Die Herbsttagung 2019 des BOKU-Zentrums für Agrarwissenschaften widmete sich dem spannenden und komplexen Thema der Landnutzung.

Drei Viertel der globalen Landfläche wird vom Menschen genutzt. Das Bevölkerungswachstum und die ressourcenintensiven Konsumweisen der Industrie-, und zunehmend auch der Schwellenländer, verstärken den Druck auf die Flächennutzung und verschärfen die Konkurrenz zwischen den unterschiedlichen Landnutzungsformen wie Land- und Forstwirtschaft, Siedlungsbau, Verkehr und Infrastruktur und der Landnutzung zur Gewinnung von Industrieressourcen.

Die Landnutzung verändert auch die globalen Ökosysteme und gefährdet vermehrt deren Fähigkeit, sogenannte „Ökosystemleistungen“ bereitzustellen. Beispiele für gefährdete Ökosystemleistungen sind die Bestäubungsleistung von Insekten, die dafür verantwortlich ist, dass rund ein Drittel unserer Nahrungsmittelpflanzen wachsen können. Oder die Fähigkeit von Böden, Kohlenstoff zu speichern und so dem Klimawandel entgegenzuwirken.

Die Herbsttagung 2019 des BOKU Zentrums für Agrarwissenschaften widmete sich dem komplexen Thema Landnutzung, indem sie globalen Herausforderungen diskutierte und regionale Perspektiven aufzeigte.

Intensive Nutzung mit Folgen

„Die aktuelle Landnutzung ist vielfach kritisch zu bewerten“, betonte Jochen Kantelhardt, Leiter des CAS (Centre of Agricultural Sciences) an der Universität für Bodenkultur Wien, in seiner Eröffnungsrede. Allerdings muss die Landnutzung vielfältigen Ansprüchen gerecht werden. „Es bestehen unterschiedliche Interessen, wie die Ernährung der Weltbevölkerung, der Naturschutz oder die Bereitstellung von Ressourcen, die zu Konkurrenzen führen wie beispielsweise der Verlust und die Verbauung landwirtschaftlicher Flächen. Eine Balance zu finden ist eine große und komplexe Aufgabe“, so Kantelhardt.

Wechselwirkungen erkennen und verstehen

Die Sicherung der Welternährung im Jahr 2050 steht vor großen Herausforderungen. Einerseits wird der Klimawandel die Landnutzung stark verändern. Andererseits soll die Landnutzung beim Klimaschutz helfen, indem Bioenergie-Pflanzen angebaut werden. Helmut Haberl vom Institut für Soziale Ökologie an der BOKU macht klar: „Wer erwartet, dass Bioenergie-Pflanzen künftig stärker zur globalen Energieversorgung beitragen, muss wissen, dass diese Flächen nicht mehr für Nahrungsmittel zur Verfügung stehen. Die Konkurrenz um fruchtbares Land wird somit steigen.“ Landkonkurrenz hängt auch von den zukünftigen Ernährungsmustern ab: „Steigt der tierische Anteil an der Ernährung, so vergrößert sich der Flächenbedarf. Zwar kann man den Flächenbedarf durch Intensivierung eingrenzen, durch den höheren Bedarf an Düngemitteln kommt es jedoch zu einem anderen Problem, der Störung des globalen Stickstoff-Haushaltes."

Selbst Klimaschutzmaßnahmen wie das Anlagen von Energiepflanzenplantagen können durch Landkonkurrenz zu CO2-Emissionen führen. „Aktuelle Forschungsarbeiten zeigen, dass die Treibhausgas-Emissionen aus Bioenergie mit zunehmender Bioenergieproduktion ansteigen. Auch wenn genutzte Flächen frei werden, könnten diese in den kommenden Jahrzehnten vielerorts durch Renaturierung mehr CO2 binden als durch ihre Nutzung für Bioenergieproduktion an Fossilenergie eingespart werden kann“, so Haberl.

Nachhaltige Raumentwicklung

Österreich wächst, sowohl was die Bevölkerung, als auch die Wirtschaft anlangt. Das Wachstum konzentriert sich vor allem in und um die Zentren, während inneralpine und periphere Regionen stagnieren oder schrumpfen. In vielen Ortschaften ist ein sogenannter „Donut-Effekt“ zu beobachten: Die Entwicklung findet am Ortsrand statt, land- und forstwirtschaftlichen Flächen müssen für Bauland und Infrastruktur weichen, während die Ortskerne an Bevölkerung, Betrieben und damit an Lebendigkeit verlieren. Der Verlust von Biodiversität und die Emission von Treibhausgasen sind die Folge. „Es wäre dringend notwendig, Prinzipien einer nachhaltigen Raumentwicklung konsequent umzusetzen, um eine Funktionsmischung von Wohnen, Arbeiten, in die Schule gehen, Einkaufen und Erholen in räumlicher Nähe und maßvoller Dichte zu erreichen“, betonte Gernot Stöglehner vom Institut für Raumplanung, Umweltplanung und Bodenordnung an der BOKU. „Damit wäre nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Landwirtschaftliche Flächen und Lebensräume für Tiere und Pflanzen würden vor Bebauung geschützt – und innerhalb der Zonen könnte eine hohe Lebensqualität gewährleistet werden.“ Da derzeit viele räumliche Entwicklungen in die Gegenrichtung laufen, ist ein rasches Umdenken notwendig.

