Öffentliche Stellungnahme zahlreicher Europäischer Institute fordert Änderung der fast 20 Jahre alten GVO-Gesetzgebung um Nahrungsversorgung und nachhaltige Landwirtschaft zu sichern.

Zahlreiche namhafte europäische Wissenschafter*Innen haben am Donnerstag an die EU appelliert, die Nutzung neuer präziser Zuchtmethoden zur Verbesserung von Kulturpflanzen zu vereinfachen. Dadurch soll eine nachhaltige Entwicklung von Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion auch in Zeiten des Klimawandels und des Bevölkerungswachstums ermöglicht werden, heißt es in einer öffentlichen Stellungnahme an das neu gewählte EU-Parlament und die EU-Kommission. Das Statement unterzeichneten in Österreich das Austrian Institute of Technology (AIT), The Institute of Science and Technology Austria (IST), die Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) sowie das Gregor Mendel-Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) und das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). 

Der Appell kommt exakt ein Jahr nach einem umstrittenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH): Dieser hatte entschieden, dass auch mit Präzisionsmethoden wie CRISPR/Cas9 erzeugte Pflanzen als gentechnisch veränderte Organismen einzustufen sind. Damit fallen Kulturpflanzen selbst mit der Mutation einer einzigen Base durch die Genschere CRISPR/Cas9 unter die GVO-Gesetzgebung aus dem Jahr 2001. Sie sind dadurch in der EU einem aufwändigen und teuren Zulassungsverfahren unterworfen, das sich nur noch große multinationale Konzerne leisten können. Die Forscher*Innen fürchten, dass Investitionen in Forschung in der EU zurückgehen und Züchtung durch kleinere Betriebe verhindert würden. 

Gleichzeitig sind Pflanzen, die mit den weit weniger präzisen konventionellen Methoden der Genveränderung - zum Beispiel durch Chemikalien oder Bestrahlung - hergestellt wurden, von der Regulierung ausgenommen. Diese Mutationsverfahren erzeugen zufällige Variationen in den Genomen der Pflanze, die zu neuen Eigenschaften führen und seit langer Zeit in der menschengemachten Züchtung eigesetzt werden. Sie erfordern aber anschließend aufwändige, zeit- und kostenintensive Selektion und Rückkreuzungen, um die neuen Variationen von hunderten unerwünschten Mutationen zu trennen. „Die neuen Verfahren wie CRISPR/Cas erlauben die präzise Züchtung, bei der die gleichen positiven Genomveränderungen ohne die begleitenden Genomschäden erzielt werden können“, so Ortrun Mittelsten Scheid, Gruppenleiterin am GMI. 

Diese minimalen Veränderungen durch die neuen Präzisionsverfahren können nachträglich nicht mehr von den gleichen Mutationen aus den Zufallsverfahren unterschieden werden. Eine Einfuhr von außerhalb der EU genomeditierten Kulturpflanzen in die EU ist daher problemlos möglich, während innerhalb der EU die Zulassung eigener Züchtungen erschwert wird. 

Die Weltbevölkerung wächst, und zahlreiche Pflanzenarten sind durch den Klimawandel mit längeren Phasen der Trockenheit bedroht. Die Unterzeichner *Innen fordern daher eine Anpassung der veralteten GVO-Gesetzgebung und Harmonisierung mit anderen Staaten, um auch kleineren Forschungsinstituten und Produzenten in der EU die Züchtung zu erleichtern. Dies sei ein wichtiger Beitrag Europas zur Nahrungssicherheit und zu den auch von der UNO formulierten Zielen (Sustainable Development Goals).