BOKU-ForscherInnen beschreiben in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals PNAS einen Mechanismus, der Wurzelwachstum bei erhöhter Umgebungstemperatur steuert. 

Unsere Umgebung verändert sich. Wird es unbehaglich, so springen, huschen oder entlaufen Tiere und versuchen ihr Glück sonst wo. Pflanzen hingegen sind verwurzelt und müssen anders mit ihren Problemen fertig werden. Wenn sich in Zukunft die Durchschnittstemperatur weiter erhöht ist aber fraglich, wie ihnen das gelingen wird – zumal die Temperatur bereits in den letzten 50 Jahren stark angestiegen ist. Diese Klimaveränderungen machen Pflanzen zu schaffen; es gehen auch gravierende Verluste in den landwirtschaftlichen Erträgen damit einher. Die globale Erderwärmung führt so zunehmend zu politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen. 

Erhöhter Stress im Boden
Die erhöhten Temperaturen setzen Pflanzen unter Trockenstress - ein besseres Verständnis über Wurzelsysteme könnte daher in Zukunft die negativen Folgen der steigenden Erderwärmung in der Landwirtschaft abmildern. Zurzeit untersuchen ExpertInnen weltweit, was genau bei der Akklimatisierung in Pflanzen eigentlich passiert. So hat sich ein Forschungsteam um Dr. Elena Feraru und Assoc. Prof. Jürgen Kleine-Vehn am Department für Angewandte Genetik und Zellbiologie der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) das unterirdische Wachstum der Wurzel näher angesehen und einen Mechanismus entdeckt, der das Wurzelwachstum bei erhöhter Umgebungstemperatur steuert. Die WissenschafterInnen beschreiben in einer aktuellen Publikation im renommierten Fachjournal PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America), dass erhöhte Temperaturen einen intrazellulären Transporter für das Pflanzenhormon Auxin beeinflusst. Auxin ist ein wichtiger Wachstumsregulator in Pflanzen und hat bereits den Vater der Evolutionstheorie - Charles Darwin - fasziniert. Er konnte schon 1880 zeigen, dass ein mobiler Botenstoff das Pflanzenwachstum reguliert. Dieser Stoff wurde später nach dem griechischen Wort auxein(wachsen) benannt. 

Molekularer Mechanismus reagiert auf Umgebungstemperaturen
Auxin wird über seinen Rezeptor im Zellkern wahrgenommen, was wiederum zu einer Veränderung der Genaktivität führt. Diese Auxin-abhängigen Gene regulieren wiederum das Wachstum der Pflanzen. Das sogenannte PILS Protein transportiert Auxin jedoch in einen anderen zellulären Raum, das sogenannte Endoplasmatische Retikulum, und verhindert so dass Auxin mit seinem Rezeptor im Kern interagieren kann. Die ForscherInnen konnten nun zeigen, dass dieser Transportmechanismus die Größe der Pflanzenorgane - wie etwa Blätter oder Wurzeln - steuert. Eine erhöhte Temperatur reduziert die Anzahl der PILS Proteine in den Wurzelzellen und führt damit indirekt zu einer erhöhten Akkumulierung und Auxin-Antwort im Kern. Dieser molekulare Mechanismus erlaubt es also den Wurzelzellen auf erhöhte Temperaturen mit verstärktem Wachstum zu reagieren. Diese temperaturinduzierten Wachstumsschübe ermöglichen Pflanzen ein tieferes Wurzelsystem zu etablieren um so möglicherweise an mehr Ressourcen zu gelangen.

Weitere Forschungsarbeiten sollen zeigen, ob mit Hilfe der PILS Proteine der Wiener ForscherInnen das unterirdische Wachstum der Pflanzen zell-, gewebe- oder organspezifisch optimiert werden kann. 

Die BOKU-ForscherInnen wurden bei diesem Forschungsprojekt vom Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF), dem Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) und dem Europäischen Forschungsrat (ERC, englisch European Research Council) unterstützt.  

Der Artikel ist online verfügbar unter https://www.pnas.org/content/early/2019/02/11/1814015116
Fotos sind auf Anfrage erhältlich.

Kontakt / Rückfragen:
Jürgen Kleine-Vehn, Assoc. Prof. Dr.
Universität für Bodenkultur Wien (BOKU)
Department für Angewandte Genetik und Zellbiologie (DAGZ)
1190 Wien, Muthgasse 18
+43-1-47654-94150 
juergen.kleine-vehn(at)boku.ac.at