Die River Science Tagung an der BOKU rückt einmal mehr den drastischen Artenrückgang in Fließgewässern in den Fokus. Forscher warnen: Jeder wird davon betroffen sein. 

Mitte September fand auf Einladung der Universität für Bodenkultur das „Biennal Symposium of International Society for River Science“ (ISRS) in Wien statt. Mehr als 270 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus über 30 Nationen tauschten ihre Forschungsergebnisse über die Entwicklung der Gewässer aus. Angesichts der Tatsache, dass der Klimawandel zu einer veränderten Wasserverfügbarkeit - auch in Österreich - führen wird, wäre der Schutz von Flüssen und Seen ein dringendes Anliegen. Ist es aber (noch) nicht. Studien belegen, dass seit 1970 der Artenreichtum von Süßwasserlebewesen um 83 Prozent  zurückgegangen ist. „Beängstigend ist auch die Geschwindigkeit des Artensterbens“, betont Thomas Hein, Institutsvorstand für Hydrobiologie und Gewässermanagement an der BOKU. „Wenn wir nichts ändern, werden noch viele weitere Spezies in den nächsten Jahrzehnten verschwunden sein – teilweise noch, bevor wir sie überhaupt erforschen konnten.“ 

Der Fluss als Intensivstation
Warum es uns nicht egal sein kann, wenn in unserer Donau fünf von sechs Störarten ausgestorben sind, und wie Artenreichtum mit Wasserqualität zusammenhängt, bringt Hein auf den Punkt: „In einem Ökosystem wie dem Fließgewässer trägt jedes einzelne Lebewesen seinen Teil zur Balance des Ganzen bei. Der laufende Verlust von Kleinstlebewesen, Insekten und Fischen destabilisiert langfristig unsere Gewässer, und damit ihre Funktionen und essentiellen Leistungen, die für uns Menschen erbringen. Sterben - so wie in den vergangenen 50 Jahren - gleich 83 Prozent der Lebewesen aus, sprechen wir in der Hydrobiologie bereits von einer Intensivstation. Wenn wir zukünftig über genügend Trink- und Brauchwasser in entsprechender Qualität verfügen wollen, müssen wir die noch verbleibende Biodiversität in unseren Gewässern erhalten. Aussterben ist für immer!“

Wasserkraft muss „sauberer“ werden
Binnengewässer bedecken nur 0,8 Prozent der Erdoberfläche und sind doch Lebensraum für zehn Prozent aller (bis jetzt) beschriebenen Arten. Fließgewässer zählen schon aufgrund ihrer Natur zu den am meisten gefährdeten Lebensräumen: „Eingriffe im Oberlauf wirken sich auf den Unterlauf aus, künstliche Einengungen oder Abtrennungen seitlicher Lebensräume haben nachteilige Effekte auf das Ökosystem“, so Astrid Schmidt-Kloiber, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement der BOKU. Das erklärt auch, warum die sprichwörtlich saubere Wasserkraft wesentlicher Faktor des Artensterbens ist. Weltweit wurde bereits mehr als die Hälfte aller Flüsse verbaut. Ein Ende ist nicht absehbar. Ganz im Gegenteil: Die Bauvorhaben am Balkan (siehe Landkarte auf www.balkanrivers.net/en/vmap) sind ein signifikantes Beispiel, wie der Ausbau von Staudämmen boomt, um den ständig steigenden Bedarf an Energie zu decken. Im Rahmen der ISRS-Tagung konnten aber auch Best-Practice-Beispiele an der österreichischen Donau gezeigt werden. „Regional gibt es viele positive Beispiele, global jedoch sehen wir einen Trend der weiteren Verschlechterung“, so Schmidt-Kloiber. 

Lösungen im Großen und Kleinen 
Lösungen müssen dort ansetzen, wo es um echte Nachhaltigkeit bei der Umsetzung von technischen Möglichkeiten geht. Viele neue Technologien bringen unerwünschte Nebeneffekte mit sich, die man mit neuen Technologien zu kompensieren versucht, die weitere unerwünschte Kaskadeneffekte zur Folge haben. „In der Hydrobiologie gilt es, umweltfreundliche und nachhaltige Energiegewinnung im Spannungsfeld von Biodiversitätsverlust und Lebensraumzerstörung zu sehen. Es geht um Lösungen, die Gewässernutzung und den Lebensraum für Wasserorganismen gleichermaßen berücksichtigen“, so Institutsvorstand Hein. „Der wohl wichtigste Lösungsansatz, wenn es um den immer größer werdenden Energiebedarf geht, ist, das eigene Konsumverhalten zu überdenken!“