26.05.2020 - Globale Biodiversität in der Krise - Was kann die EU tun?
Die Landwirtschaft - besonders die Intensivlandwirtschaft, wie sie in vielen Teilen Europas praktiziert wird - trägt bis zu 80% zum Verlust der globalen Biodiversität bei. Eine internationale Forschergruppe mit Beteiligung der BOKU hat konkrete Handlungsoptionen ausgearbeitet.
Allein in Europa dienen
- rund 50% der Ackerflächen dem Anbau von Futtermitteln für die Fleischproduktion
- etwa 20% der Herstellung von Biotreibstoffen und Biogas,
- nur noch ein knappes Drittel derVersorgung der Menschen mit pflanzlichen Grundnahrungsmitteln.
Dazu kommt die Inanspruchnahme von über 600.000 km² Landflächen außerhalb Europas für die Einfuhr von Agrar- und Holzprodukten und der Beitrag Europas zur Überfischung, Eutrophierung und Erwärmung der Meere. Damit tragen die Staaten der Europäischen Union eine große Mitverantwortung an der globalen Biodiversitätskrise.
Was kann die EU tun, um diese für den Menschen bedrohliche Entwicklung einzudämmen bzw. ihr entgegen zu wirken? Ein internationales Team an Forscher*innen verschiedener Disziplinen der Biodiversität, Ökologie, Ökonomie, Anthropologie und integrierten Landsystem-Forschung veröffentlichte jetzt im Rahmen des Diskussionsforums der Deutschen Nationalen Akademie der Wissenschaften, Leopoldina, ein Diskussionspapier über konkrete Handlungsoptionen.
„Der weltweite ökologische Fußabdruck von Europa erfordert die Übernahme einer globalen Mitverantwortung zum Schutz von Biodiversität und Klima“, betont Co-Autor Helmut Haberl vom Institut für Soziale Ökologie an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU).
„Der Verlust der biologischen Vielfalt ist eine der größten Herausforderungen, der wir uns stellen müssen. Aus wissenschaftlicher Sicht ist klar, welche Maßnahmen Sinn machen – jetzt kommt es auf den politischen Willen an, um noch zu retten was zu retten ist“, so FWF-PräsidentKlement Tockner, der als Gewässerökologe an dem Diskussionspapier beteiligt war.
Gemeinsammit den anderen Autor*innen hält er es für besonders vordringlich, die finanzielle Unterstützung der EU für die Landwirtschaft und Fischerei nach Gesichtspunkten des Klima- und Biodiversitätsschutzes neu auszurichten. Zudem müssen die Umwelt- und Klimakosten von biodiversitäts- und klimaschädigenden Produkten- insbesondere von Fleisch - in einer angemessenen Bepreisung wirksam abgebildet werden. Der Biodiversitätsschutz soll in der EU und weltweit durch ein umfassendes Netz von angepassten Schutzgebieten sichergestellt und gefördert werden, das 30-50% der Land- und 40% der Meeresfläche abdeckt.
Konkrete Handlungsoptionen
- Die Gründung einerNaturallianz für Afrika, durch die das 4 Millionen Quadratkilometer umfassendeafrikanische Schutzgebietssystem im Rahmen einer integrativenEntwicklungszusammenarbeit mit jährlich 4 Milliarden Euro unterstützt wird.
- Die Initiierung undFörderung eines Aktionsplans der Weltgemeinschaft, durch den der Schutz von11,5 Millionen Quadratkilometer der letzten noch unberührten Urwälder der Erdemit rund 3,5 Milliarden Euro jährlich gefördert wird.
- Die Übernahme einerwirksamen politischen und finanziellen Verantwortung für die schnelle Umsetzungder Ziele der „Bonn challenge“ zur Aufforstung von weltweit 3,5 MillionenQuadratkilometer Wald bis 2030.
Ein stabiles ökologisches Gleichgewicht ist der Schlüssel für die Lebensgrundlagencder Menschen, sprich: Nahrung, Trinkwasser, Sauerstoff und Holz. Österreichs Landwirtschaft leistet zwar durch den hohen Anteil biologischer Landwirtschaft von etwa einem Viertel der Agrarfläche bereits einen Beitrag, dennoch ist auch hierzulande noch viel zu tun. „Eine Verringerung des Ressourcenverbrauchs, etwa durch gesündere, fleischärmere Ernährung und Vermeidung von Nahrungsmittelabfällen, ist entscheidend für den effektiven Schutz von Ökosystemen, Klima und Biodiversität“, so Haberl abschließend.
Kontakt / Rückfragen:
A.o. Univ.-Prof. Dr. Helmut Haberl
Institut für Soziale Ökologie
Universität für Bodenkultur Wien
helmut.haberl(at)boku.ac.at
Tel.: +43 699 19130591