Das Team BOKU-Vienna wurde für seine neue Detektionsmethode beim Giant Jamboree in Boston, der Abschlussveranstaltung des iGEM-Wettbewerbes, unter 4000 internationale MitbewerberInnen ausgezeichnet.

Es gibt viele Problemstellungen auf dieser Welt, für die es die nötigen kreativen Lösungen zu finden gilt. Durch iGEM bekommen Studierende die Möglichkeit, einen wertvollen Beitrag dazu zu leisten. iGEM steht für international Genetically Engineered Machine, und es handelt sich dabei um einen internationalen Studierendenwettbewerb im Bereich der synthetischen Biologie, welcher seit 2005 vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston veranstaltet wird.

iGEM ist eine Non-Profit-Organisation mit dem erklärten Ziel, aktuelle und zukünftige Probleme mit Hilfe synthetischer Biologie zu lösen. Das Erstellen standardisierter und validierter genetischer Einheiten (sog. BioBricks) steht hierbei im Vordergrund. Das sind Teile genetischen Materials, die einfach wie Legobausteine aneinandergelagert werden und somit zu neuen funktionierenden Einheiten zusammengefügt werden können, um Problemstellungen zu bewältigen. Jährlich arbeiten über 6.000 Studierende aus unterschiedlichsten Ländern über den Sommer an ihren Lösungsansätzen und präsentieren ihre Ergebnisse beim Giant Jamboree in Boston, MA.

Studierende haben dabei die Möglichkeit, selbstständig ein wissenschaftliches Projekt auf die Beine zu stellen, von der Recherche bis zur praktischen Arbeit im Labor und darüber hinaus. Die Organisation der finanziellen Mittel, Öffentlichkeitsarbeit/Public Engagement und Social Media liegen in der Hand der Studierenden. Unterstützt werden sie von Professoren der jeweilig zugehörigen Universität.

Die bewegende Erfolgsstory

Seit nunmehr drei Jahren schon nimmt die Universität für Bodenkultur Wien gemeinsam mit der Universität Wien als Team BOKU-Vienna an diesem Wettbewerb teil. Im Zuge einer Lehrveranstaltung melden sich Studierende für den Wettbewerb an. Zu Beginn erhalten sie einen Überblick, worum es bei iGEM geht und was genau unter dem Begriff synthetischer Biologie zu verstehen ist. Und dann geht es an die Projektfindungsphase. Es werden Ideen gesammelt, Recherchen durchgeführt, Ideen verworfen und schließlich für eine Idee abgestimmt. Das diesjährige Projekt des Teams befasste sich mit einer neuen Detektionsmethode von Buruli ulcer, einer tropischen Hautkrankheit, die vom Bakterium Mycobacterium ulcerans verursacht wird.

Betroffene Personen leiden an offenen Läsionen und Ulzerationen, meist an den Extremitäten, welche zu schweren Hautschäden und Verstümmelungen führen können. Die Diagnose der Krankheit gestaltet sich als schwierig. Eine frühzeitige Erkennung ist für die Behandlung jedoch enorm wichtig. Etablierte Nachweismethoden sind entweder zu teuer oder dauern zu lange.

Das Team BOKU-Vienna nahm sich dieser Herausforderung an. Es wurde an einer neuen Methode getüftelt, um die Detektion der Krankheit kostengünstiger und einfacher zu gestalten. Dabei wurde mithilfe gentechnischer Methoden Escherichia coli soweit verändert, dass diese beim Vorhandensein von Mykolacton, einem vom Erreger M. ulcerans spezifisch produzierten Toxin, blaue Farbproteine (Chromoprotein) bildet und somit ein einfach zu detektierendes visuelles Signal abgibt.

Dahinter steckt ein genetischer Mechanismus, der spezifisch für Mykolacton ist. Dieses Molekül bindet höchst spezifisch an ein sogenanntes Aptamer, eine DNA-Sequenz mit bestimmter Sekundärstruktur. Diese ist Teil eines sogenannten Riboswitches, also eines Schalters auf molekularer Ebene, und reguliert so die Transkription eines Signalmoleküls, in unserem Falle des blauen Chromoproteins, welches als schnelles visuelles Signal dient. Dies ermöglicht eine deutliche Reduktion der Kosten und Dauer der Diagnose und führt zu hoher Selektivität und Sensitivität.

Von Juli bis September arbeitete das Team im Labor, um die Theorie in die Praxis umzusetzen – montags bis freitags, teilweise auch wochenends und nicht selten bis in die späten Abendstunden. Doch nicht nur im Labor hat sich einiges getan. Um das Projekt und iGEM der Öffentlichkeit näher zu bringen, wurden Präsentationen in Schulen gehalten, ein Informationsstand beim Sommerfest in der Muthgasse (BOKU) und bei der European Researchers‘ Night organisiert, ein Pubquiz abgehalten und bei der Kinderuni präsentiert.

