK und Land Oberösterreich sowie unter Einbeziehung der IKSD umgesetzt.
Zu diesem gerade abgeschlossenen EU-Projekt war Univ. Prof. Helmut Habersack am Freitag, den 19. Juni, in der Ö1-Hörfunksendung "Punkt 1" zu Gast:
https://oe1.orf.at/player/20200619/601612
Kontakt:
Univ. Prof. DI Dr. Helmut Habersack
Institut für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung
Muthgasse 107
1190 Wien
helmut.habersack(at)boku.ac.at
Tel: 06641313874