Kooperation ist der Schlüssel zum Erfolg

Keine Landnutzung prägt die Erde und ihre Landschaften so stark wie die landwirtschaftliche Nutzung. Gleichzeitig wirken diese Landschaften stark auf den Menschen. Annette Piorr vom Leibniz Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Müncheberg, Deutschland) zeigt, dass der Bezug zur Landschaft, der zum Beispiel über ein Produkt oder dessen Vermarktung hergestellt werden kann, ganz maßgeblich zur Aufwertung dieses Produkts bzw. zur Inwertsetzung der Landschaft beitragen kann. Anhand von Forschungsergebnissen aus europäischen Projekte diskutierte Piorr die Rolle von Innovation, Kooperation, Wissen und Zivilgesellschaft als Treiber von Landnutzung: „Beispiele aus der Praxis zeigen, dass regionale Ansätze und Lösungen die Landschaftsaufwertung begünstigen. Kooperationen sind dabei ein wichtiger Faktor.“

Optimierung durch Digitalisierung

Vor dem Hintergrund begrenzter Ressourcen, dem steigenden Bedarf an Nahrungsmitteln und den Wirkungen und Ursachen des Klimawandels ist die Steigerung der Ressourceneffizienz das Zukunftsthema in der Landwirtschaft. „Digitale Technologien wie z.B. sensorgestützte Düngung oder Precision Farming können dazu beitragen, die Ressourceneffizienz zu steigern und die Umwelt zu entlasten“, betonte Kurt Jürgen Hülsbergen vom Institut für Ökologischen Landbau und Pflanzenbausysteme an der TU München. „Einzelmaßnahmen alleine können die Welt aber nicht verbessen, sie müssen in einem System eingebettet sein“. Hülsbergen gehört zu jenen Forschern, die Landnutzung nicht nur analysieren und bewerten, sondern auch aktiv in die landwirtschaftliche Praxis einbringen wollen. „Wir entwickeln derzeit in einem großen Forschungsverbund ein webbasiertes Managementsystem, das die agrarischen Wertschöpfungsketten optimieren.“ Dieses digitale Tool soll in Zukunft Bauern und Landwirten zur Verfügung stehen.

Auswirkungen globaler Veränderungen regional aufzeigen

Mittels integrative Landnutzungsmodellierung können Auswirkungen globaler Veränderungen auf die landwirtschaftliche Produktion und die Ernährungssicherung aufgezeigt und effiziente Anpassungsmaßnahmen und -strategien im Vorfeld erkannt werden. Hermine Mitter vom Institut für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung an der BOKU: „Modellergebnisse für Österreich demonstrieren, dass die Pflanzenerträge unter Annahme eines moderaten Klimawandel-Szenarios bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts und bei ausreichender Wasserverfügbarkeit im nationalen Durchschnitt steigen.“ Allerdings variieren die Ergebnisse für unterschiedliche Pflanzen und Standorte sehr stark. „Zunehmende Extremwetterereignisse, neue Krankheiten und Schädlinge sowie Bodendegradation können die durchschnittlichen Erträge auch stark reduzieren. Mit Anpassungsmaßnahmen wie z. B. verdunstungsschonender Bodenbearbeitung und Fruchtfolge können Landwirte jedoch Risiken reduzieren und die neuen Chancen nutzen,“ so Mitter.

Lösungen sind vorhanden, aber komplex

Die Herbsttagung zeigte, dass das Thema der Landnutzung sehr komplex ist. Es bestehen vielfältige Herausforderungen und massive Wechselwirkungen, die nach systemaren Lösungsansätzen verlangen. „Es zeigt sich auch, dass vor allem auf regionaler Ebene vielversprechende Lösungsansätze bereitstehen,“ betonte Jochen Kantelhardt zusammenfassend. „Die Herausforderungen, vor der die aktuelle Landnutzung steht, werden nicht von Einzelnen gelöst werden können. Forschung muss hier einen wichtigen Beitrag leisten und darauf achten, die Ergebnisse in die Regionen zu kommunizieren.“

Rückfragen: cas(at)boku.ac.at