Die Kinderuni brachte die Team-Mitglieder auf die Idee, ein Comicbuch zu gestalten, um das Projekt in einfacher Weise zu präsentieren. Aber nicht nur das Projekt sollte auf diese Weise erklärt werden. Es wurde ein Aufruf zu einer Challenge gestartet, der #sixpicschallenge. Eine Challenge für andere Teams, ihre Projektidee in eine leicht verständliche Form zu bringen. Zehn Teams sind diesem Aufruf gefolgt und haben ihre Projekte in tollen Illustrationen zu Papier gebracht. Auf der Homepage https://2019.igem.org/Team:BOKU-Vienna kann man sich dieses Comicbuch ansehen.

Ein integraler Bestandteil waren auch die sogenannten Human Practices, also der Exploration, wie die Gesellschaft das Projekt der neuen Detektionsmethode beeinflusst und wie auch umgekehrt das Projekt die Gesellschaft beeinflussen könnte. Ein reger Austausch mit Vertretern unterschiedlicher Interessensgruppen hat dadurch das Projekt geleitet und mitgeformt. Das Team BOKU-Vienna hat daraus gelernt, dass Abwägungen wie diese Teil eines jeden verantwortungsvollen wissenschaftlichen Projekts sein sollten.

Es wurden viel Zeit, Arbeit und Herzblut in die Arbeit gesteckt. Das alles sollte sich auch bezahlt machen. Beim Giant Jamboree, der Abschlussveranstaltung, nahmen heuer knapp 4.000 Studierende teil. Zwischen dem 1.  und 4. November hatten alle Teams die Möglichkeit, ihre Projekte durch Präsentationen der Jury und den anderen teilnehmenden Teams zu präsentieren. Daneben gab es noch Zeit, Workshops zu besuchen (z.B. vom FBI und NASA), sich bei den Ausstellern über neue Produkte zu informieren sowie Infomaterial abzustauben. Besonders wertvoll war auch das Vernetzen mit anderen Teams. Es herrschte eine inspirierende, optimistische Stimmung. Für viele von uns war es die erste wissenschaftliche Konferenz, und die Erfahrung hat uns definitiv sehr imponiert.

Am letzten Tag des Jamborees war es dann auch endlich so weit: Es wurden die Preise und Medaillen verliehen. Um eine Medaille zu gewinnen, gab es Kriterien zu erfüllen. Jedes Team versucht natürlich das Bestmögliche, um alle Kriterien für die Goldmedaille zu treffen und Gold nach Hause zu bringen. Auch das Team BOKU-Vienna gab sein Bestes, wusste aber um die überaus strenge Bewertung der Jury. Daher war es ein sehr spannender Moment für alle Team-Mitglieder, als nach und nach die Bronze-, Silber- und Goldmedaillengewinner angezeigt wurden. Bei Bronze fanden sie sich nicht wieder, bei Silber auch nicht... also hatten sich die monatelangen Mühen schlussendlich gelohnt!

Die Gewinner der Goldmedaille wurden endlich eingeblendet – und das Team BOKU-Vienna konnte erstmals eine Goldmedaille nach Wien bringen. Die Freude war riesig! Es wurde geschrien, gelacht, umarmt und Freudentränen vergossen. Aber nicht nur das Wiener Team war erfolgreich. Das zweite österreichische Team, NAWI Graz, durfte sich ebenfalls über eine Goldmedaille freuen, siegte bei zwei Special Awards (Best Diagnostic Project, Best Integrated Human Practice), und wurde für zwei weitere Awards nominiert (Best Poster, Best Presentation). Beide waren stolz, Österreich so gut vertreten zu haben.

Dieses Ereignis und all die Monate davor werden alle so schnell nicht vergessen. Diese wertvollen Erfahrungen hat sie geprägt. Sie kamen mit vielen Menschen und Organisationen in Kontakt, feilten an ihren Selbstorganisationsfähigkeiten und am selbstständigen Arbeiten, lernten viel voneinander - und vor allem lernten sie, als Team zu funktionieren und ein wissenschaftliches Projekt zu erarbeiten, mit allen Hochs und Tiefs, die dazugehören.

Die Zeit vom ersten Kennenlernen bis zum Giant Jamboree war nicht immer einfach, und doch haben sie viel Durchhaltevermögen bewiesen und es alle gemeinsam geschafft - gemeinsam als Team BOKU-Vienna 2019!

Rückfragen: igem.vienna2019(at)boku.ac.at