Am 26. August wurden die ersten Jungmuscheln aus der künstlichen Nachzucht bei einem feierlichen Akt im oberösterreichischen Leopoldschlag von in- und ausländischen politischen Würdenträger*innen in der Maltsch ausgesetzt. Bild Mitte: Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babiš bei seiner Rede (c) Christoph Hauer

Im grenzüberschreitenden Forschungsprojekt Malšemuschel stellt die Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) ihre Expertise zur Verfügung, um Wissen zu den Themen Erosion, Sedimenthaushalt und Hochwasserschutz zu generieren und zeitgleich die letzten Bestände der Flussperlmuschel zu stützen. Die ersten Zucht-Jungtiere haben jetzt im Grenzfluss Maltsch ihre neue „alte“ Heimat gefunden.

Die Regionen Mühlviertel und Südböhmen haben eine wechselvolle Geschichte hinter sich - dessen ungeachtet hat sich das Wasser beider Seiten seit Jahrtausenden im Grenzfluss Maltsch vereinigt. Dieses verbindende Element ist der Ausgangspunkt für das grenzüberschreitende Interreg-Projekt Malšemuschel.

Umfangreiche Messungen im Einzugsgebiet
Ziel des von der Europäischen Union, tschechischem Umweltministerium und Land Oberösterreich finanzierten Projektes ist es, Wissen zu den Themen Erosion, Sedimenthaushalt und Hochwasserschutz zu generieren und zeitgleich die letzten Bestände der Flussperlmuschel in der Maltsch zu stützen. Beiden Zielen ist gemeinsam, dass man dafür die Nutzungen und Prozesse im gesamten Einzugsgebiet betrachten muss. Dazu wurden von den Auftragnehmer*innen auf österreichischer Seite - der Universität für Bodenkultur Wien und dem Ingenieurbüro blattfisch e.U. - umfangreiche Messungen des Sedimenttransportes, Modellierungen der Zusammenhänge zwischen Niederschlägen und Erosion und Untersuchungen zu Verlandungstendenzen des vorhandenen Hochwasserschutzes durchgeführt. Daraus wurden Managementmaßnahmen abgeleitet, die helfen sollen den Wasser- und Materialrückhalt in der Landschaft wieder zu verstärken, um auch für zukünftige Herausforderungen wie Trockenheit oder vermehrte Starkregenereignisse gerüstet zu sein.

„Im Rahmen dieses bilateralen Forschungsprojekts konnten wir die Maltsch in einem einzigartigen Detaillierungsgrad untersuchen. Obwohl alle relevanten Prozesse im Grenzfluss großteils durch die Physik beschrieben werden, haben wir das Gewässer wie einen großen Organismus gesamtheitlich betrachtet“, zeigt sich Projektleiter Christoph Hauer vom BOKU-Institut für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung zufrieden mit den Forschungsergebnissen.

Schutz für aussterbende Perlmuschelart
Zeitgleich helfen diese Maßnahmen auch den Lebensraum der Flussperlmuschel zu schützen. „Im Zuge der Wasserbaulichen Versuche an der BOKU konnten neue, bisher international noch unbekannte Maßnahmentypen entwickelt werden, die eine Verbesserung der Lebensraumsituation für die Flussperlmuschel ermöglichen. Sie stellen eine große Chance für das Überleben der Flussperlmuschel auf europäischer Ebene dar“, so BOKU-Experte Christoph Hauer.

Um den Bestand vor dem Aussterben zu bewahren, ist die Nachzucht der Muscheln notwendig – sie wurde im Rahmen des Projekts von den tschechischen Auftragnehmer*innen durchgeführt. So konnten an die 2000 Jungmuscheln gewonnen werden, die jetzt ihre neue „alte“ Heimat in der Maltsch gefunden haben.

Stichwort Maltsch / Malše
Die Maltsch - auf Tschechisch Malše - ist ein hydrologisch, ökologisch und historisch sehr spezielles Gewässer. Als einer der wenigen Flüsse in Österreich fließt sie Richtung Norden in die Elbe; als Grenzfluss hat sie eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Der „Eiserne Vorhang“ teilte hier Europa und verursachte viel menschliches Leid, bewahrte aber gleichzeitig ein Rückzugsort für die Natur. Der Bereich ist jetzt Teil des Naturschutzverbundes „Grünes Band“, das vom Baltikum bis Südeuropa reicht und noch seltene Tier- und Pflanzenarten beherbergt.

Stichwort Flussperlmuschel
Eine Bewohnerin der Maltsch, die ganz spezielle Ansprüche an ihren Lebensraum – vor allem an das Sediment an der Flusssohle – stellt, ist die Flussperlmuschel. Zurzeit beherbergt die Maltsch nur noch einen Bruchteil (rund 400 Individuen) der ehemaligen Muschelpopulation. Ursache des Bestandsrückgangs ist die kritische Phase, in der die Jungmuscheln 5-10 Jahre im Sediment überleben müssen. In dieser Zeitspanne dürfen nicht zu viele Feinsedimente und mobile Sandfraktionen im Gewässer sein.

Kontakt / Rückfragen:
Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr.nat.techn. Christoph Hauer
Universität für Bodenkultur Wien
Institut für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung
+43 1 47654-81912
christoph.hauer(at)boku.ac.at

Reges Medieninteresse beim Aussetzen der Jungmuscheln (c) Christoph Hauer